Re-skilling oder raus? Umschulung als Überlebensstrategie
Umschulung als Neustart: Warum Re-skilling Ingenieurinnen und Ingenieuren den Weg in die Zukunft weist – statt Stillstand neue Perspektiven.
Neu lernen, Zukunft sichern: Re-skilling als Schlüssel für Karriere und Wettbewerbsfähigkeit.
Foto: PantherMedia / smshoot
Inhaltsverzeichnis
- "Re-skilling ist die neue Währung industrieller Wettbewerbsfähigkeit"
- Re-skilling oder Upskilling – was ist der Unterschied?
- Umschulung ist keine Option mehr – sondern Überlebensstrategie
- Fachkräftemangel trifft auf Kündigungswellen
- Ingenieurberufe im Wandel
- Drei Beispiele für Re-skilling in der Praxis
- Vom alten zum neuen Aufgabenfeld: Zukunftskompetenzen sichern
- Warum Re-skilling allein nicht reicht
- Re-skilling als Karriere-Versicherung
„Re-skilling ist die neue Währung industrieller Wettbewerbsfähigkeit“
Manchmal fühlt es sich an, als habe jemand die Pause-Taste gedrückt. Die Projekte sind ausgelaufen, die Technik hat sich weiterentwickelt – nur Sie stehen plötzlich da und fragen sich: Und jetzt? Für viele Ingenieurinnen und Ingenieure sowie Fachkräfte ist dieser Moment kein seltenes Erlebnis, sondern Realität. Maschinen lernen schneller, Software denkt mit und künstliche Intelligenz verändert Berufsbilder im Rekordtempo.
Was früher Routine war, erledigt heute ein Algorithmus. Produktionslinien steuern sich selbst, Daten fließen automatisch durch digitale Systeme, und selbst in der Konstruktion übernehmen Programme Aufgaben, für die einst ganze Teams gebraucht wurden. Wer da nicht mitzieht, steht schnell am Rand – gut ausgebildet, aber ohne Anschluss.
Genau hier setzt Re-skilling an – die Kunst, sich selbst neu zu erfinden. Es geht nicht darum, alten Fähigkeiten hinterherzutrauern, sondern darum, neue aufzubauen. Re-skilling bedeutet: noch einmal lernen, diesmal für die Zukunft. Für viele ist es der Ausweg aus Stillstand und Unsicherheit – und die Eintrittskarte in eine Arbeitswelt, die sich schneller dreht, als man denkt.
Oder, wie Executive Recruiter Oliver Kempkens es formuliert:
„Re-skilling ist kein HR-Luxus, sondern die neue Währung industrieller Wettbewerbsfähigkeit. Laut Weltwirtschaftsforum muss bis 2030 mehr als eine Milliarde Menschen neue Kompetenzen lernen – wer das verschläft, verliert seine Zukunftsfähigkeit.“
Wer also heute bereit ist, sich weiterzubilden bzw. neu zu lernen, investiert nicht nur in den eigenen Job – sondern in die Fähigkeit, morgen überhaupt noch gefragt zu sein.
Re-skilling oder Upskilling – was ist der Unterschied?
Davon zu unterscheiden ist Upskilling – das Erweitern und Vertiefen vorhandener Fähigkeiten, also eine Art „Weiterlernen“ im bestehenden Beruf.
Technologische Entwicklungen, insbesondere durch künstliche Intelligenz, verlangen neue Fähigkeiten – sowohl von Unternehmen als auch von Mitarbeitenden. Deshalb ist es wichtig zu unterscheiden: Upskilling bedeutet, bestehende Kompetenzen zu erweitern, während Re-skilling auf einen Rollenwechsel mit komplett neuen Fähigkeiten vorbereitet.
Die Professorin Maren Müller schreibt in ihrem LinkedIn-Beitrag, dass man in vielen Organisationen immer noch sehe, dass Re-skilling als Nebenprojekt behandelt werde und nicht als strategische Säule. Zudem betont sie, dass Führungskräfte häufig Verhaltensänderungen erwarteten, ohne dass eine entsprechende kulturelle Bereitschaft vorhanden sei. „Unternehmen stehen vor der Herausforderung, ihre Mitarbeitenden auf neue Rollen und Anforderungen vorzubereiten. Dabei sind kontinuierliche Weiterbildung und der Erwerb neuer Kompetenzen entscheidend.“ Maren Müller – gemeinsam mit Hazel Gruenewald – ist die Autorin des Buches: „Upskilling und Reskilling für die Personalentwicklung: Kompetenzen der Zukunft erkennen und Personal erfolgreich qualifizieren“.
Umschulung ist keine Option mehr – sondern Überlebensstrategie
Außerdem trägt Re-skilling auch zur Abfederung gesellschaftlicher Folgen des Strukturwandels bei. Wenn ganze Berufsfelder verschwinden, entstehen neue Chancen – aber nur, wenn Mitarbeitende die Möglichkeit haben, sich weiterzuentwickeln, umzuschulen oder ihre Expertise neu auszurichten. Weiterbildung ist so nicht nur ein betrieblicher Vorteil, sondern ein Instrument, um soziale Stabilität zu sichern und den Wandel fair und verantwortungsvoll zu gestalten.
Ein Beispiel: Wir haben auch mehrmals darüber berichtet, dass Mitarbeitende mehr über künstliche Intelligenz lernen möchten. Denn: Künstliche Intelligenz verändert die Arbeitswelt schneller, als viele es erwartet hätten. Routinetätigkeiten werden automatisiert, Geschäftsmodelle neu gedacht und ganze Branchen umgestaltet. Mit diesen Fortschritten entstehen enorme Chancen – aber auch Unsicherheiten. Wer in dieser neuen Arbeitswelt erfolgreich sein will, muss bereit sein, kontinuierlich zu lernen und sich weiterzuentwickeln.
Der technologische Wandel, Automatisierung und KI verändern Jobs schneller, als neue Stellenbeschreibungen entstehen. Was früher Jahrzehnte hielt, ist heute nach wenigen Jahren veraltet. Große Unternehmen investieren deshalb jetzt schon massiv in interne Lernprogramme, um ihre Mitarbeitenden fit für neue Aufgaben zu machen. Wer zeigt, dass er lernen will und kann, punktet oft stärker als jemand mit einem beeindruckenden Lebenslauf – denn Lernfähigkeit ist die neue Währung am Arbeitsmarkt.
Viele Menschen wollen sich weiterbilden, wissen aber nicht, wo sie anfangen sollen. Der Schlüssel liegt oft darin, neugierig zu bleiben und kleine Lernschritte zu gehen. Denn Re-skilling muss nicht immer ein kompletter Neustart sein: Wer etwa schon mit Daten arbeitet, kann sich in Richtung KI-Analyse weiterentwickeln.
Fachkräftemangel trifft auf Kündigungswellen
Unternehmen stehen derzeit vor einem paradoxen Problem: Auf der einen Seite fehlen Fachkräfte in vielen Bereichen, auf der anderen Seite kommt es zu Kündigungswellen, wenn Geschäftsmodelle oder Technologien sich verändern. Gerade Ingenieure, IT-Spezialisten oder Fachkräfte in der Produktion sind betroffen.
Re-skilling kann auch hier die Brücke schlagen. Wer Mitarbeitende gezielt weiterqualifiziert, kann offene Stellen intern besetzen, statt teure Neueinstellungen vorzunehmen. Gleichzeitig sinkt das Risiko, dass Beschäftigte aufgrund von Unsicherheit oder fehlender Perspektiven kündigen. Statt Jobs zu verlieren, entwickeln sich Mitarbeitende in neue Rollen hinein, die dem Unternehmen aktuell und künftig wichtigen Bedarf decken.
Wenn man es plakativ darstellt: Re-skilling wirkt wie ein Puffer gegen den Fachkräftemangel und gleichzeitig als Schutzschild vor Kündigungswellen. Es macht Wandel handhabbar – für Unternehmen und Mitarbeitende gleichermaßen.
Ingenieurberufe im Wandel
Auch Ingenieure stehen heute vor einer enormen Veränderung ihrer Tätigkeiten. Klassische Rollen, die früher stark auf Planung, Konstruktion oder Produktion fokussiert waren, verschieben sich zunehmend in Richtung digitale und interdisziplinäre Kompetenzen. Über die Arbeitstrends für Ingenieure haben wir auch schon ausführlich berichtet.
Ein Maschinenbauingenieur arbeitet heute nicht mehr nur an mechanischen Konstruktionen, sondern muss auch Simulationen mit KI, 3D-Druck und Robotiksoftware beherrschen. Elektroingenieure brauchen zusätzlich Kenntnisse in IoT, Datenanalyse und Smart-Grid-Technologien.
Sogar Bauingenieure beschäftigen sich zunehmend mit digitalen Planungsmethoden, Building Information Modeling (BIM) und nachhaltigen Materialien.
Drei Beispiele für Re-skilling in der Praxis
- Maschinenbau / Produktion
Ein Maschinenbauingenieur, der früher klassische Maschinen konstruiert hat, wird durch Re-skilling auf Automatisierung, Robotik und 3D-Druck vorbereitet. So kann er künftig nicht nur mechanische Systeme planen, sondern auch digitale Produktionsprozesse steuern und optimieren. - Elektrotechnik/Energie
Elektroingenieure, die bisher Stromnetze betreut haben, lernen Smart-Grid-Technologien, IoT-Anwendungen und Energiemanagement-Software. Damit können sie aktiv an der Transformation hin zu nachhaltigen, digital gesteuerten Energiesystemen mitarbeiten. - Bau- und Infrastruktur
Bauingenieure, die bisher auf traditionelle Konstruktion fokussiert waren, werden in Building Information Modeling (BIM), nachhaltigem Bauen und digitalen Planungstools geschult. So können sie komplexe Bauprojekte effizienter planen und interdisziplinär koordinieren.
Vom alten zum neuen Aufgabenfeld: Zukunftskompetenzen sichern
Re-skilling ermöglicht es, neue Kompetenzen zu erwerben und in zukunftsrelevante Rollen zu wechseln. Beispiele dafür zeigen, wie vielseitig diese Transformation sein kann:
- In der Automobilindustrie werden Ingenieure, die bisher Verbrennungsmotoren entwickelt haben, auf Elektroantriebe, Batterietechnologien und Fahrzeugsoftware geschult. So können sie aktiv an der Mobilitätswende mitarbeiten und Fahrzeuge der Zukunft entwickeln.
- In der Luft- und Raumfahrt erweitern Ingenieure ihre Fähigkeiten in Drohnentechnologie, autonomer Navigation und KI-gestützten Steuerungssystemen. Sie übernehmen Verantwortung in digitalen und hochinnovativen Projekten.
- In der Chemie- und Pharmaindustrie lernen Ingenieure, Prozessautomatisierung, digitale Analytik und KI-gestützte Produktionsoptimierung einzusetzen. Dadurch können Produktionsprozesse effizienter, flexibler und zukunftsfähiger gestaltet werden.
Warum Re-skilling allein nicht reicht
„Gerade die wachsenden Einsatzmöglichkeiten generativer KI führen uns vor Augen, dass sich potenziell jeder Tätigkeitsbereich durch Technologie verändern kann – längst gilt das nicht mehr nur für praktische Tätigkeiten in der Fertigung, sondern auch für die digitale Planung in der Konstruktion oder sogar die Programmierung der Software, die dabei zum Einsatz kommt“, sagte Christophe Zwaenepoel, Managing Director DACH bei der auf Mint-Fachkräfte spezialisierten Personalberatung SThree, bereits vor drei Jahren gegenüber ingenieur.de. Schon damals zeichnete sich ab, dass dieses Thema in Kürze unverzichtbar sein würde.
Damit wird klar: Lernräume, Projektverantwortung und Zugang zu neuen Tools sind ebenso wichtig wie die Schulungen selbst. Politik, Bildungseinrichtungen und Unternehmen müssen Rahmenbedingungen schaffen, die lebenslanges Lernen ermöglichen – als Standard, nicht als Ausnahme.
Re-skilling als Karriere-Versicherung
Wer heute lernt, neu zu lernen, schützt nicht nur den eigenen Job, sondern stärkt Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Wirtschaft. Unternehmen, die Re-skilling fördern, sichern sich die Loyalität motivierter Mitarbeitender. Und Beschäftigte, die bereit sind, sich weiterzuentwickeln, verwandeln Unsicherheit in Chancen.
Mit anderen Worten: Re-skilling ist die neue Karriere-Versicherung – für Ingenieure und Ingenieurinnen, Unternehmen und die Gesellschaft gleichermaßen.
Im Rahmen der VDI-Initiative „Zukunft Deutschland 2050“ laden wir zur Expertenrunde zum Thema Re-skilling in Darmstadt ein. Hier bringen wir Fachleute aus Industrie, Wissenschaft und Politik zusammen, um gemeinsam Strategien für berufliche Weiterbildung und Qualifizierung zu entwickeln. Durch den Austausch unterschiedlicher Perspektiven wollen wir praxisnahe Lösungen erarbeiten, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fit für die Herausforderungen der digitalen und technologischen Transformation machen.
Melden Sie sich für unsere Expertenrunde Re-Skill-ING: Zukunftschance für Ingenieur*innen am 7. November in Darmstadt an.
Und hier geht es zu unserem Recruiting-Tag in Darmstadt
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