Mittler zwischen zwei Welten
VDI nachrichten, Essen, 10. 6. 05 – Patentanwälte haben einen sehr langen Ausbildungsweg hinter sich, wenn sie mit Anfang oder Mitte 30 endlich ihre Zulassung erhalten. Auch danach mangelt es den Dolmetschern zwischen Technik und Recht nicht an zeitintensiver Arbeit – entschädigt werden sie durch überaus spannende Aufgaben im gewerblichen Rechtschutz und durch meist überdurchschnittliche Verdienstmöglichkeiten.
Holger Geitz muss lachen, wenn er an die allerletzte seiner vielen Prüfungen denkt, die er absolvierte, um auch als „European Patent Attorney“ (Europäischer Patentanwalt) vertretungsberechtigt zu sein. Nach langen Klausuren an drei aufeinander folgenden Tagen hatte das heutige Vorstandsmitglied der Patentanwaltskammer beobachtet, wie ein anderer Kandidat verzweifelt versuchte, sein Fahrradschloss zu öffnen, dessen Zahlenkombination er durch den Stress vergessen hatte.
„Das ist schon eine harte Geschichte. Es sind ja in Deutschland fertig ausgebildete Patentanwälte, die bereits voll im Beruf stehen und dann noch einmal eine reichlich verschulte Prüfung absolvieren müssen“, berichtet Holger Geitz.
Der Druck auf diese Leute sei immens, weil von der europäischen Prüfung meist abhänge, ob sie weiterbeschäftigt oder Patentabteilungsleiter werden oder ob sie einfacher Sachbearbeiter bleiben. Deshalb würden weder Mühen und Kosten gescheut, um auch diese letzte Hürde zu nehmen.
„Aber wenn sich ein Berufsstand schon selbst ausbildet, dann muss er auch für die notwendige Qualität sorgen. Die Materie ist ja eher schwieriger geworden als einfacher und auch die europäische Prüfung ist nicht wesensfremd, “ erklärt der Diplom-Ingenieur für Elektrotechnik, der eigentlich nie Patentanwalt werden wollte, weil er in jungen Jahren immer das Beispiel seines Vaters vor Augen hatte.
Als der Karlsruher dann selbst zum Patentanwalt ging, weil ihm Ergebnisse seiner Diplomarbeit als Elektrotechniker an der Technischen Hochschule Darmstadt schützenswert erschienen, war es doch um ihn geschehen. Also ging Holger Geitz nach seinem Studium für zwei Jahre in die Patentabteilung der Siemens AG, erlebte dort, welche wirtschaftlichen Dimensionen Schutzrechtsfragen annehmen können, und wurde nach Abschluss der Ausbildung zum Patentanwalt Partner der Kanzlei seines Vaters, deren Hauptsitz in Karlsruhe er inzwischen leitet.
Das Wandern zwischen den Welten mache den Reiz dieses Berufes aus. „Jurist und Ingenieur können normalerweise gar nicht zusammen kommunizieren. Zu unterschiedlich sind die Denkweisen“, konstatiert Holger Geitz. Doch der Patenanwalt verstehe ja selbst so viel von Technik, dass er beispielsweise den möglichen Wert einer Erfindung in technischer, aber dann eben auch in wirtschaftlicher Hinsicht einschätzen kann.
„Es ist ein besonderer Menschentyp, der Patenanwalt wird“, bestätigt Rechtsanwältin Elisabeth Reinhard, Hauptgeschäftsführerin der Patentanwaltskammer, denn so viele Menschen gebe es nicht, die technische Begabungen mit einer Affinität zum juristischen Denken in sich vereinen. Und Patentanwälte seien immer stärker gefragt. Viele von ihnen würden grundsätzlich am Wochenende arbeiten und auch an den anderen Tagen selten vor 20 Uhr ihr Büro verlassen – so stark sei die Arbeitsbelastung. Dafür könne beim Honorar verlangt werden, was angemessen und üblich ist, ähnlich wie es die Wirtschaftsprüfer machen.
Es gelte aber zu unterscheiden, betont Holger Geitz. Zwar zählten die Patentanwälte insgesamt zu den bestverdienenden Freiberuflern, es gebe aber auch große Unterschiede, die Spannbreite bei den Einkommen sei sehr groß. Die Stars des Berufsstandes könnten sich jedoch auf jeden Fall mit den Unternehmensberatern messen und verdienten durchaus 500 000 € oder mehr im Jahr.
„Die deutschen Patentanwälte sind kein eingeschworener Kreis, der versucht, seinen Markt zusammenzuhalten“, es werde nur wenig offene Werbung für den Beruf gemacht. Zudem wirke die lange Ausbildung natürlich auch abschreckend, schätzt Hans Wegner die Lage ein. Der promovierte Physiker arbeitet in München für „Bardehle, Pagenberg, Dost, Altenburg, Geissler“, eine der größten deutschen Patentanwaltskanzleien. „Früher waren Patentanwälte immer etwas absonderliche Typen, die kein Mensch kannte, die irgendwo vor sich hingewerkelt haben. Jetzt rücken wir immer mehr ins zentrale Bewusstsein der Unternehmen. Damit steigen auch die Anforderungen“, berichtet der 36-Jährige.
Der gewerbliche Rechtschutz hätte inzwischen viele Facetten. Da gebe es beispielsweise traditionell den deutschen Maschinenbauer, der defensiv verhindern möchte, dass ein Konkurrent seine Produkte nachbaut, da gebe es aber auch Unternehmen, die davon leben, dass sie Technologie entwickeln und schützen lassen, um dann Lizenzen zu verkaufen, ohne jemals selbst produziert zu haben. In solchen Fällen werde der Patentanwalt, die Patenabteilung des Unternehmens, quasi Teil der Produktion von Technologie. Grundsätzlich seien Patentanwälte nicht nur da, wenn es Probleme gibt, sondern in einer langfristig auf Vertrauen basierenden Beziehung trügen sie aktiv zur Wertschöpfung eines Unternehmens bei, erläutert Hans Wegner.
„Der Patentanwalt verbindet Interesse und Kenntnisse in unterschiedlichen Bereichen der Technik mit der Fähigkeit, das zu formulieren und zu erkennen, was wesentlich ist an einer Erfindung“, fasst Alexander Wunsch die immer noch zentrale Tätigkeit des Patentanwaltes zusammen. Der 34-jährige Maschinenbauingenieur ging nach seinem Diplom an der Universität Karlsruhe 1998 zunächst für dreieinhalb Jahre in ein Softwarehaus und arbeitete dort als produktorientierter Marketing-Manager. Die anschließende Probezeit bei „Bardehle, Pagenberg, Dost, Altenburg, Geissler“ zeigte ihm, dass sich die Arbeit eines Ingenieurs doch sehr von der eines Patentanwaltes unterscheiden kann, aber genau das Richtige für seine Interessen ist.
Das erste Studium gebe zwar schon vor, welche inhaltlichen Schwerpunkte als Patentanwalt in Frage kommen, dennoch könne die Bandbreite der technischen Themen insgesamt groß sein, berichtet Alexander Wunsch, momentan noch im doppelten Stress, denn im Frühjahr nächsten Jahres steht für ihn noch die Prüfung zum „European Patent Attorney“ auf dem Karriereplan. MANFRED BURAZEROVIC
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