Wenn die Übung fehlt, geht es schief
Antwort:
Manchmal tun mir meine Partner in Karriereberatungsgesprächen richtig Leid: Sie tragen ausführlich ihren Fall vor, äußern sich in höchstem Erstaunen darüber, was ihnen widerfahren ist oder was sie wozu bewogen hat – und müssen erfahren, dass ich lapidar erkläre: „Das war zu erwarten, das läuft überwiegend so, damit hätten Sie rechnen müssen.“ Sie haben aber nicht gerechnet.Nehmen wir den Fall einer etwa fünfzehnjährigen sehr erfolgreichen Dienstzeit als Führungskraft beim Arbeitgeber A vom Typ „deutscher Konzern“. Dann wechselt der Kandidat zum Unternehmen B vom Typ „gekauft von amerikanischen Privatinvestoren“. Ein gutes Jahr später ist er wieder draußen. Natürlich nach und mit vielen Problemen und Begründungen im Detail. Und der Berater ist darob weder überrascht noch ergriffen, er hakt einfach ab:
Nach so vielen Dienstjahren zeigt schon die Statistik, dass ein Wechsel mit hoher Wahrscheinlichkeit im ersten Anlauf schief geht und nach etwa sechs bis achtzehn Monaten korrigiert werden muss, unabhängig vom Typ-Problem. Wichtigste Begründung ist die fehlende Übung in der Auswahl passender Arbeitgeber/Chefs. Wer sich dann erstmals wieder im Vorstellungsgespräch befindet, kann einfach nicht hinreichend sicher herausfinden, ob die Firma passt, ob er mit den Chefs einigermaßen harmonisch „kann“.
Er vertraut Zusagen, für die ein geübter Bewerber nur ein müdes Lächeln hat. Er stellt die falschen Fragen, deren Beantwortung ihm nicht weiterhelfen und weiß nicht, ob er die richtigen stellen darf – oder sie fallen ihm gar nicht ein. Wer jetzt seinen vierten Chef (aus-)sucht, geht dabei in jedem Fall geschickter vor als der Anfänger auf diesem Gebiet, der auf ein freundliches Lächeln hereinfällt.
Lösung: Dienstzeiten nicht ohne Not uferlos anwachsen lassen – wenn man nicht sicher sein darf, „ewig“ dort zu bleiben (was heute unmöglich ist). Und sich des Problems zumindest bewusst sein – sowie die Notwendigkeit einer Korrektur des ersten Wechsels vorsichtshalber mit einplanen (Zeitpunkt des Umzugs, Hauskauf am neuen Standort).
Und der Arbeitgebertyp? Unternehmen der geschilderten Art können derart verschieden „denken“, unterschiedliche Anforderungen stellen oder völlig andere (nicht zwangsläufig irgendwie schlechtere) Unternehmenskulturen zeigen, das glaubt man erst nach persönlichem Erleben. Dafür gibt es eine Regel: Wer bei einem Unternehmen eines bestimmten Typs erfolgreich war und dort gut zurechtgekommen ist, wechsele beim Firmenwechsel nicht ohne Not auch noch den Typ. Wer aber gescheitert ist bei einem davon, versuche gezielt einen anderen (groß/klein, deutsch/ausländisch, privat/Kapitalgesellschaft).
Vor allem aber informiere man sich vorher über statistisch gesicherte Risiken. Denn es muss frustrierend sein, in einem quälenden Prozess unter Opfern etwas herauszufinden, was anderswo seit vielen Jahren als bekanntes Wissen gilt.
Kurzantwort:
Frage-Nr.: 91
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 42
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 2001-10-19