Gibt es böse Chefs?
In der 2.414. Frage schreiben Sie, „schlimmer als ein böser Chef ist nur noch ein unfähiger“, woraus folgende (vielleicht wohl eher philosophische) Frage resultiert: Was zeichnet einen bösen Chef aus bzw. kann es überhaupt böse Chefs geben?
Antwort:
Nun, es ging in jener Frage gar nicht um „böse“ Chefs, sondern um unfähige. Ich hätte auch einfach nur schreiben können, die unfähigen seien die schlimmsten, der Vergleich mit „bösen“ ist ohne tieferen Bezug entstanden.Aber da ich es nun einmal geschrieben habe, ist Ihre Frage berechtigt. Ich will mich nicht mit einer Definition von „böse“ zu sehr ins Detail begeben, ich stütze mich auf die umgangssprachliche Bedeutung und ziehe Begriffe wie „bösartig“ oder „gemein“ gleich mit in die Darstellung ein.
Es gibt „böse“ Menschen, völlig zweifelsfrei. Beim Aufstieg gibt es Filter, die eigentlich „faule Äpfel“ aussortieren sollten, aber die arbeiten nicht mit totaler Wirkung, eine gewisse Quote rutscht durch. Was mag beispielsweise wohl einer jener – seltenen – bösen Inhaber oder Geschäftsführer an Unterführern heranziehen? Letztlich finden sich in der Chefetage vermutlich alle überhaupt bekannten menschlichen Erscheinungsformen – nur nicht zwingend im identischen Prozentsatz wie in der Gesamtbevölkerung. Mörder hat es gegeben, Betrüger gibt es laufend, Vergewaltiger werden auch schon darunter gewesen sein. Das sind schon einige „böse“ Beispiele, die ich aber nicht vorrangig gemeint hatte.
Merkwürdigerweise ist „böse“ in unserem Fall eine „Definition von unten“, getragen also von den geführten Mitarbeitern. Die Chefs von Chefs nennen letztere niemals so – „Versager“, „Betrüger“, „Verräter“, „Flasche“, das alles gibt es in der Einschätzung von oben, „böse“ jedoch nicht. Es scheint, dass mir eher böse erscheint, wer Macht über mich hat als jemand, über den ich bestimme.
Also dann, aus Mitarbeitersicht ist ein Chef in unserem Sinne „böse“, wenn er beispielsweise- Mitarbeitern deren Ideen stiehlt und als seine ausgibt,- Mitarbeiter opfert, um von eigenen Fehlern abzulenken,- Mitarbeiter mit bewusst falschen Versprechungen dazu bringt, etwas in seinem Sinne zu tun,- niemanden neben sich hochkommen lässt, der ihn ersetzen könnte,- im Zuständigkeitsbereich Intrigen anzettelt, um unbequeme Mitarbeiter loszuwerden.
Die Aufzählung ist nicht vollständig, zeigt aber, was möglich ist – und tatsächlich vorkommt. Es ist übrigens Aufgabe des Chefs eines solchen Chefs, dessen Bösartigkeit zu erkennen und auszumerzen (notfalls durch Entlassung).
Aber: Ein derart „böser“ Vorgesetzter ist irgendwie kalkulierbar, eine begrenzte Zeit lang kann man sich auf ihn einstellen. Fachlich kann er übrigens sehr tüchtig sein – was seinem Chef das „Entfernen“ oft erschwert. Und zu diesem seinem Chef kann er ausgesprochen zuvorkommend bis liebenswürdig sein, sodass sein „böses“ Talent oben erst spät auffällt (nach unten treten, nach oben buckeln).
Kurzantwort:
Chefs sind Menschen wie du und ich (na ja, mehr wie du).
Frage-Nr.: 2422
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 31
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 2010-08-05