Warum nicht ein bisschen früher in Rente?
Sie können zum Beispiel früher in Rente gehen.
Gesetzlich geregelt wurden Arbeitszeitkonten im Jahre 1998. Ziel des Gesetzgebers war es, den gleitenden Ausstieg aus dem Arbeitsleben zu organisieren, ohne den Arbeitgeber mit Abfindungs- oder Gehaltsfortzahlungen zu belasten oder den Staat mit Leistungen aus den Sozialkassen zur Ader zu lassen. Vielmehr sollen die Arbeitnehmer ihren vorzeitigen Ruhestand vorfinanzieren können, indem ein Teil ihres Gehaltes zurückgelegt wird statt ihn auszuzahlen.
Die Förderung dieser Form durch Vater Staat ist vergleichbar mit den Regelungen der betrieblichen Altersvorsorge. So sind die Einzahlungen auf den Zeitwertkonten für den Arbeitnehmer steuer- und sozialabgabenfrei.
Der Arbeitgeber hingegen muss seinen Teil der Sozialabgaben auf das Konto einzahlen. Die Leistungen, die auf das Konto fließen, können aus regulärem Gehalt stammen, aus Überstunden und Sonderzahlungen.
Die Höhe ist grundsätzlich nicht begrenzt. „Die Zahlungen sollten jedoch regelmäßig erfolgen und angemessen sein“, erläutert der Hamburger Anlageberater Thomas Langfeld. „Eine einmalige Gratifikation am Ende des Jahres, die zehn Mal höher als ein Monatsgehalt ist, wirkt wie eine versteckte Gewinnausschüttung und dürfte vom Finanzamt kritisch betrachtet werden.“
Wie wird das Arbeitszeitkonto geleert? Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Die erste Form: Der Arbeitnehmer erhält sein bisheriges Gehalt weiter, obwohl er deutlich weniger oder gar nicht mehr arbeitet. Er erhält also quasi Zeit ausgezahlt. Damit kann er zum Beispiel früher in Rente gehen als gesetzlich vorgesehen. Dabei sind auf diese Auszahlungen auch wieder Sozialabgaben zu entrichten.
Die zweite Variante: Der Arbeitnehmer geht regulär in Ruhestand und erhält die Leistungen aus dem Zeitwertkonto parallel zum Bezug staatlicher, betrieblicher oder privater Renten. Auch dann fallen Sozialabgaben an.
Durch Gesetzesreformen ist es mittlerweile möglich, dass ein Zeitwertkonto ins Soll geht, also einen negativen Saldo aufweist. Das kann beispielsweise passieren, wenn ein Arbeitgeber einen Mitarbeiter zu einer Qualifizierungsmaßnahme entsendet.
Gerd Kotoll vom Finanzdienstleister MLP: „Da die Leistungen versteuert und in der Sozialversicherung mit einem Beitrag versehen werden, kann man die Lebensarbeitszeitkonten als private Altersvorsorge innerhalb des Betriebes betrachten.“
Sven Hagebröcker, Hauptgeschäftsführer des Duisburger Vereins Arbeitsgemeinschaft flexible Arbeitszeitkonten (AFA): „Es gibt kein anderes System, mit dem der Arbeitnehmer seinen Vorruhestand so flexibel planen kann.“
Neben der Ausschüttung in Form von Zeit oder Geld ist es möglich, das Guthaben auf einen neuen Arbeitgeber übertragen zu lassen. Steuern oder Sozialabgaben fallen dabei nicht an.
Ebenso ist es inzwischen möglich, die Guthaben zum Ende der Laufzeit in eine betriebliche Altersvorsorge umzuwandeln. Über die Gestaltung und die Anlage des Guthabens kann der Arbeitgeber frei entscheiden. Häufig kommen versicherungsvertragliche Regelungen zum Tragen oder eine renditeträchtige Anlage. Thomas Langfeld: „Aber Vorsicht: Für etwaige Verluste haftet der Arbeitgeber.“
Damit nicht genug der Vorteile von Zeitwertkonten. Kotoll: „Durch die Steuerfreistellung eröffnet die Flexibilität des Zeitwertkontos zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten für die Altersvorsorge. Dabei werden diese Möglichkeiten um ein Vielfaches größer, wenn der Begünstigte, also der Konto-Inhaber, nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegt. Das trifft für viele GmbH-Geschäftsführer zu – insbesondere, wenn diese gleichzeitig Gesellschafter sind.“
Weniger gut haben es Gesellschafter von Personengesellschaften und Einzelkaufleute: Diese können – wie bei der betrieblichen Altersvorsorge – von den Regelungen der Arbeitszeitkonten nicht profitieren.
Nicht absichern lassen sich mit einem Arbeitszeitkonto Risiken wie Berufsunfähigkeit oder Tod. Ein solcher Fall würde die volle Auszahlung, die volle Besteuerung und sämtliche Beiträge zur Sozialversicherung nach sich ziehen.
Albert Gellrich, Vorstand der AFA, die eine Plattform für Informationen und Erfahrungsaustausch in Sachen Zeitwertkonten bietet: „Auch für den Mittelstand lassen sich Zeitwertkonten so skalieren, dass alle Anforderungen erfüllt werden.“
Der Arbeitgeber muss die Zuführungen zu den Zeitwertkonten per Rückstellung bilanzieren. Dabei sind die Summen wie Barwerte zu behandeln: Es ist ein Aktivposten zu bilden.
Um dem Konto-Inhaber Sicherheit für den Fall einer Insolvenz des Unternehmens zu geben, erfolgt über eine arbeitsrechtliche Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und -geber eine Verpfändungserklärung. Daraus ergeben sich in der Regel auch Nachschusspflichten für den Arbeitgeber, sollte es zwischenzeitlich zu einem Wertverlust auf dem Konto kommen.
Es sind aber auch Regelungen möglich, die ein solches Risiko auf den Arbeitnehmer übertragen. Tipp: Verpfändungsvereinbarungen von Experten erstellen lassen! Empfehlenswert sind Vereinbarungen, die sich bereits in der Praxis bewährt haben.
„Die Gestaltungsmöglichkeiten bei Zeitwertkonten sind vielfältig und flexibel“, sagt AFA-Hauptgeschäftsführer Sven Hagebröcker. „Allerdings sind die gesetzlichen Regelungen so komplex, dass die Einführung in jedem Fall von professionellen Beratern begleitet werden sollte.“ JÜRGEN HOFFMANN
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