Was schreibt man da rein?
Ich habe vor einigen Monaten meinen Abschluss als Diplom-Wirtschaftsingenieur gemacht und stehe kurz davor, meine erste Stelle anzutreten. Ich habe jedoch keinerlei Vorstellungen, welche Dinge unbedingt in einem Arbeitsvertrag stehen sollten.
Antwort:
Eine halbwegs erschöpfende Antwort auf diese Frage müsste von einem erfahrenen Arbeitsrechtler (Jurist) kommen, würde mehr Raum erfordern als in einer Ausgabe dieser gesamten Zeitung ist – und würde Ihnen überhaupt nichts nützen.
Denn: In der Theorie setzen sich zwei Parteien vor einem weißen Blatt Papier zusammen und formulieren gemeinsam das Konzept für einen Arbeitsvertrag. Mal wünscht die eine Seite etwas („ich hätte gern noch einen Hauch mehr Urlaub“), dann fordert die andere ultimativ: „Aber vom Gehalt müssen noch 3.000 EUR runter.“ Und so kämpfen sie sich dann durch die Paragraphen von der Tätigkeitsbezeichnung bis zur Kündigungsfrist. Am Ende wischen sie sich den Schweiß von den Stirnen, unterzeichnen und lehnen sich – erschöpft, aber glücklich – zurück.
In der Praxis jedoch läuft das niemals in dieser Form! So können Unternehmen nicht arbeiten, die individuelle Vielfalt würde jede ordentliche Personalarbeit verhindern. In jedem halbwegs geordneten Unternehmen muss gelten: Mitarbeiter in vergleichbaren Positionen müssen auch vergleichbare Verträge haben. Das wiederum bekommt man nur hin, wenn man als Arbeitgeber mit vorformulierten Standardverträgen arbeitet. Die können Sie dann im Prinzip nur noch unterschreiben – oder es bleiben lassen.
Dies gilt in besonderem Maße für Berufsanfänger, denen man nur selten einen nennenswerten Verhandlungsspielraum einräumt.Natürlich darf man jetzt in Ihrer Situation ein ungutes Gefühl dabei haben, wenn man etwas unterschreiben soll, was allein die andere Seite festgelegt hat. Dagegen gibt es zwei Argumente:
1. Vergleichbares geschieht im Leben ständig. Sie schließen eine Lebensversicherung ab: Standardvertrag der Gesellschaft. Sie beantragen Telefon, kaufen ein Auto oder auch nur ein Sofa: Standardvertrag des größeren, stärkeren Partners.
Es ist zwar ein Fehler, aber gängige Praxis: Die meisten dieser Standardverträge liest man sich gar nicht sorgfältig durch, schon gar nicht im kleingedruckten Bereich. Und: Versuchen Sie einmal, beispielsweise mit einer Versicherungsgesellschaft einen Vertrag auf weißem Papier auszuhandeln – die lacht noch nicht einmal über dieses Ansinnen.
Bei etwas größeren Arbeitgebern (so von einigen hundert Mitarbeitern an aufwärts und ganz sicher bei traditionsreichen Großunternehmen) können Sie sich schlicht darauf verlassen, dass sie seriös vorgehen, dass viele Mitarbeiter vor Ihnen mit ihren Unterschriften glücklich geworden sind, dass dort Tarifverträge gelten, in denen ohnehin fast alles bereits geregelt ist und dass auch noch ein Betriebsrat existiert, der sich mit eventuellen Problemen dieser Art längst beschäftigt hätte (wenn es sie denn gäbe).
Das gilt dann für alle Vertragsdetails, bei Anfängern auch für das Gehalt! Ein solches Unternehmen weiß, dass es überhaupt nichts brächte, einen einzigen jungen Berufseinsteiger zu deutlich anderen (für ihn schlechteren) Bedingungen einzustellen als seine Kollegen. Alles spricht sich schnell herum, der Betroffene würde nach wenigen Wochen wissen, dass man ihn „über den Tisch gezogen“ hat, würde frustriert und entsprechend demotiviert sein, schlechte Arbeit erbringen und letztlich kündigen.
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Und wären alle Verträge eines speziellen größeren Unternehmens „schlecht“, hätte sich das auf dem Arbeitsmarkt und insbesondere an den Hochschulen herumgesprochen – und niemand ginge mehr zu dieser Firma.
Das privat geführte Kleinunternehmen irgendwo in der Provinz – ist auch seriös. Aber es könnten sich doch einzelne dieser Arbeitgeber hinreißen lassen, irgendwelche für den Arbeitnehmer ungünstigen Bedingungen durchzusetzen. Dies noch nicht einmal nur aus böser Absicht, sondern in Wahrung der wirtschaftlichen Interessen ihres Unternehmens. Hier könnte es ggf. empfehlenswert sein, den vom Arbeitgeber vorgelegten Vertragsentwurf (ein Vertrag ist es erst, wenn beide Seiten unterschrieben haben) vor der eigenen Unterschrift einem Fachmann vorzulegen, z. B. einem auf Arbeitsrecht spezialisierten(!) Rechtsanwalt.
Kurzantwort:
Der Angestellte, insbesondere der Berufsanfänger, kann nicht „nebenbei“ noch Spezialist für Feinheiten der Formulierung von Arbeitsverträgen werden. Je größer und renommierter der potenzielle Arbeitgeber ist, desto mehr darf sich der Bewerber darauf verlassen, einen akzeptablen Vertragsentwurf vorgelegt zu bekommen, wie er in diesem Unternehmen bewährter Standard ist. Ein sorgfältiges Durchlesen aller Punkte vor Unterschrift ist dennoch unverzichtbar.
Frage-Nr.: 1863
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 29
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 2004-07-15