Mittelständler werfen Konzernen Gewinnmaximierung vor
VDI nachrichten, Frankfurt, 2. 10. 08, ps – Spitzenmanager und Großunternehmen stehen seit Jahren im Kreuzfeuer der öffentlichen Kritik. Auch vielen Mittelständlern geht manches im Geschäftsgebaren der Konzerne gegen den Strich. Das hat jetzt die Commerzbank herausgefunden, die Verantwortliche in über 4000 kleinen und mittleren Firmen befragen ließ.
Aus Sicht der Mittelständler haben fast alle wirtschaftlichen und politischen Akteure in Deutschland in den vergangenen Jahren an Vertrauen verloren. Besonders gilt dies für Großunternehmen und ihre Führungskräfte. Auch Banken und Sparkassen sind aus Sicht der Mittelständler vom Vertrauensverlust betroffen – Gewerkschaften und Medien dagegen nur in geringerem Maße.
„Die Wirtschaft zeigt sich verunsichert, registriert einen deutlichen Vertrauensverlust und sieht das Verhältnis zwischen Firmenmanagern und Öffentlichkeit gefährdet. Die Ursachen werden auch im eigenen Lager lokalisiert“, kommentiert Commerzbank-Vorstand Markus Beumer die Ergebnisse der Mittelstandsbefragung.
Fast drei Viertel der Befragten schreiben der Politik ein Glaubwürdigkeitsdefizit zu. Dagegen können sich nur wenige Mittelständler vorstellen, dass die Menschen auch mittelständischen Unternehmen gegenüber skeptisch sind.
Besonders dringlich erscheint Mittelständlern eine stärkere Präsenz in den Medien. Diese sollten häufiger über den Mittelstand berichten, damit seine Leistungen in der öffentlichen Wahrnehmung besser zur Geltung kommen.
Als wesentliche Ursache der Vertrauenskrise sehen 92 % der Befragten das von den Konzernen verfolgte Prinzip kurzfristiger Gewinnmaximierung. Mehr als drei Viertel der Befragten bemängeln, dass von den Unterneh- mensgewinnen bei den Mitarbeitern zu wenig ankommt.
Die Mittelständler fordern, den „klassischen“ Tugenden, wie Verlässlichkeit, Leistungsbereitschaft, fachliche Kompetenz, Weitsicht und Fairness, stärkere Beachtung zu schenken. Ältere und jüngere Unternehmer messen diesen Prinzipien vergleichbare Priorität bei. Es komme auf die Unternehmerpersönlichkeit an, die diese Werte lebt und mit ihrem Vorbild die Kultur des Unternehmens präge.
Dies gilt nach der Umfrage ebenfalls für die wachsende Zahl managementgeführter Betriebe. Bereits heute wird dem angestellten Manager insgesamt eine hohe persönliche Bindung an das Unternehmen und eine starke Vorbildfunktion attestiert.
Im Wandel befinden sich Wertekanon und Führungsstil: Ältere Unternehmer besitzen ein hohes Wertebewusstsein und sind von Tradition, regionalen Bezügen und christlichen Grundwerten geprägt. Jüngere Unternehmer versuchen häufiger, die unternehmerische Reputation zu steuern und das Ansehen des Unternehmens durch eigenes glaubwürdiges Handeln sowie Sensibilität für öffentliche Belange zu steigern.
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Immer wichtiger werde die Mitarbeiterorientierung, betont Peter Letmathe von der Universität Siegen, der die Studie betreut hat. Dabei gehe es in erster Linie darum, das Wissen aller Mitarbeiter zu nutzen. „Im heutigen Wettbewerb ist Wissen eine ganz wesentliche Ressource – nicht nur auf der Führungsebene“, so der Forscher.
Der Wechsel an der Spitze und das Thema Nachfolge haben für mittelständische Unternehmen einen herausragenden Stellenwert. Die Studie der Commerzbanker zeigt, dass nahezu die Hälfte aller befragten Unternehmen kurz- und mittelfristig die Führung an einen Nachfolger übergeben muss.
Zwei Drittel der Befragten sehen als Folge tief greifende Veränderungen für den Unternehmenscharakter. Das Problem der Nachfolge rangiert für mittelständische Unternehmer vor Faktoren wie wirtschaftliche Engpässe und Krisen.
Bemängelt wird, dass es potenziellen Nachfolgern an notwendigen unternehmerischen Tugenden mangelt. Gut die Hälfte der mittelständischen Unternehmen leidet darunter, für kompetente Bewerber nicht hinreichend attraktiv zu sein.
Der Umfrage zufolge erfolgt die Suche nach einem geeigneten Nachfolger meist intern. Die familieninterne Nachfolge ist heute bei Familienunternehmen aber kein Automatismus mehr. Fehlt es an geeigneten Kandidaten aus der Unternehmerfamilie, werden oft Mitarbeiter aus dem Unternehmen in Betracht gezogen.
Allerdings sinkt die Hoffnung auf eine geordnete Nachfolgeregelung je konkreter der Generationswechsel wird. Verkaufen wollen Unternehmer ihren Betrieb dagegen nur selten. Veräußerungsstrategien werden erst dann in Erwägung gezogen, wenn alle anderen Optionen unwahrscheinlich werden. DIETER W. HEUMANN/ps