Future Skills gezielt fördern: Die Rolle der Ingenieurausbildung
Deutschlands Zukunft hängt von klugen Köpfen ab: Eine moderne Ingenieurausbildung, interdisziplinäres Lernen und neue Technologien könnten entscheiden, ob Deutschland im globalen Wettbewerb bestehen kann. Deshalb ist jetzt schnelles Handeln gefragt. Der VDI fordert Zukunftskompetenzen für den Ingenieurberuf.
Ingenieurinnen und Ingenieure von morgen: Ausbildung, die Future Skills, Innovation und interdisziplinäres Lernen verbindet.
Foto: panthermedia.net/EvgeniyShkolenko
Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit steht auf dem Prüfstand. Damit die Wirtschaft auch in Zukunft stark bleibt, braucht das Land kluge Köpfe, innovative Technologien und eine exzellente Ingenieurausbildung. Doch der internationale Druck wächst: Länder wie die USA und China investieren längst massiv in Zukunftsfelder – von künstlicher Intelligenz über Halbleiter bis zu modernen Fertigungstechnologien. In China schließen zudem deutlich mehr junge Menschen ein Ingenieurstudium ab als in Deutschland.
Inhaltsverzeichnis
- Deutschlands Ingenieur-Nachwuchs unter Druck
- Fachkräftemangel bei Ingenieur*innen und IT bleibt groß
- VDI gibt Impulse für die Ingenieurausbildung der Zukunft
- Ingenieurausbildung muss schneller auf Techniktrends reagieren
- Praxisnah und interdisziplinär
- Neue Studiengänge schneller auf den Weg bringen
- Technische Bildung ganzheitlich denken
- Verantwortung lernen: Ethik und Gesellschaft im Ingenieurstudium
- Unternehmergeist fördern
Die Ausbildung von Ingenieurinnen und Ingenieuren wird dabei zum entscheidenden Faktor für Deutschlands Zukunft. Die Bundesregierung hat mit ihrer Investitionsoffensive und der Hightech-Agenda zwar wichtige Schritte unternommen, doch ihr Erfolg hängt davon ab, ob genug Fachkräfte nachkommen. Ob beim Klimaschutz, in der Digitalisierung, der Mobilitätswende oder in der medizinischen Forschung – überall braucht es Ingenieurinnen und Ingenieure, die neue Ideen entwickeln und umsetzen.
Deutschlands Ingenieur-Nachwuchs unter Druck
Deutschland hat ein Nachwuchsproblem: Jedes Jahr schließen nur 90.000 bis 100.000 junge Ingenieurinnen und Ingenieure an den Universitäten ab. Hinzu kommen Diskussionen über zu wenig Geld für die Hochschulen, fehlende Lehrkapazitäten und die geringe Sichtbarkeit im internationalen Spitzenfeld. Dabei genießt die deutsche Ingenieurausbildung weltweit eigentlich einen sehr guten Ruf.
„Die Ingenieurausbildung ist auf einem hohen Niveau in Deutschland. Wir dürfen jedoch nicht an alten Curricula festhalten. Kompetenzen aus Technologiefeldern wie künstlicher Intelligenz, Digitalisierung, Nachhaltigkeit sowie Methodenkompetenzen, z. B. im Bereich des interdisziplinären Arbeitens, müssen fester Bestandteil der Hochschullehre in unserem Land werden“, erklärte VDI-Direktor Adrian Willig bei einer Pressekonferenz in Düsseldorf.

VDI-Direktor Adrian Willig.
Foto: VDI
Fachkräftemangel bei Ingenieur*innen und IT bleibt groß
In Deutschland sind laut VDI/IW-Ingenieurmonitor mehr als 106.000 Stellen in Ingenieur- und IT-Berufen unbesetzt (Q2/25). Zwar hat sich die Lage im Vergleich zu den Vorquartalen etwas verbessert, die Lücke ist aber weiterhin deutlich spürbar. Gleichzeitig verschieben sich die offenen Stellen zwischen den Branchen.
In der Automobilindustrie verschwinden viele klassische Jobs, während in Bereichen wie Verteidigung, Energie oder Bau neue Stellen entstehen. Es reicht daher nicht, einfach mehr Menschen für Ingenieurberufe zu gewinnen – die Ausbildung muss auch die passenden Fähigkeiten vermitteln.
VDI gibt Impulse für die Ingenieurausbildung der Zukunft
Im Rahmen der Initiative „Zukunft Deutschland 2050“ hat der VDI zusammen mit Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Lehre ein Impulspapier erstellt. Es zeigt, wie die Aus- und Weiterbildung von Ingenieurinnen und Ingenieuren so gestaltet werden kann, dass Deutschland langfristig technologisch wettbewerbsfähig bleibt.
Darin werden folgende Schritte vorgeschlagen:
- Zukunftskompetenzen stärken: interdisziplinäre Studiengänge ausbauen, Themen wie KI und Digitalisierung integrieren und Microcredentials für lebenslanges Lernen anerkennen.
- Moderne Lehrmethoden nutzen: KI-gestütztes Lernen, Augmented Reality und virtuelle Labore einsetzen, kombiniert mit praxisnahen Formaten wie Challenge Based Learning.
- Zusammenarbeit mit der Wirtschaft ausbauen: Studieninhalte schneller an den Bedarf der Unternehmen anpassen, damit Absolventinnen und Absolventen optimal vorbereitet sind.
- Fachkräftemangel bekämpfen: mehr Studierende für Ingenieurfächer gewinnen, den Frauenanteil erhöhen und internationale Talente langfristig binden.
Ingenieurausbildung muss schneller auf Techniktrends reagieren
Die Ingenieurausbildung in Deutschland ist qualitativ sehr gut und kann nun noch schneller auf neue Entwicklungen reagieren. Innovationen sollten künftig zügiger in die Lehre einfließen, damit Studiengänge aktuelle Technologien und Trends abbilden.

Prof. Antonia Kesel, Vorsitzende des Berufspolitischen Beirates des VDI.
Foto: VDI
Moderne Lernformen wie Microcredentials, projektbasiertes Lernen und interdisziplinäre Studiengänge helfen Studierenden, wichtige Zukunftskompetenzen zu erwerben – etwa in KI, Digitalisierung, Nachhaltigkeit und agiler Zusammenarbeit.
„Mit den richtigen Kompetenzen sichern wir nicht nur die Innovationskraft Deutschlands, sondern auch die wirtschaftliche Stärke unseres Standortes“, betonte Prof. Antonia Kesel, Vorsitzende des Berufspolitischen Beirates des VDI. „Wir brauchen dringend Tempo bei der Transformation der Ingenieurausbildung und der Verzahnung von Hochschule und Wirtschaft.“
Dabei wies sie darauf hin, dass zusätzliche Fähigkeiten wie KI-Kompetenzen, digitale Methoden und projektorientiertes Arbeiten entscheidend für die nächste Generation von Ingenieurinnen und Ingenieuren sind. Diese Kompetenzen ließen sich nicht länger über viele Jahre hinweg „auf der langen Bank“ vermitteln, wie es früher üblich war. Vielmehr müsse die Ausbildung gezielt, praxisnah und effizient erfolgen.
Praxisnah und interdisziplinär
Am Beispiel der Bionik-Studiengänge der Hochschule Bremen zeigt sich, wie praxisnahes und interdisziplinäres Lernen umgesetzt werden kann. Studierende arbeiten eng mit Industriepartnern zusammen, um Entwicklungsprojekte zu realisieren. Die Programme kombinieren Maschinenbau, Biologie, Physik, Chemie und soziale Disziplinen. Ziel ist es, dass Studierende nicht nur technische Lösungen entwickeln, sondern deren gesellschaftliche Relevanz erkennen.
Kooperationen zwischen Hochschulen und Unternehmen gelten als Schlüssel für die schnelle Vermittlung von Transferkompetenzen. Während Forschungskooperationen bereits gut funktionieren, müsse die direkte Integration der Wirtschaft in die Lehre weiter ausgebaut werden. Dies ermögliche den Studierenden praxisnahe Erfahrungen und erleichtere den Übergang in den Arbeitsmarkt.
Neue Studiengänge schneller auf den Weg bringen
In Deutschland dauert die Einführung eines neuen Studiengangs oft 1,5 bis drei Jahre. Der Prozess ist komplex und muss rechtlich, organisatorisch und inhaltlich abgesichert werden. Je nach Hochschule, Bundesland und Art des Studiengangs kann es länger oder kürzer dauern. Angesichts des schnellen technologischen Wandels wirkt das oft zu lang.
„Die Qualität der Ausbildung spricht für den Prozess, jedoch sollten Anpassungen in einer gewissen Geschwindigkeit umsetzbar sein, sodass aktuelle Bedarfe aufgrund des sich beschleunigten technologischen Wandels in die Ausbildung einfließen können. Ein Mittel dazu sind Microcredentials“, sagte Prof. Kesel von der Hochschule Bremen.
Technische Bildung ganzheitlich denken
Um künftig genug Fachkräfte zu haben, muss technische Bildung früher beginnen. Kinder und Jugendliche sollten schon in Schule und Freizeit für Technik, Informatik, Mathematik und Naturwissenschaften begeistert werden. Außerdem sollte der Anteil von Frauen und internationalen Fachkräften in Ingenieurberufen steigen. Derzeit liegt der Anteil weiblicher Ingenieurinnen bei 20 % bis 25 % – hier gibt es noch Potenzial. Auch internationale Absolventinnen und Absolventen deutscher Hochschulen sollten langfristig für Deutschland gewonnen werden.
Verantwortung lernen: Ethik und Gesellschaft im Ingenieurstudium
Soziale Verantwortung und ethische Entscheidungsfindung sollten fester Bestandteil technischer Studiengänge werden. Technikfolgenabschätzung darf nicht nur als einzelne Projektaufgabe verstanden werden, sondern muss tief im Denken der Studierenden verankert sein. Sie sollen begreifen, welche Auswirkungen ihre Entscheidungen auf das Gesamtsystem haben, und wissen, an wen sie sich bei ethischen oder gesellschaftlichen Fragestellungen wenden können.
Diese Kompetenzen bilden die Grundlage für verantwortungsbewusstes Handeln im späteren Berufsleben und stärken das Vertrauen der Gesellschaft in technologische Innovationen.
Unternehmergeist fördern
Die Ingenieurausbildung kann Studierende gezielt darin unterstützen, unternehmerisches Denken zu entwickeln und technologische Innovationen erfolgreich in Unternehmen oder Start-ups zu übertragen. Praxisnahe Module bieten hierfür hervorragende Möglichkeiten: Studierende arbeiten an Start-up-Szenarien, entwickeln Business-Modelle und berücksichtigen Finanzierungsfragen – stets begleitet von erfahrenen Praxispartnern.
Interdisziplinäre Teams, etwa aus Ingenieurwesen, Chemie oder Biologie, simulieren exemplarisch die Umsetzung einer Idee. Um dies zu ermöglichen, werden fachliche Inhalte teilweise komprimiert, sodass Studierende den notwendigen Raum haben, theoretisches Wissen mit praxisnahen Kompetenzen zu verknüpfen. Dieser Ansatz lässt sich nahezu in allen ingenieur- und naturwissenschaftlichen Studiengängen integrieren.
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