Zusätzlicher IFRS-Abschluss lohnt sich nicht für jedes Unternehmen
VDI nachrichten, Düsseldorf, 31. 3. 06, elb – Börsennotierte Unternehmen in Deutschland sind seit 2005 verpflichtet, ihren Konzernabschluss nach den International Financial Reporting Standards (IFRS) aufzustellen. Unternehmen, die nicht Kapitalmarkt orientiert sind, müssen ihren Jahresabschluss dagegen weiter nach HGB erstellen, weil dieser unter anderem Grundlage der Besteuerung ist. Allerdings können sie ihren Konzernabschluss freiwillig zusätzlich nach IFRS machen. Lohnt sich diese Mehrarbeit?
Für eine Anwendung der IFRS im Mittelstand sprechen einige Vorteile. Das sind beispielsweise die Vereinheitlichung der Rechnungslegung im Konzern, die Harmonisierung des internen und des externen Rechnungswesens, die verbesserte Vergleichbarkeit zwischen Unternehmen gleicher und verschiedener Branchen und vor allem die Vorteile bei geplantem Unternehmensverkauf an ausländische Investoren. Das Unternehmen kann gegenüber dem potenziellen Käufer mit international vergleichbaren Kennzahlen präsentiert werden. Dies gilt auch bei der Darstellung gegenüber Kunden und Lieferanten. Auch die Aufnahme von Fremdkapital kann so erleichtert werden.
Einen besonderen Vorteil bildet die Gewinnrealisierung nach Fertigungsfortschritt. Nach IFRS können mehrjährige Projekte, wie zum Beispiel ein Brückenbau, jährlich nach dem jeweiligen Baufortschritt bilanziert werden. Dies stellt bei kostspieligen langfristigen Investitionen einen wichtigen Vorteil gegenüber dem HGB dar. Hier können Gewinnanteile nach Baufortschritt bei halbfertigen Arbeiten nicht bilanziert werden. Dies belastet vor Fertigstellung die Bilanz.
Den Vorteilen dieser internationalen Rechnungslegung stehen jedoch auch einige gewichtige Nachteile gegenüber. Die IFRS sind sehr komplex, statt genereller Vorgaben sind viele Einzelfälle geregelt. Eine doppelte Bilanzierung bleibt erforderlich, da für Zwecke der Gewinnausschüttung und der Besteuerung weiterhin nach HGB bilanziert werden muss. Durch die erhöhte Transparenz können Wettbewerbsnachteile entstehen. Hinzu kommen die Kosten und der Zeitaufwand, der mit der Umstellung einhergeht.
Es darf auch nicht übersehen werden, dass die Umstellung auf IFRS einen Schritt in eine den deutschen Unternehmen eher fremde Bilanzwelt bedeutet. Das IFRS-Regelwerk enthält eine bislang unbekannte Anzahl von unbestimmten Rechtsbegriffen, Wahlrechten und Ermessensspielräumen. Diese öffnen die Türen für eine Bilanzpolitik, die nach dem wesentlich strengeren HGB nicht möglich ist. Das deutsche Bilanzrecht zeichnet sich durch eine überschaubare Anzahl gewachsener sowie in Rechtsprechung und Literatur konkretisierter Regelungen aus, während die IFRS aus einer Vielzahl von Einzelfallregelungen bislang ohne gleichwertigen theoretischen Unterbau besteht.
Deutsche Unternehmen müssen sich auch darüber im Klaren sein, dass die Grundsätze der Rechnungslegung nach IFRS vom International Reporting Standards Board (IASB) in London erlassen wurden. Dieses Gremium ist eine privatrechtliche Organisation ohne politische Legitimation. Internationale Unternehmen und Organisationen finanzieren dieses Board und damit die Entwicklung der Standards, die eindeutig für international orientierte Unternehmen entwickelt werden. Vertreter des Mittelstands sind hierbei derzeit kaum eingebunden, ihre Interessen werden nur unzureichend vertreten.
Entsprechend sind die Stimmen zu IFRS sehr unterschiedlich. Viele Familienunternehmen verlangen Bilanzregeln für ihre Bedürfnisse. Ihnen geht es um den Substanzerhalt, während bei Orientierung nach den IFRS eher dem Investor genau dargestellt wird, wie viel das Unternehmen wert ist, wenn es heute verkauft würde.
Also, was sollen deutsche Unternehmen tun, die gesetzlich nicht zur IFRS-Rechnungslegung verpflichtet sind? Sollen sie freiwillig die Mehrarbeit auf sich nehmen und zusätzlich nach diesem Standard bilanzieren? Eine eindeutige Antwort darauf gibt es nicht. Es hängt vom Einzelfall ab. Auf jeden Fall müssen sämtliche Vor- und Nachteile gegen einander abgewogen werden.
Ohnehin ist auf lange Sicht in Deutschland davon auszugehen, dass sich die Rechnungslegung in Richtung der IFRS weiter entwickeln wird. Die Bundesregierung plant ein Gesetz zur Bilanzrechtsmodernisierung, das zahlreiche Wahlrechte im HGB abschaffen und die bestehenden Regelungen näher an die IFRS heranführen soll. Gerade deshalb sollte jedes Unternehmen genauestens prüfen, ob sich ein freiwilliges Vorpreschen hin zu IFRS lohnt oder ob es mit der ihm bekannten Rechnungslegung – zumindest derzeit – nicht doch noch besser fährt. BERND RÖDL/ PETER BÖMELBURG
Dr. Bernd Rödl ist Rechtsanwalt, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Dr. Peter Bömelburg ist Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Beide sind Geschäftsführende Partner bei Rödl & Partner Nürnberg.
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