„Unsere Arbeit ist gefährlich“
Sanierungsmanager. Im Gegensatz zu Unternehmensberatern, die es gerne bei Empfehlungen belassen, arbeiten die professionellen Nothelfer im operativen Geschäft mit.
Houston, wir haben ein Problem“, sagt der Astronaut James Lovell. Aufgeregt klingt seine Stimme nicht, er wirkt professionell – obwohl es um ihn herum kriselt: Die Energieversorgung fällt aus, ein Sauerstofftank explodiert.
Besonnen bleiben in größten Turbulenzen, diese Eigenschaft müssen auch Sanierer mitbringen. Wie Lovell mit seinem weltbekannten Notruf aus dem All vor 35 Jahren, muss, wer ein Unternehmen saniert, einen klaren Kopf bewahren. Denn auch Unternehmens-Krisen haben es in sich: „Wir werden meist zu spät alarmiert. Die Problemlage hat sich dann oft schon erheblich zugespitzt“, beschreibt Wolfgang Eckert, Sanierungsmanager mit Sitz in Bonn, die typischen Vorkommnisse. Geplatzte Kredite, wegbrechende Kunden, Alarm aus der Buchhaltung wegen Geldmangels – so sieht es häufig aus, wenn Eckert und seine Kollegen ihre Mission beginnen.
Wie bei Apollo 13 heißt es dann stets: Kein einfacher Job, er verlangt Nerven aus Stahl, weil der Absturz ins Nichts immer nah ist. „Die Arbeit ist gefährlich. Wie bei jedem Notfalleinsatz gibt es immer das Problem des Scheiterns“, sagt Lutz Mackebrandt von der CMS Unternehmensberatung, Berlin, seit 25 Jahren auf Sanierung spezialisiert. Weil die Projekte oft dringend sind, müssen Entscheidungen blitzartig gefällt werden. „Die Unsicherheit ist hoch. Mit diesem Risiko müssen wir umgehen können“, sagt Mackebrandt.
Zum Einsatz ruft häufig die Bank, die um ihr Geld fürchtet – manchmal sind es auch die Eigentümer, die ein marodes Unternehmen retten wollen. „Die handelnden Personen sind durch die Krise gelähmt“, umreißt Wolfgang Eckert die Lage, die er antrifft, wenn der Auftrag beginnt. Dann gilt es, das trudelnde Raumschiff wieder auf Kurs zu bringen. „Man muss sich schnell ein Bild machen können, was Sache ist. Für aufwändige Analysen hat man keine Zeit“, so der Bonner Rettungs-Manager. Deshalb gibt es in der ersten Runde oft das, was Beatrix Morath, Sanierungsberaterin bei Roland Berger in Zürich, als „Interview-Marathon“ bezeichnet: Die externen Helfer befragen die Hauptpersonen des Unternehmens, um den Überblick zu schaffen.
Dann, meist nur wenige Tage später, geht es schon an die Umsetzung. „Man darf keine Angst vor Entscheidungen haben“, benennt Eckert die Agenda.
Die Überlebensregel das Sanierers laute: Besser fünf Entscheidungen sofort fällen, zwei falsche in Kauf nehmen als warten, bis alles zu spät ist. „Schnell an den Schwachstellen ansetzen“, beschreibt Morath die nächsten Schritte.
Sanierer wie Eckert, Morath und Mackebrandt haben sich eine seltene Fähigkeit angeeignet: Schon im ersten Gespräch strahlen sie Vertrauen aus. Sie sind Typen, die Sicherheit verkörpern. Ohne dieses Talent geht es nicht – denn frustierte, aufgeriebene, orientierungslose Mitarbeiter wollen wieder in die Spur gebracht werden.
Deshalb packen die Sanierer meist gleich mit an. „Das unterscheidet uns von den normalen Unternehmensberatern, die nur Empfehlungen aussprechen und dann wieder gehen“, sagt Eckert. Der Nothelfer dagegen nimmt in vielen Fällen gleich selbst die Rolle des Geschäftsführers an – oder wirkt an entscheidender Stelle im operativen Geschäft mit. Betriebsteile stilllegen, Kunden beruhigen, gesunde Teile des Geschäfts beleben, unproduktive Mitarbeiter entlassen, all das gehört zu den Alltagsaufgaben. Projekte dauern drei bis neun Monate.
Jobsuche für Ingenieure
Diese Arbeit braucht Erfahrung. Zwar haben die meisten Sanierer einen Universitätsabschluss, aber die Berufspraxis verlangt noch deutlich mehr. „Nichts für Anfänger“, taxiert Rüdiger Pätzold von GPSB, einem Sanierungs-Dienstleister in Berlin, die Anforderungen. Fünf bis zehn Jahre Management-Erfahrung sind das Minimum, bevor der Einstieg in das Krisenhilfe-Geschäft möglich ist. „Betriebswirtschaftslehre, wie sie an den Hochschulen vermittelt wird, hilft nicht viel“, sagt Wolfgang Eckert mit Blick auf das nötige Wissen. Eine Bilanz auf Geschäftspotenziale und Schwachpunkte auswerten, so etwas lehre die Hochschule nicht, sondern erst die Praxis.
Überdies sollte der Sanierer ein dickes Fell haben. „Not aushalten, Konflikte austragen können“, berichten die Experten, seien unverzichtbare Eigenschaften, um in dem Job überleben zu können. Denn mitunter geht es auch aufs Ganze: „Wir müssen mit Erfolg wie Misserfolg leben“, sagt Sanierer Mackebrandt. Manchmal gelingt es auch nicht, ein Unternehmen wieder zum Gewinn zu führen. Starrsinniges, beratungsresistentes Management kann ebenso der Grund sein wie ein schrumpfender Markt. AXEL GLOGER