Bahnfahrt zweiter Klasse muss reichen
VDI nachrichten, Düsseldorf, 29. 9. 06, cha – Bewerbungen kosten Zeit, aber auch viel Geld. Neben den umfangreichen Bewerbungsmappen einschließlich Fotos sowie Porto fallen insbesondere dann hohe Kosten an, wenn der Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch fern seines Wohnortes reist. Für Stellensuchende, die sich über einen längeren Zeitraum bei mehreren Firmen bewerben, kann dies zu einer beachtlichen finanziellen Belastung führen. Diese Kosten muss aber der Stellensuchende nicht allein tragen.
Die Kosten für die Bewerbungsmappe muss grundsätzlich jeder selbst aufbringen. Diese Aufwendungen können jedoch mit den entsprechenden Nachweisen steuerlich geltend gemacht werden. Ist der Bewerber Empfänger von Arbeitslosengeld, so bekommt er vom Arbeitsamt einen Aufwendungsersatz für jede nachgewiesene Bewerbung. Belastender für den Stellensuchenden sind in aller Regel die Kosten für die Wahrnehmung von Vorstellungsterminen, zumal viele Firmen es nicht bei einem Gespräch belassen, bevor sie sich für oder gegen einen Bewerber entscheiden.
Wird der Bewerber zu einem Gespräch eingeladen, so hat der einladende Betrieb die hierfür erforderlichen Kosten zu erstatten, unabhängig davon, ob später ein Arbeitsverhältnis begründet wird oder nicht. Erstattungsfähig sind die Kosten, die notwendig und erforderlich waren, um den Vorstellungstermin wahrzunehmen. Dazu gehören zunächst einmal Fahrtkosten. Diese werden bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel in tatsächlich angefallener und erforderlicher Höhe ersetzt. Das ist grundsätzlich ein Bahnticket 2. Klasse, eine Reise 1. Klasse wird nur in Ausnahmefällen erstattungsfähig sein, z. B., wenn es um die Besetzung von Führungspositionen geht.
Reist der Bewerber mit dem eigenen Fahrzeug an, so sind die Fahrtkosten entsprechend den steuerlichen Grundsätzen zu erstatten. Flugkosten können nur dann ersetzt werden, wenn eine andere Anreise aufgrund der Entfernung offensichtlich nicht zumutbar gewesen wäre. Um Diskussionen zu vermeiden, empfiehlt es sich aber, eine Anreise mit dem Flugzeug vorher abzusprechen. Ist eine An- und Abreise am selben Tag nicht zumutbar, sind auch Übernachtungskosten zu erstatten. Schließlich gehört auch ein erforderlicher Verpflegungsmehraufwand zu den erstattungsfähigen Kosten, auch hier richtet sich die Höhe nach den steuerlichen Grundsätzen.
Nicht endgültig entschieden ist die Frage, ob ein Kostenerstattungsanspruch besteht, wenn die Initiative zum gemeinsamen Gespräch nicht vom potenziellen Arbeitgeber ausgeht, sondern vom Bewerber. Ein Bewerber hatte eine Firma telefonisch darum gebeten, sich vorstellen zu dürfen. Die Firma erklärte sich einverstanden, hatte dann jedoch keinen Bedarf für den Stellensuchenden. Dieser machte sodann seine Reisekosten in Höhe von zirka 99,00 DM geltend und bat um Erstattung. Die Firma lehnte ab und wurde verklagt. Nachdem der Bewerber in erster Instanz seinen Anspruch nicht durchsetzen konnte, hatte er Berufung eingelegt und schließlich vom Landesarbeitsgericht Nürnberg Recht bekommen. Diese Entscheidung aus dem Jahre 1995 ist vielfach kritisiert worden, eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts existiert zu dieser Frage nicht. In den Fällen, in denen eine Firma in eine vom Bewerber erbetene Vorstellung einwilligt, ist daher eine vorherige Absprache über die Erstattung von Vorstellungskosten ratsam.
Arbeitnehmer, die in einem gekündigten Arbeitsverhältnis stehen, haben gegen ihren Arbeitgeber einen Anspruch auf bezahlte Freistellung für die Stellensuche. Reist ein in einem gekündigten Arbeitsverhältnis stehender Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch, hat er dadurch also keinen Verdienstausfall. Anders diejenigen Arbeitnehmer, die sich aus einem ungekündigten Arbeitsverhältnis heraus bewerben, sie sind darauf angewiesen, Urlaub oder unbezahlte Freistellung zu nehmen. Nach der Rechtsprechung ist der einladende Betrieb nicht verpflichtet, einen Ausgleich für den geopferten Urlaubstag zu zahlen, da der Bewerber insoweit keinen Verdienstausfall habe. Besteht jedoch keine Möglichkeit, Urlaub zu nehmen und erleidet der Bewerber für die Wahrnehmung des Vorstellungstermins einen Verdienstausfall, so ist dieser zu erstatten.
Will der einladende Betrieb Vorstellungskosten nicht tragen oder nur in einer begrenzten Höhe, so kann der Erstattungsanspruch ausgeschlossen oder begrenzt werden. Das muss allerdings geschehen, bevor der Bewerber anreist, am besten also mit der Einladung zum Gespräch.
JASMIN THEURINGER
Die Autorin arbeitet seit 1996 als Anwältin u. a. mit dem Schwerpunkt Arbeitsrecht in der Steuerberatungs- und Anwaltskanzlei Bellinger in Düsseldorf (Serie wird alle 14 Tage fortgesetzt).
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