Künftig keine Sperrzeit bei Aufhebungsvertrag
VDI nachrichten, Düsseldorf, 9. 2. 07, cha – Das Bundessozialgericht hat angekündigt, seine bisherige Rechtsprechung zu ändern. Das wird aller Voraussicht nach in der Praxis darauf hinauslaufen, dass ein Aufhebungsvertrag ohne Furcht vor einer Sperrzeit geschlossen werden kann, wenn die darin vorgesehene Abfindung nicht mehr als ein halbes Bruttogehalt je Beschäftigungsjahr beträgt.
Die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch einen Aufhebungsvertrag hat auf den ersten Blick für alle Beteiligten Vorteile: Alle Modalitäten der Beendigung des Arbeitsverhältnisses können verhandelt werden, vom Zeugnistext über die Behandlung von Tantiemen bis zu einer eventuellen Freistellung. Der Arbeitgeber braucht kein Gerichtsverfahren zu fürchten und hat schnell Rechtssicherheit, der Arbeitnehmer bekommt regelmäßig eine Abfindung und kann sich ohne den Makel der Kündigung neu bewerben.
Fruchtet dann jedoch die Bewerbung nicht und wird der Arbeitnehmer bei der Bundesagentur für Arbeit vorstellig, kommt die Ernüchterung. Nach ständiger Rechtsprechung der Sozialgerichte bedeutete der Abschluss eines Aufhebungsvertrages das aktive Lösen des Arbeitsverhältnisses. Dies war nach dem Gesetz Grund für die Verhängung einer dreimonatigen Sperrzeit beim Bezug von Arbeitslosengeld. Ausnahmen wurden nur dann gemacht, wenn dem Arbeitnehmer ein wichtiger Grund für den Abschluss eines Aufhebungsvertrages zur Seite stand.
Einen solchen wichtigen Grund nahm das Bundessozialgericht (BSG) jedoch nur dann an, wenn der Vertrag einer ansonsten unausweichlichen, betriebsbedingten Kündigung des Arbeitgebers zuvorkommen sollte. Dabei musste es sich allerdings um eine drohende rechtmäßige Kündigung handeln. Ob die drohende Kündigung tatsächlich vor den Arbeitsgerichten Bestand haben würde, war jedoch von dem Arbeitnehmer meist nicht einzuschätzen.
Um einer Sperrzeit zu entgehen, ging die Praxis dazu über, anstelle eines Aufhebungsvertrages einen so genannten Abwicklungsvertrag zu schließen. Dieser beinhaltete dann sämtliche Regelungen eines Aufhebungsvertrages einschließlich der Abfindung, nur eben nicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Parallel dazu wurde eine arbeitgeberseitige Kündigung erklärt, damit das Arbeitsamt dem Arbeitnehmer nicht vorwerfen konnte, er hätte das Arbeitsverhältnis gelöst. Der Arbeitnehmer versprach dem Arbeitgeber, keine Kündigungsschutzklage zu erheben. Dieses Versprechen allerdings war ebenfalls geeignet, eine Sperrzeit auszulösen, also blieb es unter vier Augen.
Doch auch dem setzte das Bundessozialgericht Grenzen und entschied im Jahre 2003, dass auch so genannte Abwicklungsverträge eine Sperrzeit auslösen. Damit wurden rechtswidrige Umgehungsgeschäfte vermieden, aber auch den Arbeitsvertragsparteien die Möglichkeit einer sperrzeitlosen Beendigung des Arbeitsverhältnisses genommen.
Mit der Beendigung von Arbeitsverhältnissen mussten also auch dann die ohnehin überlasteten Arbeitsgerichte beschäftigt werden, wenn sich die Parteien im Grunde bereits über die Abwicklungsmodalitäten einig waren. Denn was im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses als Vergleich protokolliert wird, löst keine Sperrzeit aus.
Das war vielleicht auch ein Grund für die Einführung des § 1a Kündigungsschutzgesetz im Jahre 2004. Nach dieser Vorschrift ist es möglich, eine betriebsbedingte Kündigung mit dem Versprechen zu verbinden, eine Abfindung in Höhe eines halben Monatsgehalts je Beschäftigungsjahr für den Fall zu zahlen, dass der Arbeitnehmer die Klagefrist des Kündigungsschutzgesetzes verstreichen lässt. Ein Vorgehen nach dieser Vorschrift löst keine Sperrzeit aus. Dennoch ist diese Möglichkeit kein vollwertiger Ersatz für einen Aufhebungsvertrag, der umfassend die Modalitäten der Beendigung des Arbeitsverhältnisses regelt. Auch bleibt es bei der im Lebenslauf des Arbeitnehmers negativen Arbeitgeberkündigung.
Das BSG hat nun in einer viel beachteten Entscheidung angedeutet, zukünftig nicht mehr so genau prüfen zu wollen, ob der Arbeitnehmer für den Abschluss des Aufhebungsvertrages einen wichtigen Grund gehabt habe. Vielmehr sei für eine Sperrzeit dann kein Raum, wenn eine arbeitgeberseitige Kündigung – auch eine nicht rechtmäßige – drohe und die in dem Aufhebungsvertrag vereinbarte Abfindung die nach § 1a KSchG vorgesehene Abfindung nicht überschreite.
Das BSG hat angekündigt, seine bisherige Rechtsprechung zu ändern. Das wird aller Voraussicht nach in der Praxis darauf hinauslaufen, dass ein Aufhebungsvertrag dann ohne Furcht vor einer Sperrzeit geschlossen werden kann, wenn die darin vorgesehene Abfindung nicht mehr als ein halbes Bruttogehalt je Beschäftigungsjahr beträgt. JASMIN THEURINGER
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