Aus Lern-Frust wird Uni-Lust
Fast jeder zweite Ingenieurstudent wechselt das Fach oder bricht das Studium ab. Mit neuen Auswahlverfahren, einer intensiveren Betreuung und Praxisprojekten steuern die Hochschulen dagegen.
Rund jeder vierte Ingenieurstudent an einer Universität bricht sein Studium ab, weitere 17 % der Ingenieurstudenten an deutschen Unis wechseln das Fach. Das ist, bezogen auf die ursprünglichen Studienanfänger, eine Schwundquote von 42 %. Im Maschinenbau und in der Elektrotechnik beträgt die Schwundquote sogar 53 %. Das sind die von der Hochschul-Informations-System GmbH (HIS) ermittelten Fakten. An den Fachhochschulen ist die Schwundquote etwas geringer.
Die Universitäten beginnen, dem Studentenschwund entgegenzusteuern. Die TU München, die RWTH Aachen und die TU Darmstadt haben die Betreuung intensiviert: Sie bieten verstärkt Tutorien und die Arbeit in kleinen Gruppen an. An der TU Darmstadt sind Seminare zu Arbeitstechniken Pflicht. „Aber das reicht nicht aus, um die Studenten bei der Stange zu halten“, sagt Peter Stephan, Dekan der Fakultät Maschinenbau. In Projektkursen werden die Studierenden bereits im ersten Semester von einem wissenschaftlichen Mitarbeiter und einem Psychologen betreut. Stephan: „Die Projekte sind ein Riesenerfolg. Die Studierenden sind motivierter. Sie lernen zudem, wie ein Ingenieur zu arbeiten.“
Mathematik ist nicht allein schuld an der Misere. „Viele Studienabbrecher oder Fachwechsler haben völlig falsche Vorstellungen vom Studium und der Arbeit eines Ingenieurs“, so Ulrich Heublein vom HIS. Die TU München und die TU Darmstadt laden Bewerber deshalb zu Auswahlgesprächen ein. „Es geht vor allem darum, abzuklären, ob die Erwartungen stimmen“, sagt Thomas Wagner von der Fakultät Maschinenbau an der TU München.
Seit zwei Jahren können sich an der RWTH Aachen Bewerber nur für das Fach Maschinenbau einschreiben, wenn sie einen zweistündigen Onlinetest absolviert haben. Sie sollen so zu einer intensiven Studienberatung angeregt werden. In dem Test müssen die Teilnehmer Aufgaben lösen, in denen sie ihre Fähigkeiten in Mathematik, Technischem Verständnis und Logik unter Beweis stellen. Sie können zudem überprüfen, ob ihre Interessen und Motive zum Studium passen.
Darmstadt hat bereits die Trendwende geschafft: Gerade mal 6 % der Studierenden haben im Maschinenbau nach dem dritten Semester dem Fach den Rücken gekehrt. 2003 waren es noch 21 %. In der RWTH Aachen und an der TU München liegen die Schwundquoten im Maschinenbau nach wie vor deutlich höher. Stephan: „Die Maßnahmen brauchen Zeit. Wir haben früher als andere Hochschulen begonnen, gegenzusteuern.“
Die Studierenden sollten sich auch selbst an die eigene Nase fassen. „Viele nehmen unsere Informationsmöglichkeiten viel zu wenig wahr“, sagt Thomas Wagner von der TU München. Er rät allen Studenten bereits nach der ersten versiebten Klausur zur Beratung. RITA SPATSCHECK
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