Vertrauen ist gut – detaillierte Nachfolgeverträge sind besser
Unternehmen sind komplexe Gebilde. Ihr Übergang beinhaltet sowohl für den Senior- als auch den Juniorchef zahlreiche Risiken. Damit der Stabwechsel nicht in einem Fiasko endet, sollten alle Einzelheiten vertraglich festgelegt werden – auch innerhalb der Familie.
Die alten Haudegen gehen von Bord. Rund 700 000 kleine und mittelständische Unternehmen werden nach Schätzungen der Deutschen Ausgleichsbank (DtA) in den kommenden fünf Jahren ihren Kapitän verlieren. Bei einem Viertel dieser Betriebe droht der führungslose Untergang — noch ist niemand gefunden, der das Steuer übernimmt. Vier Millionen Arbeitsplätze sind in Gefahr.
Dabei bieten sich denjenigen, die das Ruder in die Hand nehmen wollen, viele Vorteile. Ihr Risiko ist im Vergleich zu einer Neugründung überschaubar. Sie können auf einen bestehenden Lieferanten- und Kundenstamm aufbauen. Ihnen stehen erfahrene Mitarbeiter zur Seite. Der Vorgänger führt sie exklusiv in die Unternehmensabläufe ein. Eine betriebliche Infrastruktur besteht bereits. Die Geschäftsidee hat sich am Markt etabliert. Für die ersten Jahre sind die zu erwartenden Kapitalrückflüsse abschätzbar.
Auch für Seniorchefs ist es lohnend, sich frühzeitig um einen Nachfolger zu bemühen. Nur eine sorgfältige Auswahl des Nachfolgers garantiert den Fortbestand des alten Schiffes. Außerdem wird der Erlös wahrscheinlich höher sein als beim Verkauf an einen Konzern, der den Betrieb nicht als eigenständiges Unternehmen weiter zu führen beabsichtigt. Finanziell noch unergibiger wäre eine Liquidation.
Zwei Beispiele aus der Praxis zeigen, wie das Kommando auf der Brücke reibungslos übergeben werden kann: Bei der Schulze-Wechsungen GmbH in Düsseldorf, einem Unternehmen aus der Verbindungstechnik und Metallfolienveredlung, übergab Senior Volker Schulze-Wechsungen das Ruder an seinen Schwiegersohn Hans-Jürgen Gilgen. Die Ratinger Gleit-Technik System GmbH wird seit einem Jahr von Hansjürgen Rösch gesteuert. Er übernahm die Verantwortung von dem ihm vorher unbekannten Unternehmer Jens Röckerath.
Schon Ende 1996 machte sich Schulze-Wechsungen Gedanken um die zukünftige Besetzung des Chefsessels. „Ich wusste, es würde einige Zeit dauern, meinen Nachfolger anzulernen.“ Auf die Idee eines familieninternen Stabwechsels sei er zuerst gar nicht gekommen. „Die Industrie- und Handelskammer hatte mir bereits etwa 50 Kandidaten vorgeschlagen, als sich meine Kinder anboten.“ Nach einer „weitestgehend unbefangenen Abwägung“ unter den Bewerbern stand ab Mitte 1998 fest, dass der Schwiegersohn den Zuschlag bekommen sollte. „Aber nicht nur, weil er mit meiner Tochter verheiratet ist“, unterstreicht der 61-Jährige. „Hans-Jürgen hat schon während seines Studiums hier gearbeitet. Er kennt den Betrieb. Außerdem besitzt er als Jurist die Fähigkeit, sich auf komplexe Organisationen einzustellen – eine wesentliche Voraussetzung für einen Nachfolger.“
Im Folgenden wurde ein Übergabefahrplan erstellt. „Wir haben notariell festgelegt, dass ich noch zwei Jahre als Berater arbeite.“ In der geschäftlichen Praxis solle kein Bruch auftreten. „So läuft der Betrieb nach außen wie bisher. Intern kann zeitgleich Neues ausprobiert werden. Das letzte Wort hat aber schon jetzt mein Schwiegersohn.“ Die klare Kompetenzabgrenzung und Trennung von Privatem und Geschäftlichem sei Voraussetzung für eine gelungenen Stabwechsel.
So wurde auch die finanzielle Seite des Übergangs genau geplant. Schulze-Wechsungen: „Ein neutraler Wirtschaftsberater hat den Wert des Unternehmens anhand der Bilanzwerte vergangener Jahre berechnet. So hatten weder mein Schwiegersohn noch ich das Gefühl, benachteiligt zu werden.“ Gilgen finanzierte den Kauf mit Hilfe der Deutschen Ausgleichsbank (DtA). Zusätzlich zum Kaufpreis zahlt er an den Senior ein notariell festgelegtes Beraterhonorar und eine Rente.
Auch steuerliche Aspekte wurden von Junior und Senior beachtet. „Ein Berater hat uns Sparmöglichkeiten aufge-zeigt.“ So sei die bis zum Jahresende 1998 gültige Regel, nach der Veräußerungsgewinne bei über 55-Jährigen nur mit halbem Steuersatz herangezogen werden, genutzt worden. „Das war aber knapp“, so Gilgen. „Erst Silvesterabend haben wir den Vertrag beim Notar unterschrieben.“
Die vielen Abkommen schützen das Duo davor, bei einer Trübung der persönlichen Beziehung vor ungeklärten Verhältnissen zu stehen. „Trotzdem sind wir bemüht, Entscheidungen im Konsens zu treffen“, so Gilgen. „Und meist gelingt das.“ In Streitfällen werde lange diskutiert. „Am Ende lasse ich mich gerne überzeugen“, räumt der Senior ein. „Frisches Know-how ist gut für den Betrieb. Man muss für Neues offen sein.“
Schulze-Wechsungen und Gilgen haben im Rahmen der Übergabe Erfahrungen gesammelt, die anderen hilfreich sein können. Der Senior empfiehlt, Kunden und Lieferanten über den Stabwechsel zu informieren. Scheidende Chefs müssten in der Übergangsphase mit Mehrarbeit rechnen. „Die Entlastung setzt erst ein, wenn der Nachfolger voll eingearbeitet ist.“Auch die Familie müsse in die Übergabeüberlegungen eingeschlossen werden. Schließlich ändere sich der Tagesablauf radikal. „Man sollte Pläne für die Zeit nach der Übergabe haben.“
Gilgen rät zukünftigen Betriebsleitern, sich rechtzeitig um die Finanzierung des Kaufs zu bemühen. „Von der Beantragung bis zum Eintreffen der Fördermittel ist in meinem Fall etwa ein drei viertel Jahr vergangen.“ Außerdem solle kein Nachfolger annehmen, er könne sich entspannt in ein gemachtes Nest setzen. „Der Erfolg von heute ist nicht der Erfolg von morgen. Urlaub ist in den ersten Jahren nicht drin.“
Wenn die Geschäftsführung nicht innerhalb der Familie weitergereicht, sondern nach außen gegeben wird, spielen vertragliche Regelungen eine noch größere Rolle. Beim Übergang der Gleit-Technik System GmbH wurden neben Kaufpreis, Zahlungs- und Übergangszeitpunkt etliche weitere Punkte festgeschrieben. „Wir haben ein Rücktrittsrecht formuliert, Regelungen für den Fall möglicher Steuernachzahlungen getroffen, gegenseitige Gewährleistungsansprüche befristet, sämtliche Verpflichtungen und Dauerlasten der Gesellschaft aufgezählt sowie Vetretungsgebiete und Vertriebsstrukturen umschrieben“, erinnert sich Hansjürgen Rösch. Außerdem wurden Gehälter vereinbart für den Fall, das der Vorgänger über die Übergangsphase hinaus beratend tätig wird.
Rösch, der aus seinem früheren Beruf als Unternehmensberater häufige Fehler von Nachfolgern kennt, empfiehlt: „Für die Suche nach einem passenden Unternehmen sollte man viel Zeit einplanen. Die Chemie zwischen Senior, Junior und Belegschaft muss stimmen, der Nachfolger muss sich mit dem Betrieb identifizieren können, der finanzielle Rahmen muss für ihn tragbar sein.“ In seinem Fall habe sich der gesamte Prozess über Jahre hingezogen. „Dabei hatte ich noch den Vorteil, Märkte einschätzen, Bilanzen lesen und Steuerfragen im Ansatz beantworten zu können.“ Weniger „vorbelastete“ Nachfolgeaspiranten seien bei jedem Übernahmeangebot gut beraten, externe Finanz- und Rechtsexperten um Rat zu fragen. „Das kostet abermals viel Zeit.“
Ein besonderes Gewicht legt Rösch auf die Wahl der Hausbank. „Hier bin ich ein gebranntes Kind.“ Sein Kreditinstitut habe wenig Kenntnisse bei der Beantragung von DtA-Geldern gehabt. Die Mittel seien verspätet geflossen. „Dafür durfte ich dann Verzugszinsen zahlen.“ Sein Tipp: „Man sollte sich erkundigen, ob die Bank bereits Erfahrungen im Umgang mit öffentlichen Förderprogrammen hat.“ STEFAN ASCHE
Senior und Schwiegersohn, Volker Schulze-Wechsungen und Hans-Jürgen Gilgen, sind ein Herz und eine Seele. Trotzdem haben sie jeden Schritt bei der Übertragung der WSW Präzisionstechnik und Metallveredlung GmbH vertraglich fixiert.
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