Heiko Mell 02.01.2016, 13:16 Uhr

Werde ich vom Unternehmen ausgenutzt?

Frage/1: Ich bin Dipl.-Ing. für Polymere, mittlerweile Mitte 30 und habe die letzten Jahre eher Rückschritte in meiner Karriere gemacht.
Ich hatte gleich nach dem Studium bei einer kleinen Firma für Biopolymere als Chemiker angefangen und war gemäß Tätigkeitsprofil nach drei Jahren so etwas wie ein Standortverantwortlicher. Über die Jahre hatte ich sozusagen immer mehr Verantwortung übernommen und war quasi ein Multitalent, welches Materialprobleme, EDV, die einschlägigen Managementsysteme, Standortmanagement und auch firmeninterne Abwicklungen realisierte. Ich hatte mich durch meine fordernde und auch abwechslungsreiche Tätigkeit immer wohl gefühlt und bin auch mit dem Anfangsgehalt all die Jahre zufrieden gewesen.
Es kam jedoch zur Insolvenz, die Mitarbeiter wurden entlassen.

Frage/2: Nach der Insolvenz wurden die Patente und die Produktionsanlagen ins Ausland verkauft. Die Manager gingen mit den Anlagen mit und machten mir eine Offerte, an dem Projekt als Projektmanager weiterzuarbeiten.
In der damaligen Gehaltsverhandlung einigten wir uns auf ein geringes Gehalt, wobei mir eine Wohnung und ein Firmen-Kfz angeboten wurden. Weiterhin wurde – jedoch mündlich – vereinbart, dass nach zwei Jahren mein ursprünglicher Gehaltswunsch erfüllt und auch das Tätigkeitsprofil angepasst werden würden.
Die aktuelle Lage nach zwei Jahren: Ich stehe hier mittlerweile nur noch im Labor oder an den Produktionsanlagen. Alleine! Es findet keine Nutzung meiner Talente (ich bin nebenbei ausgebildet als EDV-Kaufmann und als Umwelt- und QM-Beauftragter) statt, obwohl dies nötig wäre (die EDV-Systeme sind marode und überholt; den Kunden ist versprochen worden, QM und Umweltsysteme einzuführen).
Auch auf mein Fachwissen wird nicht zurückgegriffen, obwohl die Entscheidungen des Managements sich in den Resultaten beim Kunden widerspiegeln. Meine Vorschläge werden von meinem Vorgesetzten als seine verkauft. Ich bin, nebenbei gesagt, der einzige Chemieingenieur in der Firma.

Ein Verlassen der Firma hätte aus meiner Sicht vielleicht ein Scheitern des gesamten Projekts oder einen großen Zeitverzug zur Folge. Auch wäre mein Wissen über die noch recht junge Thematik, mit der wir uns beschäftigen, auf dem Markt mehr als willkommen.
Ist ein Unternehmen, welches Mitarbeiterpotenziale ungenutzt lässt, Kunden und auch Mitarbeiter belügt, die richtige Wahl, um meine Karriere hier fortzusetzen? Wie könnte ich vorgehen, um diese Missstände zu beseitigen, meine nicht zu hohen Gehaltsvorstellungen (ein vergleichbar qualifizierter Ingenieur bei einem Mittelstandsunternehmen in Deutschland würde mich auslachen) durchzusetzen und damit das Management zu einer effizienteren Nutzung meines Potenzials zu ermuntern?

Ich lebe gern hier und mir macht die Arbeit an diesem nachhaltigen Thema viel Freude. Jedoch war die Zufriedenheit mit den Aufgaben und dem Gehalt in Deutschland höher. Ich hoffe, Sie können mir ein paar Tipps geben.

Antwort:

Antwort/1: Hier bricht jemand eine Lanze für die besonderen Arbeitsumstände, die man – mit etwas Glück – in kleinen Unternehmen antreffen kann: Es gibt mehr Aufgaben als hochqualifizierte, genau darauf spezialisierte Mitarbeiter, und wer im richtigen Moment am richtigen Ort präsent ist, entschlossen zupackt und auch ungewohntes Tun nicht scheut, kann sich schnell mit umfassenden, interdisziplinären Verantwortungsumfängen betraut sehen, die im „wohlgeordneten“, streng arbeitsteilig ausgerichteten Großbetrieb entweder nie oder zumindest erst sehr viel später zu erreichen sind.

Als Einschränkungen sind üblicherweise zu sehen: Die einzelnen Zuständigkeitsbereiche gehen eher in die Breite als in die Tiefe, ihr Umfang ist klein, die Arbeitsmethodik ist oft eher pragmatisch-bodenständig als ein leuchtendes Beispiel für eine ganze Branche. Und man stößt schneller an Grenzen: Wer etwas erreicht hat, findet intern kaum noch Möglichkeiten zur Weiterentwicklung, wer extern sucht, merkt bald, dass es Positionen mit genau passender Ausrichtung auf dem Markt kaum gibt.

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Hinzu kommt – wie man sieht – das pauschal eher höher anzusiedelnde Überlebensrisiko sehr kleiner Unternehmen. Aber solange alles läuft, kann ein solches Engagement sehr erfüllend sein und stolz machen auf eine spontan erkennbar werdende Leistung.

Eine ganz klar zu sehende pauschale Einschränkung: So oder so – ein empfehlenswerter Start in eine für später geplante Großbetriebskarriere ist der Anfang im kleinen Betrieb ganz sicher nicht. Konzerne lieben Konzernerfahrung bei Bewerbern.

Antwort/2: Warum gehen deutsche Produktionen (oder Produktionsanlagen und Patente, mit oder ohne Insolvenz) ins Ausland? In der Regel nicht, weil man uns dort technisch überlegen wäre (dann müsste man weder unsere Anlagen noch unsere Patente kaufen), sondern weil man in vielen dieser Länder deutlich billiger produziert. Wie produziert man deutlich billiger? Indem man sein Personal deutlich geringer bezahlt als in Deutschland.

Ihr angedeuteter Vergleich mit dem adäquat qualifizierten Ingenieur in Deutschland hat keine Basis, ja er ist unter diesen Umständen naiv. Sie sagen uns nicht, in welches Land Sie sich „verkauft“ haben, daher muss ich spekulieren: Meinen Sie, es ginge eine einzige deutsche Produktion in eines jener (beispielsweise osteuropäischen) Länder, wenn man dort Personalkosten wie in Deutschland hätte?

Sie haben einen gravierenden Fehler gemacht und sind zusätzlich Opfer einer etwas naiven Grundhaltung geworden: Ich gehe davon aus, dass Sie heute Angestellter einer ausländischen Firma sind und damit allein den Gehaltsmaßstäben und dem Arbeitsrecht jenes Landes unterliegen. Damit ist Deutschland für Sie nur noch Vergangenheit, erledigt, kein brauchbarer Vergleichsmaßstab mehr. Nun müssen Sie Ihre Maßstäbe und Vergleiche an den Gegebenheiten jenes Landes ausrichten.

Und die naive Grundhaltung liegt darin, dass Sie sich beim Gehalt auf mündliche Zusagen verließen. Was in diesem Zusammenhang nicht schriftlich vereinbart wird, ist bestenfalls (noch nicht einmal das ist sicher) gut gemeint und letztlich „Schall und Rauch“.

Dann: Ihre Forderung, man müsse arbeitgeberseitig Ihre volle Qualifikation ausnutzen, hat überhaupt keine Basis. Wenn Sie in Ihrer Ausbildung den Chemieingenieur mit dem EDV-Kaufmann kombinieren, ist das Ihr Privatvergnügen. Das Unternehmen kann Sie entsprechend „breit“ einsetzen, kann es aber auch bleiben lassen. Sie haben nicht den geringsten Anspruch auf „Nutzung all Ihrer Talente“. Das gilt ebenso für den Umwelt – wie für den Qualitätsbeauftragten.

Sie dürfen enttäuscht sein, dürfen sich ärgern, dürfen über einen Arbeitgeberwechsel nachdenken, aber mehr ist nicht machbar. Von einem im vertraulichen Gespräch mit dem Chef oder gar öffentlich erhobenen Vorwurf, Ihr Arbeitgeber würde Kunden und Mitarbeiter belügen, rate ich ab. Dass Sie sich fachlich für fast unersetzlich halten, während das Unternehmen seinerseits Ihre Gehaltsvorstellungen nicht einmal ansatzweise erfüllt, ist ein bedenkliches Zeichen dafür, wie weit die reale Wertschätzung Ihrer Person durch Ihre Chefs von Ihrer Eigenwahrnehmung abweicht. So etwas ist immer in höchstem Maße bedenklich bis gefährlich!

Ich sehe folgende Lösungsansätze für Sie: Entweder kommen Sie zu einer Neubewertung Ihrer Fähigkeiten und Ihres Wertes für diese Firma, bei der Sie sich den – deutlich „tiefer“ angesiedelten – Vorstellungen Ihrer Chefs annähern, oder Sie wechseln den Arbeitgeber. Ein Umdenken des Unternehmens im Sinne Ihrer Erwartungen werden Sie nicht erreichen.

Kurzantwort:

Wer „ins Ausland“ geht und dort Angestellter eines ortsansässigen Unternehmens wird, unterwirft sich damit komplett den Gegebenheiten, Gepflogenheiten und Maßstäben jenes Landes.

Frage-Nr.: 2867
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 9
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 2017-03-02

Ein Beitrag von:

  • Heiko Mell

    Heiko Mell ist Karriereberater, Buchautor und freier Mitarbeiter der VDI nachrichten. Er verantwortet die Serie Karriereberatung innerhalb der VDI nachrichten.  Hier auf ingenieur.de haben wir ihm eine eigene Kategorie gewidmet.

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