Das ist doch Kinderkram 01.12.2000, 17:27 Uhr

Wenn der Vater mit dem Sohne …

Erziehungsurlaub ist in den Köpfen weiter Teile der männlichen Bevölkerung immer noch eher für Frauen eingerichtet. Ausnahmen bestätigen die Regel. Ein Ingenieur aus München gehört dazu. Thomas Poppe bleibt erstmal bei Sohn Paul.

Seit einigen Monaten merkt Thomas Poppe, was Frauen meinen, wenn sie von „Doppelbelastung“ sprechen. Der Elektro-Ingenieur ist im Erziehungsurlaub. Nebenbei arbeitet er weiterhin 19 Stunden für die Zentralabteilung Technik bei Siemens – per Telearbeit von zu Hause aus. Dass das Wort Urlaub im Zusammenhang mit einer Kinderpause eine Farce ist, weiß er nur zu gut.
Auch das Bundesfamilienministerium hat das erkannt: Der Erziehungsurlaub wurde kurzerhand in „Elternzeit“ umgetauft und mit einem neuen Gesetz verbunden. Ab Januar 2001 können erstmals Väter und Mütter gleichzeitig drei Jahre Erziehungsurlaub nehmen. „Beruf und Familie, beides ist Lebensziel“, sagt Bundesbildungsministerin Christiane Bergmann. „Ich denke, die jungen Väter haben erkannt, dass ihnen etwas entgeht, wenn sie nur Abend- und Wochenendpapas sind.“
Zwar hat sich die Einstellung vieler verändert. Das ergab jedenfalls eine von den Soziologen der Ruhr-Universität Bochum im Auftrag der Evangelischen Kirche Deutschland und der Gemeinschaft Katholischer Männer in Auftrag gegebene Studie für das Jahr 1999. Die Zahl der Väter, die der Einsicht auch Taten folgen lassen, ist immer noch sehr gering. Der Männeranteil beim Erziehungsurlaub liegt bei 1,5 %. Davon, dass es nach wie vor so wenige Vorreiter auf diesem Feld gibt, hat sich Thomas Poppe nicht abschrecken lassen. „Für meine Frau und mich stand es nie zur Debatte, dass wir beide Erziehungsurlaub nehmen werden“, sagt der 36-Jährige. Pünktlich zur Jahrtausendwende – Sohn Paul ist tatsächlich am 1. 1. 2000 kurz nach Mitternacht geboren – wurde es dann „ernst“: Acht Monate lang blieb seine Frau zu Hause, dann war er dran.
Was für ihn selbstverständlich war, erforderte beim Chef einiges an Überzeugungsarbeit. Obwohl es bei Siemens schon lange ein erklärtes Ziel ist, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in jeder Hinsicht zu fördern, ist hier – wie in den meisten Unternehmen – immer noch an einigen Stellen ein Umdenken nötig. Das erklärt auch die Unsicherheit vieler Männer vor diesem Schritt. So hat die Uni Bamberg herausgefunden, dass neben finanziellen Gründen die Angst vor einem Karriereknick die meisten von der Familien-Auszeit abhält.
„Ich habe meine Entscheidung ganz bewusst getroffen“, sagt Thomas Poppe. Obwohl er das Angebot einer Projektleitung wegen des Erziehungsurlaubs ausschlagen musste, ist er sich sicher, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben – selbst, wenn das bedeutet, weniger flexibel in punkto Karriere zu sein. „Ich habe mich früh genug gefragt, ob ich beruflich das gleiche Tempo wie früher an den Tag legen möchte oder ob mir mein Sohn ebenso wichtig ist.“
Job oder Familie, das war für ihn keine Frage. Wie viele Frauen schon seit Jahren, versucht er zurzeit, beides zu verbinden. Dank des Telearbeitsplatzes in seinem häuslichen Arbeitszimmer ist das kein Problem – es erfordert allenfalls eine Menge Organisationstalent. Glücklicherweise schläft der kleine Paul morgens und nachmittags insgesamt drei Stunden, die dann für die Arbeit reserviert sind. Haushalt und Kochen werden erledigt, wenn sein Sohn wach ist. „Eigentlich habe ich ein Abkommen mit meiner Frau, dass sie nicht später als 19 Uhr von der Arbeit kommt“, schmunzelt der Ingenieur. Was leider nicht immer klappt, so dass er dann und wann die berühmte Nachtschicht oder einen Arbeits-Samstag einschieben muss.
„Es ist mir aber wichtig, nicht den Kontakt zum Berufsleben zu verlieren“, sagt Thomas Poppe. Per E-Mail und Telefon hat er den ständigen Draht zu seinen Kollegen. Die haben ohnehin positiv reagiert, manch ein Vater auch ein wenig bewundernd. Doch obwohl er zum Beispiel kürzlich sogar einen Werksstudenten von zu Hause betreut hat, vermisst er manchmal die intensive Arbeit ein bisschen. Der tägliche Plausch, der fehlt besonders.
Dafür bekommt er nun die täglichen Veränderungen von Paul hautnah mit. In den ersten acht Monaten nach der Geburt hat er seinen Sohn nicht so intensiv erlebt wie heute. Und wie soll“s nach dem Erziehungsurlaub weiter gehen? Nach acht Monaten wird Thomas Poppe wieder in die Forschung bei Siemens zurückgehen und sich ganz der Neuroinformatik widmen. „Die Frage nach einer Auszeit wird wahrscheinlich wieder zur Einschulung aktuell“, sagt er. Was das angeht, sorgt das neue Elternzeit-Gesetz für Flexibilität. Vorher fände er es optimal, wenn ein paar Stunden Telearbeit weiterhin möglich wären. Doch darüber wird noch verhandelt. A. BEHNKE

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Neuregelung 2001 „Elternzeit“ Alles neu macht bekanntlich nicht der Mai, sondern zumeist der Januar. Am 1. 1. 2001 tritt die Reform des Erziehungsurlaubs in Kraft. Im Klartext heißt das: Dann können Vater und Mutter bei unveränderter Dauer von drei Jahren gleichzeitig Erziehungsurlaub nehmen und während der Zeit bis zu 30 Stunden arbeiten (in Betrieben mit mehr als 15 Beschäftigten). Ein Jahr des Erziehungsurlaubs kann nun nach Absprache auch zwischen dem dritten und achten Lebensjahr genommen werden. Weiterhin wurden die Einkommensgrenzen für Erziehungsgeld um 10 % angehoben sowie der Betrag, wenn man nur ein Jahr aussetzt, erhöht. Dennoch schreckt die Einkommenseinbuße viele Männer davon ab, eine Kinderpause einzulegen. In Skandinavien beispielsweise gibt es 70 % bis 80 % des Nettoeinkommens, und dort gehen zehn Mal so viele Männer in den Erziehungsurlaub wie in Deutschland. Eine Studie der Uni Bamberg mit dem Titel „Väter und Erziehungsurlaub“ bestätigt dies. Fazit der Erhebung: Männer gehen nicht in den Erziehungsurlaub, weil sie sich vor den finanziellen Verlusten fürchten. ab

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