„Wer über Mitarbeitermangel klagt, ist oft selbst schuld“
VDI nachrichten, Düsseldorf, 7. 9. 07, ws – Die Messe „Zukunft Personal“ am 11. und 12. September in Köln soll einen Überblick über das Aufgabenfeld des Personalmanagements verschaffen. Den braucht es auch. Denn die deutschen Unternehmen, erläutert der Personalmanagement-Experte Christian Scholz von der Universität des Saarlandes, stehen vor gewaltigen Herausforderungen.
Scholz: Es wird auf jeden Fall schwierig. Die Unternehmen verfolgten viel zu lange und oft auch viel zu blind populäre Trends wie Outsourcing, Shared Service Center, HR-Factory und HR-Downsizing. Zu lange galt und gilt die Maxime: HR-Arbeit ist nur gut, wenn sie billig ist. Dabei geraten langfristige Rekrutierung und risikobezogene Retention (Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen, die Red.) ebenso oft ins Hintertreffen wie systematische Personalentwicklung. Jetzt wird es in vielen Fällen eng und man erkennt, dass man mit der aktuellen Personalabteilung nicht auskommt. Deshalb werden wichtige Personalaufgaben an Zeitarbeitsfirmen oder Interimsmanager abgegeben. Das Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens durch Personalarbeit zu erhöhen, rückt damit in weite Ferne.
VDI nachrichten: HR hat heute mehr Aufgaben als früher, man denke nur an die Forderungen des Gleichstellungsgesetzes. Wie ist das alles zu schaffen?
Scholz: Die Problematik liegt in der Professionalisierung der Personalabteilung. Solange für die Mitarbeiter der Abteilung konsequent „Outsourcing statt Qualifizierung“ gilt, wird sich nichts ändern. Die operative Hektik wird steigen und es wird weniger Zeit für Personalentwicklung der Personaler bleiben. Deshalb propagieren wir das Konzept „Kompetenz4HR“, wofür wir in Saarbrücken gerade mit einigen Firmen einen Forschungsschwerpunkt aufbauen. Es geht darum, Kompetenz im Sinne von Befähigung und Befugnis aufzubauen. Das bedeutet eine konkrete Auseinandersetzung mit den Skill-Defiziten in der Personalabteilung, aber auch mit den Zuständigkeiten.
VDI nachrichten: Seit Jahren heißt es, die Personalfunktion müsste mehr Gewicht in den Unternehmen bekommen. Warum? In kleineren Firmen macht der Chef oft die Personalarbeit selbst.
Scholz: Mitarbeiter sind das wichtigste Kapital des Unternehmens. Das klingt abgedroschen, ist aber in der Umsetzung eine traurige Baustelle. Unternehmen müssen sich dieser Frage genauso professionell nähern, wie sie professionell eine Bilanz aufstellen. Dafür brauchen sie jemand, der das wirklich kann und darf. Ich hoffe, dass dieser Jemand in der Personalabteilung sitzt, denn dafür sollte sie da sein. Traurigerweise gibt es viele Firmen, in denen wichtige Personalaufgaben bewusst nicht in der Personalabteilung angesiedelt sind, nach dem Motto: Diese Aufgaben sind zu wichtig, als dass man sie dieser Abteilung überlässt.
VDI nachrichten: Wie sehen sich die Personaler selbst – als nüchterne Verwalter oder als verkannte Strategen?
Scholz: Da gibt es beide Varianten. Wir haben in einer Studie gesehen, dass auch die Rolle des Ansprechpartners für Tarif- und Sozialfragen oft gesehen wird. Defizite gibt es auch bei der Funktion „Spezialist für Unternehmenskultur“. Denn zwei Fakten sind unbestreitbar: Die Arbeitswelt wird rauer und – egal ob mit oder ohne Aufschwung – von jedem Einzelnen als bedrohlicher empfunden, wie wir ganz klar in unserem Arbeitsweltmonitor jeden Monat sehen. Allerdings nimmt man sich dieser veränderten Arbeitswelt noch nicht systematisch genug an. Auch wenn es technokratisch klingt: Es muss jemand dafür zuständig sein! Und warum eigentlich nicht die Personalabteilung?
VDI nachrichten: Woran merkt ein Unternehmen, dass seine HR-Abteilung gute Leistungen erzielt?
Scholz: Das wird leider in den seltensten Fällen registriert. Mancher Firmenchef würde antworten, dass man es daran sieht, wie selten das Unternehmen vor dem Arbeitsgericht steht. Deshalb plädiere ich unter anderem für ein explizites Ausweisen des Humankapitals und seiner Komponenten. An ihrer Entwicklung kann man einiges ablesen. Und wenn man diese Werte in den Jahresabschluss übernimmt, sind wir einen großen Schritt weiter.
VDI nachrichten: Und woran erkennt man Defizite in der Personalarbeit?
Scholz: Defizite sieht man in vielen Firmen. Wenn die selben Unternehmen, die sich jüngst über jede Eigenkündigung von Mitarbeitern gefreut und die im Hochschulmarketing Nullrunden eingelegt haben, jetzt über Mitarbeitermangel jammern, dann stellen sie sich selbst ein Armutszeugnis aus. Alle Firmen, die aus heiterem Himmel die Notwendigkeit zum „Talent Management“ entdeckt haben, sind in ihrer HR-Arbeit defizitär. Andere haben sich auf die aktuelle Situation vorbereitet und bewiesen, wie eine kompetente Personalarbeit aussieht. C. DEMMER
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