„Olympia – Chance ersten Grades“
VDI nachrichten, Düsseldorf, 25. 4. 08, ws – Die Sponsoren-Verträge wurden vor Jahren abgeschlossen, die Vorbereitungen für Olympia laufen auf Hochtouren. Die Gelegenheit, den asiatischen Markt zu erschließen, will sich kein kooperierendes Unternehmen entgehen lassen – trotz öffentlichen Drucks, in der Tibet-Frage Einfluss zu nehmen.
Marketingexperten schätzen die Chancen für einen Ausstieg ohnehin gering. „Solange nicht mehrere Nationen die Spiele boykottieren, wird kein Sponsor abspringen“, meint Bernd M. Michael, langjähriger Chairman der Werbeagentur Grey. Er rät den Unternehmen, sich nicht von der derzeitigen „Hysterie der Presse“, wie er es nennt, anstecken zu lassen und Kurs zu halten: „Die Olympischen Spiele bieten die Möglichkeit, den asiatischen Markt zu erschließen – das ist eine wirtschaftliche Gelegenheit ersten Grades.“
Zumal die Sponsoren wohl allein schon aus rechtlichen Gründen dabei bleiben müssen – allen Tibet-Unruhen zum Trotz. „Es wird wahrscheinlich keine Ausstiegsklausel in den Verträgen geben, die sich auf diesen Fall beziehen“, erklärt Thomas Röttgermann, Geschäftsführer der Agentur Sportfive, Hamburg, die unter anderem mehrere Fußball-Bundesligisten vermarktet.
Alle Sponsoren hätten von Beginn an gewusst, dass die Volksrepublik keine Demokratie sei. Der Marketingprofi weist außerdem auf die Folgen eines Ausstiegs hin. „Die Olympia-Kampagnen der Sponsoren laufen zum Teil schon seit Jahren“, betont Röttgermann. Die Entscheidung, einen solchen fahrenden Zug zu stoppen, würde sich kein Unternehmen leicht machen.
Aber was ist, wenn die Konsumenten streiken und angesichts von Protestdemonstrationen die Werbepartner des IOC boykottieren? Marketing-Veteran Michael hält das für unwahrscheinlich: „Schauen Sie sich den Fall Nokia an: Nach der Werksschließung in Bochum ist der Telefonabsatz vielleicht um 0,0002 % zurückgegangen – und das waren nur die Telefone der Politiker!“
Eine harte Tonart gegenüber den Chinesen könnte „unangenehme Gegenreaktionen“ zur Folge haben, warnt Hannes Hesse, Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau. Schließlich ist China für den Maschinenbau der zweitgrößte Markt weltweit. Die Olympia-Regelung, nach der China nur noch Visa für höchstens 40 Tage vergibt, könnte der Branche wehtun, so Hesse. Um eine Montagelinie aufzubauen, seien 60 Tage nötig.
Auch die deutschen Autobauer wollen es sich mit dem dynamischsten Markt der Welt nicht verscherzen. VW-Chef Martin Winterkorn, dessen Konzern als einer der Hauptsponsoren für die Spiele mehr als 5000 Fahrzeuge stellt, mahnte seine chinesischen Partner auf der Automesse in Peking vor wenigen Tagen immerhin, die Olympischen Spiele „für Frieden, Dialog und Völkerverständigung“ zu nutzen. 2008 will VW die Absatzmarke von 1 Mio. Fahrzeugen in China knacken, jüngst wurde dort das vierte VW-Werk eröffnet. CONSTANTIN GILLIES/ws