Voll rein – oder voll raus!
Antwort:
Der – potenzielle – Arbeitgeber erhebt einen ganz besonderen Anspruch an seinen möglichen neuen Mitarbeiter: Er will, dass der Bewerber das Angebot liebt. Die Firma, die Gegend, die Aufgabe, die Struktur, den Chef – alles.
Das wird mir immer wieder besonders deutlich, wenn ich mich gelegentlich vom kühlen, in der Sache engagierten, aber letztlich doch nicht emotional beteiligten Beratungsprofi zum Arbeitgeber wandele, der in eigener Sache sucht. Beobachtete Kundenreaktionen bestätigen mich dabei.
Begeisterung also soll der Bewerber zeigen, möglichst uneingeschränkte. Oder kürzer: Er hängt sich entweder voll hinein in sein „Ich bewerbe mich um …“-Projekt oder er steigt irgendwann im Gespräch voll aus. Etwa so: „Vielen Dank für Ihre Erläuterungen. Was ich gehört habe, reicht aus, um eine Entscheidung zu treffen. Ich ziehe meine Bewerbung zurück, die Position ist nichts für mich.“ Das bedarf keiner weiteren Erläuterungen.
Aber etwas anderes bedarf: Es gibt nur diese beiden Möglichkeiten! Neben „voll raus“ also nur „voll rein“ – aber es gibt nichts dazwischen! Vor allem gibt es keinen Zweifel („darüber muss ich erst nachdenken, das muss ich mit meiner Frau besprechen, da bin ich mir noch nicht sicher“). Zweifel oder Unentschlossenheit sind negativ, wirken auch so – dann besser gleich ganz aussteigen.Begeisterung bedeutet, der Bewerber findet die Position und alle Umstände toll. Die Firma ist weitgehend pleite? „Ich unterschätze die sich daraus ergebenden Schwierigkeiten und Risiken keineswegs, aber es wäre eine reizvolle Herausforderung, an der Sanierung entscheidend mitwirken zu können.“
Alternative I: voll raus.
Alternative II: gibt es nicht.
Der Kandidat soll die Leitung einer komplett installierten, mit gut qualifizierten Mitarbeitern besetzten Abteilung übernehmen? Das ist besonders reizvoll, da er sich in Ruhe einarbeiten kann, während der „Laden“ schon läuft. Der Bewerber muss hingegen die Abteilung personell von Grund an aufbauen? Das ist großartig, weil er nun die gesamte Mannschaft nach seinen Vorstellungen auswählen kann.
Ich habe nicht gesagt, der Kandidat müsse unterschiedslos und immer alles toll finden – vom Standort Ostfriesland (wunderschöne Gegend) bis hin zur unzureichenden Kompetenz. Ich sage nur: Steigen Sie gegebenenfalls voll und endgültig aus – oder zeigen Sie Begeisterung, alles andere taugt nichts.
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Ein kurzes, staatsmännisches Abwägen ist jeweils erlaubt, aber dann muss die positive Hinwendung zur offerierten Position erkennbar werden. Das verpflichtet Sie ja juristisch zu nichts – die endgültige Entscheidung fällen Sie ohnehin erst, wenn sich auch der potenzielle Arbeitgeber verbindlich erklärt hat.
Auch der Lieferant oder Verkäufer soll ja dem (künftigen) Kunden zeigen, dass er nicht nur vielleicht und gegebenenfalls eventuell für ihn tätig werden könnte – sondern gern und sofort. Auch meine Kunden erwarten mehr als ein „Ach ich weiß nicht“ – wenn sie mir mit einem Auftrag „drohen“. Und muss nicht auch, wer einen neuen Partner will, Begeisterung für dessen Gegebenheiten zeigen? Er muss. Na also.
Kurzantwort:
Frage-Nr.: 85
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 36
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 2001-09-07