Arbeitsplatz fast schon garantiert
Unter dem Namen Time bieten 32 Universitäten in Europa ein Austauschprogramm an mit dem Ziel, Nachwuchs für das Top-Management zu fördern.
Vincent Lepercq hat eine beachtliche Uni-Karriere hinter sich: Nach vier Jahren Studium an der Ecole Centrale Lyon und zwei Jahren an der Technischen Universität Darmstadt ist er 24-jährige Franzose Besitzer eines deutsch-französischen Doppeldiploms.
„Ich kann diesen Weg hundertprozentig empfehlen“, sagt der frisch gebackene Maschinenbauingenieur zufrieden, dem nach seinem Zivildienstjahr in Frankreich ein Job bei Porsche so gut wie sicher ist. Lepercq ist einer von europaweit fast 400 Time-Studenten. Die Abkürzung steht für „Top Industrial Managers for Europe“. Das Time-Netzwerk besteht seit 1989 und hat sich zum Ziel gesetzt, den Nachwuchs im Top-Management zu fördern.
Es vereint unter dem Vorsitz der EcoleCentrale Paris mittlerweile 32 renommierte technische Universitäten aus Europa. Im Gegensatz zu anderen meist einjährigen Austauschprogrammen gehen Time-Studenten nach dem Vordiplom für zwei Jahre ins Ausland und absolvieren ihren Abschluss an der Gastuniversität. Neben guten Sprachkenntnissen sollten die Bewerber mindestens eine Zwei im Vordiplom mitbringen. Das Ingenieursdiplom erkennen beide Austauschländer an.
„Die Studenten erlangen Kompetenzen in zwei Kulturen“, sagt Johann-Dietrich Wörner, Präsident der TU Darmstadt, die neben München, Aachen, Erlangen und Stuttgart in Deutschland zum Time-Netzwerk gehört.
Nach wie vor habe diese Art von Austausch einen ganz besonderen Reiz: „Sie lernen ein Problem aus zwei verschiedenen Sichtweisen zu betrachten“, berichtet auch Régine Lambrech, die in Lyon zuständig ist für die Betreuung der Austauschstudenten.
Gerade das deutsche und französische Ingenieurstudium ergänzen sich offenbar gut. Während deutsche Studenten sich an den verschulten und vergleichsweise kleinen französischen Campusuniversitäten – an der Ecole Centrale Lyon gibt es 1000 Studenten – geradezu „bemuttert“ fühlen, wissen ihre französischen Kollegen nicht nur die größere Bewegungsfreiheit an deutschen Hochschulen zu schätzen.
Lepercq lobt vor allem den stärkeren Praxisbezug des deutschen Studiums. In Frankreich sei die Ausbildung stärker mathematisch-naturwissenschaftlich angelegt, erzählt auch Ulrich Meireis, dem besonders die an französischen Universitäten stark geförderte Gruppenarbeit gefallen hat. „Mir haben beide Systeme auf ihre Art und Weise gelegen“, berichtet der 25-Jährige, der sein Doppeldiplom in Lyon erworben hat und inzwischen ein Traineeprogramm bei DaimlerChrysler in Stuttgart absolviert. Der Start in Frankreich ist für die meisten Studenten ein Sprung ins kalte Wasser.
Vor allem in Mathematik, berichtet Brigitte Astheimer, Betreuerin der ausländischen Studenten in Darmstadt, seien die Franzosen ihren deutschen Kommilitonen um zwei Jahre voraus: „Das war am Anfang die reinste Katastrophe“, erinnert sich Meireis. Das erste halbe Jahr sei hart gewesen, berichtet der Maschinenbauingenieur. Danach habe er sich integriert. „Es wird ihnen nichts geschenkt“, betont Astheimer.
Doch der Stress lohnt sich. Time-Studenten erwerben sich durch die zweijährige Auslandserfahrung, das Doppeldiplom und nicht zuletzt durch ihre Sprachkenntnisse ein Profil, das gerade in Großunternehmen mit internationalen Beziehungen sehr gefragt ist: „Sie werden engagiert noch bevor sie ihr Studium beendet haben“, erzählt Astheimers Kollegin Lambrech.
Fast täglich fragten Unternehmen wie Bosch oder BMW nach Time-Absolventen, weiß auch Aziz Alchagui von der Technischen Universität Stockholm zu berichten: „Time-Studenten“, glaubt der Wirtschaftswissenschaftler, „haben eine Jobgarantie“.
Mittlerweile haben die Ecole Centrale Paris und 15 französische Unternehmen, darunter Michelin und Renault, den Club „Time Plus“ gegründet, der den Studentenaustausch sponsort. „Wir haben eine gute Erfolgsbilanz“, betont TU-Präsident Wörner. Wie Vincent Lepercq, bleiben viele Time-Studenten nach ihrer Erstanstellung im Gastland, nach Angaben von Wörner 40 %. Auch in Schweden engagieren Großunternehmen wie ITT oder Ericsson gerne Time-Studenten, um sie später in ihre ausländischen Filialen zu schicken.
Die Auswahl der Studenten, die ins Ausland gehen dürfen – aus Darmstadt studieren derzeit etwa 60 in Lyon – trifft jede Hochschule allein. Eine zentrale Ausschreibung gibt es nicht. In fachlicher Hinsicht sei Time durchaus ein elitäres Programm, räumen die beteiligten Universitäten ein. Man bemühe sich jedoch inzwischen, den Katalog der Auswahlkriterien zu erweitern, berichtet Alchagui.
An der Finanzierung des Auslandsaufenthaltes beteiligen sich die Universitäten allerdings nicht: Fördermöglichkeiten in geringem Umfang bietet das Erasmusprogramm. Austauschstudenten aus Deutschland und Frankreich erhalten immerhin 600 DM pro Studienmonat als Unterstützung vom deutsch-französischen Hochschulkolleg. Den Rest übernehmen in den meisten Fällen die Eltern. „Viele“, sagt Astheimer, „sparen sich das Geld aber auch selbst zusammen“.
Wer über Time im Ausland studieren möchte hat – je nach Hochschule – neben Frankreich und Schweden derzeit die Auswahl zwischen Belgien, Dänemark, Griechenland, Holland, Italien, Österreich, Portugal und Spanien.
Auf ihrer letzten Generalversammlung im Oktober haben die Time-Partner auch über eine mögliche Öffnung des Projektes in Richtung England und den Vereinigten Staaten gesprochen. Die gegenseitige Anerkennung der Abschlüsse sei derzeit allerdings noch schwierig, räumt Wörner ein. Erste Überlegungen über eine Zusammenarbeit gebe es jedoch mit der Stanford-University in Kalifornien und mit dem Massachusetts Institute of Technology.
JUTTA WITTE
Die TU Darmstadt ist eine von fünf deutschen Universitäten im Time-Netzwerk. TU-Präsident Wörner attestiert dem Netzwerk eine gute Erfolgsbilanz.
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