Desillusionierend
Es hat einige Zeit gedauert, aber ich habe gesehen, dass Ihre Hinweise in der Karriereberatung die Realität, soweit ich das beurteilen kann oder darf, treffen. Das ist nicht immer schön, sondern oft auch desillusionierend, aber gerade deshalb hilfreich.
Antwort:
Ich habe zunächst etwas geschwankt, ob ich gern desillusionierend wirke. Schließlich nehme ich den Menschen damit etwas weg, an das sie sich gewöhnt hatten, ja das manchen von ihnen richtig ans Herz gewachsen ist.
Aber das „Duden-Fremdwörterbuch“ hat mir wertvolle Schützenhilfe geleistet, ich muss kein schlechtes Gewissen haben: Illusion, so definiert das Buch, sei eine „(dem eigenen Wunschdenken entsprechende) schöne Vorstellung in Bezug auf etwas, was in Wirklichkeit nicht oder nicht so ist“.
Damit ist eine Aktivität, die jemandem Illusionen nimmt, eher eine gute als eine schlechte Tat. Auf der Basis dieser erhebenden Erkenntnis fahre ich gern fort mit meiner Aufklärung der Beteiligten und Betroffenen über das System, in dem sie um ihre Existenz ringen.
Bleiben die Fragen: Wo nehmen (nahmen) Sie Ihre diesbezüglichen Illusionen her, wer vermittelte die Grundlagen dafür? Tragen die Hochschulen dazu bei, indem sie entweder gar kein oder ein falsches Bild der Praxis vermitteln, für die sie ihre Studenten letztlich ausbilden? Und selbst wenn das nicht in kultusministeriellen Anweisungen stünde, wäre es nicht ein Akt der (auch der volkswirtschaftlichen) Vernunft, es dennoch zu tun? Beispiele dafür gibt es durchaus, aber bis zum flächendeckenden „Durchbruch“ dieser Idee ist noch ein weiter Weg. Warum nur komme ich mir in diesem Augenblick vor wie ein „Rufer in der Wüste“?
Frage-Nr.: 1495
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 23
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 2000-06-23