Auf dem Campus herrscht Bonanza-Stimmung
„Prometheus“ soll die Ruhr-Uni, die FH und auch die nahe gelegene Studenten-Wohnstadt mit Erdwärme versorgen. 2009 will man damit fertig sein.
Die Argumente klingen sattsam bekannt: Energie sei in „unermesslicher“ Menge vorhanden, verheißen die Protagonisten der Erdwärme, sie schlummere nur ungenutzt im Erdinneren. Das galt einst auch einmal für Kohle, Erdöl, Erdgas und erst recht für die Kernenergie. Die konventionellen Energieträger sind aber längst absehbar erschöpft oder werden zur wichtigen Rohstoffbasis umgewidmet, und Atomkraft ist jäh gestoppt. Jetzt also ist Geothermie angesagt, und zwar ausgerechnet im Ruhrgebiet, auf dem Campus der Bochumer Ruhr-Universität. Heizwärme für eine ganze Stadt, gar die komplette Region?
Das war erst einmal ein Fall für die Wirtschaftsprüfer. „Gründlichkeit ist unabdingbar, um Fehlinvestitionen zu vermeiden“, dämpft die Nürnberger Kanzlei Rödl & Partner überbordende Euphorie. Genau unter die Lupe zu nehmen sei das Fündigkeitsrisiko, denn die ins Auge gefassten und bislang noch nie niedergebrachten Tiefen von 4000 m verschlängen pro Bohrung bis zu 5 Mio. €. Das Projekt ist kostspielig: Planung, Bohrungen, Thermaltrasse, Energieerzeugungsanlage, Fernwärmenetz und Betriebskosten schlagen zu Buche, dabei ist die Effizienz des Vorhabens derzeit noch ungewiss.
Ausgebuffte Pionier-Naturen lassen sich von derlei Bedenken aber kaum abbringen. „Es ist besser, Energie-Lösungen im eigenen Land zu realisieren“, lautet zum Beispiel die Motivation von Prof. Dr. Fritz Rummel. Auch wenn die Erdwärmenutzung noch nicht genügend erforscht sei, so der Leiter des Bochumer Instituts für Geologie, Mineralogie und Geophysik, sei die Zeit für ein solches Projekt bereits überreif.
Positive Erfahrungen mit der Geothermie gibt es bereits in der Toskana und in Neuseeland, die kalifornischen Städte Berkeley und Oakland werden komplett mit Erdwärme versorgt und aus hydrothermalen Systemen speisen sich weitflächige Heizungen im Pariser Becken oder in Ungarn.
In Bochum will man noch weiter gehen, genau genommen, tiefer hinunter: Bis 4000 m Teufe gründelte bislang noch kein Bohrgestänge. Rummel: „Unternehmen des Ruhrgebiets haben das Know-how und in unseren Hochschulinstituten ist das gebündelte Wissen der Energieforscher abrufbar.“ Für entscheidend wird gehalten, dass es mit der Universität den großen Verbraucher vor der Tür gibt. „Hot-Dry-Rock“ ist das Schlagwort des Demonstrationsvorhabens Prometheus „zur Gewinnung tiefengeothermischer Energie im Rahmen der Landesinitiative Zukunftsenergien“. Mit von der Partie sind die rubitec Gesellschaft für Innovation und Technologie der Ruhr-Universität Bochum und der Lehrstuhl Energiesysteme und Energiewirtschaft.
Die gewonnene Wärme soll in ein vorhandenes Fernwärmenetz eingespeist werden und zur Grundlastversorgung der Ruhr-Universität Bochum, der FH Bochum und der benachbarten Universitätswohnstadt beitragen. Im Gegensatz zum Oberrheinischen Graben mit seinem Granitgestein teuft diese Region in Sedimentgestein, das in großen Teilen Deutschlands den Untergrund bestimmt.
Vorgesehen ist, Fließwege zwischen den Bohrungen über die hydraulische Stimulation des Untergrunds zu schaffen. Das geschieht durch Einpressen von Wasser mit hohem Druck. Im späteren Betrieb wird das Wasser über eine Injektionsbohrung ins Erdinnere gepresst, zirkuliert durch einen großflächigen Wärmetauscher, erwärmt sich dabei und wird über die Extraktionsbohrung dann zurück an die Erdoberfläche gepumpt.
Die Machbarkeitsstudie für das Projekt ist bereits fertig gestellt, als nächstes werden bei Anbietern die Bohrpreise eingeholt. Gemäß dem Betriebsplan soll ab September 2005 eine Tiefbohrung niedergebracht werden. Zwei Jahre später wird der Antrag auf den Realisierungsteil mit der zweiten Bohrung gestellt, avisierter Abschluss: 2009. Und dann könnte tatsächlich die Beheizung der Ruhr-Universität starten. Noch hakt es bei der Bohrversicherung, denn vor unwägbaren Risiken dieser Größenordnung scheut die Assekuranz.
Die Kosten pro geförderter kWh Erdwärme liegen, alles eingerechnet, heute bei rund 0,04 €. Das ist zwar das Doppelte des heutigen Fernwärmepreises, „aber es wäre eine sichere Sache“, betont Rummel. Kein Scheich, keine Energiekrise und keine politische Unwägbarkeit könnte den kontinuierlichen unterirdischen Wärmefluss bremsen, und kein Student müsste sich mehr warm anziehen – außer natürlich beim Examen.K. NIEHÖRSTER/wip
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