Krankenkasse muß alle Beweismittel prüfen
Detaillierte Fragen zum Thema Scheinselbständigkeit beantworteten die Experten der VDI nachrichten am 11. Mai. Die interessantesten Antworten werden im folgenden Artikel zusammengefaßt.
Josef Octav: Wenn Sie von einem Auftraggeber wirtschaftlich abhängig sind, werden mögliche weitere „kleinere“ Auftraggeber nicht berücksichtigt. Sollten Sie also mehr als 5/6 (83,3 %) Ihrer Einkünfte von diesem Hauptauftraggeber erzielen, gilt das Kriterium „nur ein Auftraggeber“. Die 5/6-Prüfung ist auf das ganze Jahr zu beziehen. Sie müßten also darauf achten, daß Sie im Jahresdurchschnitt möglichst immer rund 20 % Ihrer Einkünfte von anderen Auftraggebern erhalten.
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Octav: Auftraggeber können meist nicht konkret einschätzen, ob und welche Kriterien der gesetzlichen Neuregelung auf ihre einzelnen Auftragnehmer zutreffen. Dennoch tragen sie das Haftungsrisiko eines möglichen Arbeitgebers hinsichtlich abzuführender Sozialversicherungsbeiträge, wenn im Einzelfall eine „Scheinselbständigkeit“ festgestellt wird. Ihr anfragender Auftraggeber hat also ein berechtigtes Interesse an der Klarstellung der Verhältnisse. Sie sollten sich daher bei der Einzugsstelle (Krankenkasse) den Status der Selbständigkeit bestätigen lassen und eine Kopie der Bestätigung Ihrem Auftraggeber zur Verfügung stellen.
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Octav: Nach Ihren detaillierten Ausführungen würden auch wir vermuten, daß die getroffene Entscheidung nicht sachgerecht ist. Sie sollten daher schnellstmöglich (spätestens innerhalb eines Monats nach Erhalt des Bescheides) Widerspruch einlegen und ggf. gemeinsam mit Ihrem Auftraggeber die Nachweise der selbständigen Tätigkeit zur nochmaligen Prüfung darlegen.
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Günter Friedel: Grundsätzlich ja. Es tritt dann eine Mehrfachversicherung ein. Da es sich bei diesen Tätigkeiten jedoch in der Regel um eine arbeitnehmerähnliche Selbständigkeit handelt, besteht zumindest für diejenigen, die bereits vor dem 1. 1. 1999 diese Tätigkeit ausgeübt haben, bis zum 30. 6. 1999 eine Befreiungsmöglichkeit von dieser Versicherungspflicht. Der Antrag ist zu richten an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA).
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Friedel: Das wird unterschiedlich beurteilt. Die Sozialversicherungsträger fassen diese Arbeitsverhältnisse nicht darunter, viele Juristen sehen auch geringfügig Beschäftigte als versicherungspflichtige Arbeitnehmer an, jedenfalls dann, wenn diese Tätigkeit neben einem Hauptberuf ausgeübt wird und damit Sozialversicherungspflicht besteht. Zumindest dürfte aber ein geringfügig Beschäftigter als Indiz für unternehmerisches Auftreten am Markt zu sehen sein.
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Friedel: Indizien hierfür sind zum Beispiel eigene Akquisitionsmaßnahmen, Werbung (Anzeigen, Telefonbucheintrag, Internetseite), aber auch eigene Geschäfts- bzw. Büroräume, eigenes Firmenfahrzeug, eigenes Betriebskapital, eigenes Betriebskonto.
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Dieter Anders: In manchen Fällen kann der beantwortete Fragebogen durchaus Entscheidungsgrundlage sein. Oft sind aber Besonderheiten bei den Betroffenen zu beachten, die einer konkreten Darstellung bedürfen. Für die Krankenkasse gilt der sogenannte Amtsermittlungsgrundsatz. Danach besteht für sie als prüfende Stelle die Verpflichtung, alle vorgelegten Beweismittel zu prüfen. Nur, wenn weitere Ermittlungen nicht mehr möglich sind und nach Prüfung aller vorgelegten Unterlagen noch begründete Zweifel an der Selbständigkeit bestehen sollten, gilt die gesetzliche Vermutung der Scheinselbständigkeit. Dies wird nach meiner Erfahrung leider von manchen Krankenkassen verkannt. Es sollte als Beweismittel alles eingereicht werden, was an Tatsachen für das Vorliegen der Selbständigkeit spricht.
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Anders: Als Selbständiger unterliegen Sie grundsätzlich nicht der Sozialversicherungspflicht. Allerdings ist zunächst abzuklären, ob Sie Scheinselbständiger sind. Ist dies der Fall, so besteht (außer bei einer 630-DM-Beschäftigung) jeweils hälftige Sozialversicherungspflicht für Sie und Ihren Auftraggeber. Für den Arbeitnehmeranteil in der Rentenversicherung sind Sie jedoch versicherungsfrei. Sollten Sie allerdings arbeitnehmerähnlicher Selbständiger sein, so sind Sie aus meiner Sicht als Bezieher von Altersrente nach Erreichen des 65. Lebensjahres von der Versicherungspflicht insgesamt befreit.
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Anders: Leider hat der Gesetzgeber bisher keine Sonderregelung für Existenzgründer geschaffen, auch wenn dies von vielen Seiten gefordert wird. Sie sollten auf jeden Fall die Anerkennung als Selbständiger beantragen. Bei einer negativen Entscheidung Ihrer Krankenkasse sollten Sie aber schnellstens Widerspruch einlegen und notfalls klagen, um die Feststellung der Scheinselbständigkeit nicht rechtskräftig werden zu lassen. So kann eine eventuelle spätere Gesetzeskorrektur in diesem Punkt auch Ihnen zugute kommen.
Fr