Auch die „andere Seite“ will Ihren Erfolg
Antwort:
Ich gestehe, nur sehr begrenzt zu wissen, wie man sich als Bewerber im Vorstellungsgespräch fühlt. Immerhin kann ich es mir ausmalen.
Aus gelegentlichen Gesprächen mit Betroffenen ergibt sich, dass diese ein völlig falsches Bild von Zielen und Absichten der Arbeitgebervertreter haben. Die Wahrheit hingegen wird beruhigend wirken und Stress verhindern, denke ich. Also dann:
Was wollen die beiden Parteien erreichen? Der Bewerber will einen so guten Eindruck machen, dass er ein Vertragsangebot erhält (über das er dann entscheiden kann). Und der Berater / Personalleiter / potenzielle Vorgesetzte will – auch, dass der Bewerber einen so guten Eindruck macht, dass man ihm ein Vertragsangebot vorlegen kann!
Und ob er das will. Schließlich hat er vorher die Auswahlentscheidung aus dem Bewerberfeld getroffen, hat er diesen Kandidaten für „würdig“ erachtet, hat er zwei Stunden seiner kostbaren Zeit reserviert und seinen guten Namen (zumindest symbolisch) unter die Einladung gesetzt. Damit hat er übrigens auch entschieden, dass die Kosten für das Projekt „Vorstellungsgespräch Müller“ sinnvoll und zu verantworten sind.
Nun kommt die Stunde der Entscheidung. Natürlich, ein Zweifel ist gar nicht möglich, will der Arbeitgebervertreter, dass seine „gute Nase“ bestätigt wird, dass sich seine Vorauswahl als richtig erweist – und das von ihm verantwortete Projekt ein Erfolg wird.
Aber, und da könnte ein Grund für den bisherigen falschen Eindruck liegen, der Arbeitgebervertreter im Vorstellungsgespräch hat eine Verantwortung gegenüber „seinem“ Unternehmen. Er muss seine Entscheidung auf eine breite Fakten- und Eindrücke-Basis stellen, sorgfältig prüfen, Fragen nachgehen, Unklarheiten ausräumen etc.
Also „bohrt“ er, hakt er nach, stellt er Zusatzfragen. Aber ist nicht etwa hochzufrieden, wenn er den Bewerber „reingelegt“ und einen Grund für dessen Ablehnung gefunden hat. Im Gegenteil: Er ist dann mindestens ebenso enttäuscht wie der Kandidat – weil ja er mit seiner Vorauswahl falsch gelegen hat. Also testet er – in der starken Hoffnung, der Bewerber möge bestehen.
So wie ein Gebrauchtwagen-Interessent, der sein Traumauto entdeckt zu haben glaubt, zwar an den Vorderrädern rüttelt – aber dabei ebenso wie der Verkäufer hofft, die Radführung möge nicht ausgeschlagen sein. Ist sie es doch oder findet sich Rost am Bodenblech, ist er enttäuscht. Weil dieser Versuch vergeblich war und weiter Zeit und Geld zu investieren sind.
Also, liebe Bewerber, sehen Sie in Ihrem Gesprächspartner auf der anderen Seite zuerst den Verbündeten und nicht den harten Gegner. Auch er will „siegen“ – aber er kann es nur mit Ihnen, nicht gegen Sie. Das Gespräch ist kein Boxkampf, das sind „zwei Mann in einem Boot“.
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Kurzantwort:
Frage-Nr.: 36
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 31
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 2000-08-04