Ungeliebte Dossiers
Ordnung muss sein“, fordern die peniblen Verfechter wichtiger Sekundärtugenden. „Wer Ordnung hält, ist nur zu faul zum Suchen“, entgegnet das oberste Gebot der Schlamperten.
Ordnung muss sein“, fordern die peniblen Verfechter wichtiger Sekundärtugenden. „Wer Ordnung hält, ist nur zu faul zum Suchen“, entgegnet das oberste Gebot der Schlamperten. Gewissenhaftigkeit, so deren Argument, spiele sich im Kopfe ab und nicht in nervtötenden Formalien. Vor allem kreative Geister rechtfertigen somit gern die Vernachlässigung von Schreibtischarbeit. Auch Vorstände und Geschäftsführer kümmern sich lieber um die „große Linie“, als um lästigen Kleinkram, der nur kostet (Zeit) und nichts bringt (Geld). Verständlich. Doch ohne dieses Minimum an Bürokratie droht Unternehmen fortschreitende Desinformation. Gleichgültig, wie kreativ die Produktentwickler tüfteln, wie genial die strategischen Linien der Chefs auch seien: Ein gewisses Maß an Verwaltung ist selbst in den hippen „Dotcoms“ des Internetbusiness unerlässlich. Aber wie?
Vor allem technische Ausbildungen verlieren sich in Deutschland noch viel zu häufig im fachspezifischen Nirwana. „Wer will, der bekommt hier zwar solides Rüstzeug für seine Laufbahn als Ingenieur, doch komplementäre Bereiche des späteren Berufslebens finden auf den Stundenplänen in Uni oder FH zu selten statt“, kritisiert dazu Elektrotechnik-Student Marko Feldhoff die fehlende Vorbereitung auch auf die organisatorischen Seiten im späteren Job. Besonders gilt dies für den ungeliebten Part der Personalaktenführung. Denn gerade über Arbeitnehmer existiert eine Fülle sensibler Unterlagen: Lohnsteuerkarten, Beurteilungen, Bewerbungsmappen, Versicherungsnachweise. Nur mühsam bringen erfahrungsgemäß vor allem junge Selbständige aus Technik und IT-Berufen Verständnis für die rigiden gesetzlichen Anforderungen an Geheimhaltung und Datenschutz auf. So kommt es, dass vor allem im Personalbereich Unterlagen eher unstrukturiert gesammelt werden. Chefs führen ihre eigenen „Streng vertraulich“-Ordner mit Beurteilungen, Notizen über Gehaltserhöhungen, Arbeitsmoral und Krankheitstagen ihrer Schützlinge parallel zur ursprünglich damit beauftragen Abteilung.
Kommt dann noch die EDV als „modernes Sicherungsinstrument“ hinzu, wird das Ideal einer professionell geführten Personalakte endgültig zur Farce. „Eine solche Zersplitterung führt zu praktischen Problemen, ist kostenintensiv und zudem auch juristisch höchst bedenklich“, mahnt der Frankfurter Unternehmensberater Wolfgang Braun. Sein trübes Fazit: ein gravierendes Informationsdefizit im Unternehmen. Besonders kritisch wird die Lage vor allem dann, wenn im Rahmen eines Vorgesetztenwechsels wichtige Notizen aus einer „parallelen Personalakte“ des Vorgängers den Schreibtisch seines Nachfolgers nicht erreichen. Ein wenig konstruktives Szenario für folgende Mitarbeitergespräche. Wolfgang Braun fragt: „Wie soll der neue Chef sein Team ohne zuverlässige Vorab-Informationen schon nach kurzer Zeit richtig einschätzen und motivieren können?“
Vollmundig preist die Software-Branche ihre elektronischen Hilfen, die das Verwalten von Mitarbeiter-Daten effizienter gestalten sollen. Doch das Echo auf die technischen Segnungen ist bisher eher verhalten. Eine Studie der Hamburger „BSU Unternehmensberatung“ kommt zu dem Ergebnis, dass bislang gerade einmal 10 % der deutschen Personalleiter Erfahrungen mit digitalen Personalakten gesammelt haben. 500 Verantwortliche aus Mittelstands- und Großunternehmen wurden im Rahmen der Erhebung nach ihren Auffassungen zu diesem Thema befragt. Immerhin jeder Dritte gab dabei an, dass ihn die Umstellung auf EDV zumindest interessiere. Doch: Mehr als 30 % der Personaler planen die Zukunft trotzdem ohne den Einsatz elektronischer Archivierung. Und das, obwohl im alltäglich manuellen Umgang mit Personalakten über fehlende Transparenz, Unvollständigkeit und zu aufwendige Ablageroutine geklagt wird. Erst 4 % aller untersuchten Personalbereiche nutzen heute EDV-gestützte Akten und nur weitere 7 % befinden sich derzeit im Projektstadium.
Doch die Liebe deutscher Personalprofis zu Hängeregistratur und Leitz-Ordner speist sich weniger aus Nostalgie, als vielmehr aus Praktikabilität. „Die elektronische Personalakte ist der gleiche Rohrkrepierer wie das Gerede vom papierlosen Schreibtisch“, ärgert sich zum Beispiel Eddie Schnürer, Geschäftsführer des mittelständischen Kfz-Zulieferers „Twin Tec“ aus Siegburg. Unterm Strich, so sein vernichtendes Urteil, sei die digitale Archivierung zumindest für seinen Betrieb zeitaufwendiger, umständlicher, weniger praxisgerecht und somit schlicht zu teuer. Zudem bleibe beim EDV-Umstieg stets auch die bis heute ungeklärte Frage: Wohin mit den Originaldokumenten? Die kühne Behauptung, schon eine digitale Verwaltung allein helfe die Ordnung in der Personalakte zu optimieren, hält nicht nur Schnürer für Unsinn. Unternehmensberater Braun sekundiert: „Wenn jemand schludrig und verantwortungslos mit wichtigen Dokumenten umgeht, dann ist egal, in welcher Peripherie er dies tut.“ Sein Fazit: „Unordnung gibt es schließlich auch digital.“
Daher steht und fällt das Handling im Einzelfall mit dem Problembewusstsein im Unternehmen selber. Doch was die Wenigsten wissen: Eine sorgfältig geführte Personalakte ist im Grunde schon deshalb zwingend geboten, weil Mitarbeiter jederzeit ein Recht auf Einsicht haben. „Und auch das Recht zur Korrektur“, ergänzt dazu der Frankfurter Unternehmensberater. „Gegendarstellungen zu ungerechtfertigten Beurteilungen dürfen Mitarbeiter selbst anfertigen und deren Aufnahme in die Akte verlangen“, informiert er weiter. Selbst dann, wenn der Arbeitgeber diesen Inhalt für grundfalsch halte. Ebenfalls haben nur Vorgänge in der Personalakte etwas zu suchen, die dem Beschäftigten auch selbst bekannt sind. Eine wahre Fülle fachfremden Wissens, vor dem viele Nicht-Kaufleute häufig kapitulieren – und dann im organisatorischen Chaos versinken. Wohl dem, der die viel zitierte „Perle“ im Betrieb hat, die sich mit Akribie um diese Dinge kümmert. „Doch die“, bremst Experte Braun aufkeimende Euphorie, „ist manchmal noch schwerer zu finden, als verschluderte Personalaktenstücke.“ CHRISTOF SCHÖSSLER
Die zehn Gebote
Das gehört in eine Personalakte
In die Personalakte gehören der Personalstammbogen, Korrespondenz(en) mit dem Mitarbeiter, Beurteilungen, Zeugnisse, Lebenslauf und Lichtbild. In den meisten Fällen enthält sie auch den Bewerbungsfragebogen, Tests sowie Notizen über Berufs- und Arbeitsauffassung und Krankheits- und Urlaubsverhalten.
- Das Unternehmen muss alle Mitarbeiter darüber informieren, wo und wann sie Einsicht in ihre Personalakte nehmen können (Sprechstundenzeiten). Ein vorgeschriebener Zeitrahmen (feste Tageszeiten, Drei-Monats-Rhythmus, o.ä.) besteht nicht und ist der Praxis der Unternehmen überlassen.
- Nur wenn aus zwingenden Gründen nicht anders möglich, ist die Auslagerung von Teilen der einheitlichen Personalakte gestattet. Etwa bei externer Lohn- und Gehaltsabrechnung. Allerdings gehört in die Personalakte dann ein Vermerk, zum Beispiel: „Lohnsteuerkarte bei Steuerberater“.
- Einblick in die Personalakte haben: Firmeninhaber, Geschäftsführer, direkte Vorgesetzte. Arbeitskollegen und/oder Mitarbeiter fremder Abteilungen (auch leitende) haben keinen Einblick.
- Die Personalabteilung muss jederzeit in der Lage sein, Führungskräften Zusammenstellungen aus Personalakten zur Verfügung zu stellen.
- Neben- oder Schattenakten als „inoffizielle“ Personalakten sind irreführend.
- Offizielle „Zweitakten“ müssen von allen Beteiligten (auch Arbeitnehmern und gegebenenfalls Betriebsrat) gestattet werden.
- Geheimakten sind rechtlich unzulässig.
- Alle negativen Daten und Informationen sind nach einem Zeitraum von spätestens fünf Jahren aus der Personalakte zu entfernen.
- Das unbefugte Entfernen von Teilen der Personalakte ist verboten. Über die Herausnahme einzelner Positionen sind stets alle Parteien zu informieren.
CS
Definition
Unklarer Begriff
Der gesetzliche Begriff der Personalakte ist relativ weit gefasst. Demnach ist sie eine Sammlung schriftlicher Unterlagen von und über einen bestimmten Mitarbeiter. Nicht direkt vorgeschrieben ist die Form, das Material oder der Ort im Unternehmen, an dem die Dokumente aufbewahrt werden sollten. Zum definierten Begriff der „Personalakte“ gehören demnach beispielsweise auch Mikrofichefilme, Karteien, Disketten oder CD-ROMs. CS
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