Ein(!) Fortschritt ist erlaubt
Antwort:
Das Schreiben einer Bewerbung hat das Ziel, die Situation des Absenders zu verbessern. Die Begründung dafür ist ebenso schlicht wie fundamental: Sonst täte er es nicht – und bliebe, wo er ist. Bewerbungsempfänger akzeptieren diesen Grundsatz. Manchmal zähneknirschend, letztlich aber doch.Und so darf ein Entwicklungsingenieur mit 8.000 DM / Monat nun etwa 9.500 DM verlangen, ein Gruppenleiter Abteilungsleiter werden und ein Arbeitsloser wieder Arbeit haben wollen. Auch der Herzenswunsch des Deutschen, nicht hier, sondern dort den Wohnsitz anzustreben, lässt sich irgendwie realisieren.
Es gibt jedoch eine Art „Naturgesetz“, das Höhenflüge wirksam bremst. Mir hat es sich bei der Analyse Hunderttausender von Bewerbungen irgendwann erschlossen: Ein Fortschritt ist erlaubt – mehr jedoch ist kaum durchzusetzen.
Wer als „guter Mitarbeiter in einer guten Firma“ ungekündigt, gut bezahlt und ohne jede Belastung des Arbeitsverhältnisses tätig ist, hat die freie Wahl: Mehr Geld für gleiches Tun wäre drin, Aufstieg ebenso und auch der Lieblingswohnsitz ließe sich irgendwie realisieren. „Freie Wahl“ aber heißt nicht „alles auf einmal“: Aufstieg geht, aber dieser und der heißbegehrte Wohnsitz gleichzeitig, das macht der Markt nicht mit, das lässt sich in vernünftiger Zeit nicht realisieren.
Auch kann man eine „tote“ Branche nicht verlassen und in der neuen gleich aufsteigen, kann nicht den Tätigkeitsbereich / das Fachgebiet wechseln und dabei mehr verdienen.Wer seine Arbeit verloren hat – ob mit oder ohne Schuld, muss nicht lange überlegen, wo für ihn der eine erlaubte „Fortschritt“ liegt. Bei der Gelegenheit aber noch mehr Gehalt zu fordern als zuletzt verdient wurde, wird als klarer Verstoß erkannt und negativ beschieden.
Bei näherer Beschäftigung mit diesem Thema erkennt man, dass dem ein bekanntes Grundprinzip zugrunde liegt: Jedes Handeln soll sich auf ein Primärziel ausrichten, alles andere darf nur noch sekundäre Bedeutung haben. Das gilt (fast) immer und stimmt ebenso überall: Auch im Krieg, dem Extremfall menschlichen Handelns, gewinnt kaum jemals, wer an zwei Fronten kämpfen muss. Zum Glück sind bei Bewerbungen die Niederlagen nicht so schrecklich.
Kurzantwort:
Frage-Nr.: 31
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 25
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 2000-06-30