Manager – bekannt wie Hollywood-Stars
Die Zeiten, als allein die Qualität der Produkte für Absatz sorgte, sind vorbei. Um am Markt erfolgreich zu sein, werden auch deutsche Unternehmer zu Entertainern.
Millionen Amerikaner kennen Al Dunlap als Sanierer. Er ist alle drei bis fünf Jahre im Vorstand eines anderen Unternehmens zu finden. Dort wendet der Amerikaner seine bewährten Kenntnisse an. Die Erfolge bei scheinbar aussichtslosen Fällen haben ihm einen Spitznamen eingetragen: „Chainsaw Al“, der Vorstand mit der Kettensäge. So nennt die US-Öffentlichkeit einen ihrer bekanntesten Unternehmensleiter.
Vorstände stehen heute im Rampenlicht, ihre Namen werden gehandelt wie die von Filmstars. Chainsaw Al eilt der Ruf des Erfolgsmannes so weit voraus, daß die Kurse schon steigen, wenn bekannt wird, daß er sich einem neuen Fall widmet. Michael Eisner, Chef von Walt Disney, ist in der Business Community bekannter als Michael Douglas. Das Gesicht von Jack Welch, General Electric, kennen in der Geschäftswelt mehr Menschen als das von Jack Lemmon.
Unternehmenschefs als Berühmtheiten – das ist der neue Trend. In den USA heißt der neue Typ Spitzenmanager „Celebrity CEO“. Und auch auf dem Alten Kontinent wird kräftig mitgemischt bei dem Streben, Firmenlenker auf die vorderen Plätze der Bekanntheitsskala zu bringen. Weit über die Grenzen der britischen Insel hinaus bekannt ist Richard Branson. Er ist einer der reichsten Männer des Landes. Ihm gehören große Teile eines Firmenimperiums, das auf den Vornamen Virgin hört. So gibt es unter anderem Virgin Atlantic (Fluglinie), Virgin Cola (Limonade) und Virgin Records (Musikverlage). Branson versteht es wie kein Zweiter, sich in Szene zu setzen. Mal fliegt er mit einem Luftschiff ein, um seine neue Brause zu präsentieren. Mal verkleidet er sich als Pirat, um vor laufenden Kameras das Flugzeug einer Konkurrenzfirma zu entern. Sex sells, diese bekannte Marketingweisheit hat er bis zum Anschlag ausgereizt: Um seine Fluglinie in die Presse zu bringen, ließ er sich nackt, nur mit einem kleinen Handtuch bedeckt, in Gesellschaft seiner Stewardessen ablichten. Um seine Autobiographie (Business ist wie Rock´n Roll, Campus 1999, 480 Seiten, 58 DM) unter die Leute zu bringen, stellte er sich im Adamskostüm vor die Kamera. Vor seine Intimzone hielt er das Buch mit dem roten Cover.
In Deutschland haben die Wirtschaftler den Nadelstreifen noch nicht ausgezogen. Aber die Business-Celebrities sind nicht minder aktiv. Kein großer Wirtschaftskongreß, auf dem Lothar Späth nicht schon gesprochen hätte. Der nimmermüde Vorstandschef der Jenoptik AG läßt kaum eine Gelegenheit aus, sich der Öffentlichkeit zu zeigen. Beim German Business Dialogue etwa gehört er schon zu den Stammgästen, das fernsehende Publikum beehrt er per Talkshow mit dem sinnigen Titel „Späth am Abend“. Wie andere Berühmtheiten ist er Buchautor (zusammen mit dem früheren Chef der McKinsey-Unternehmensberatung, Herbert Henzler, Titel: Die zweite Wende. Wie Deutschland es schaffen wird, Beltz Quadriga 1998, 306 Seiten, 39,80 DM), und seine kurzweiligen, provokanten Reden sind als Cassette zu bekommen. Selbstredend, daß Redner Späth Träger des renommierten Cicero-Rednerpreises ist.
Nach dem Grundmuster Späth arbeitet auch Gerhard Schmid, Vorstandschef der Mobilcom AG. Zwar hat er noch keinen Privatsender für seine persönliche Schmid-Show verpflichten können – doch die wichtigsten kleinen und großen Wirtschaftsanlässe hat er alle schon abgeklappert. Er erzählt seine Geschichte vor Venture-Kapitalisten im Dresdner Taschenbergpalais, vor Top-Managern auf dem Petersberg bei Bonn oder auf einer der zahlreichen Konferenzen kommerzieller Veranstalter. In den Sendungen des Wirtschafts-TV ist er ein gerngesehener Interviewpartner.
Auch Nicolas Hayek macht seine Sache in der Öffentlichkeit gut. Der Chef des Schweizer Konzerns SMH kapitalisiert seine Aura. Wenn er irgendwo auftaucht, spürt sofort jeder: Das ist einer, der etwas zu sagen hat. Eine Gabe, die auch Helmut Maucher (ehemals bei Nestlé) und Helmut Kohl (Ex-Bundeskanzler) zugeschrieben wird. Die Einweihung der Smart-Fabrik im französischen Hambach machte der gebürtige Libanese zu seinem Fest. Der Smart-Miterfinder im grüngrauen Anzug und Flanellhemd konnte mit seiner Rede den meisten Applaus einheimsen. Gegen seine mit Witz, Charme und Persönlichem gewürzte Vorstellung fielen die Reden von Jürgen Schrempp (Daimler) und Jürgen Hubbert (Daimler) als blasse Manager-Dutzendreden ab. Gefühlsmensch Hayek bekam als einziger Wirtschaftler Szenenapplaus.
Warum ist eine ehedem durch Zurückhaltung beschriebene Spezies plötzlich süchtig nach der Bühne? Wie immer steckt dahinter Berechnung. Mobilcom-Chef Gerhard Schmid etwa tritt auf, um der Börse regelmäßig ihren Stoff zu geben. Regelmäßig setzt er sich am Sonntag hin, um die Montagsbörse mit guten Auftaktnachrichten zu füttern. Mitunter wird dann schon einmal bis zum Wochenende gewartet, um positive Unternehmensnachrichten zu streuen. Die Devise des Celebrity-CEO: Wenn die Börse keine positiven Nachrichten hat, dann machen wir eben welche.
Wenn ein Vorstand in die erste Reihe treten will, steckt dahinter immer der Wunsch, Vertrauen aufzubauen. Die Produkte der Jenoptik AG sind nur in Fachkreisen bekannt. Dennoch braucht das Unternehmen Image: Der agile Lothar Späth ist die personifizierte Investor-Relations-Abteilung. Er macht durch seine Auftritte gut Wetter bei den Anlegern. Außerdem können Vertrauenspersonen an der Spitze auch meinungsbildend gegenüber künftigen Mitarbeitern sein. Jedes Unternehmen, das durch seinen Chef zu Ruhm gelangt ist, hat es leichter, neue Führungskräfte zu gewinnen. Besonders engagiert sind die, die unsichtbare Leistungen verkaufen. Die Chefs der größten Unternehmensberatungen geben sich an den deutschen Hochschulen die Klinke in die Hand, um Nachwuchskräfte zu werben.
Wie groß die vertrauensbildende Kraft eines Vorstandes sein kann, zeigt das Beispiel von Richard Branson. Sein Ruf als Unternehmer, der zu Vermögen gelangt ist, überlagert sein ganzes Firmenimperium. Es ist bis heute unklar geblieben, ob Bransons Unternehmen ebenso erfolgreich sind wie seine Selbstdarstellung. Keine seiner Firmen veröffentlicht Jahresabschlüsse, ab und an wird ein Flop bekannt, der schnell repariert wird. Die Firmenflotte ist nicht transparent, chronisch unterfinanziert und die Geschäftszweige ergänzen sich nicht.
Auch die Aura von Edzard Reuter bewirkte, daß Fehlleistungen übersehen wurden. In seiner Zeit als Vorstandsvorsitzender der Daimler Benz AG zählte Reuter zur Riege der unangefochtenen Wirtschaftskräfte in Deutschland. Erst gegen Ende seiner Amtszeit sahen einige Experten genauer hin, auch hinter die Kulissen seines Unternehmens. Es stellte sich heraus, daß seine Vision vom integrierten Technologiekonzern den Bach herunter gegangen war. In der von Reuter zusammengebauten Form war das Unternehmen nicht überlebensfähig, so daß Nachfolger Jürgen Schrempp alle Hände voll zu tun hatte, Daimler wieder auf Kurs zu bringen. Mit Erfolg, freilich ohne den Fehler zu machen, den sein Vorgänger beging. Schrempp ist mehr als er scheint.
AXEL GLOGER
Mit Sex verkauft der tüchtige Geschäftsmann nahezu alles, sagt sich Richard Branson. Eine Devise, die den Briten zu einem der reichsten Männer des Landes machte.
Wenn es das Geschäft erfordert, tauscht Lothar Späth den Zweireiher auch mit dem Kilt.
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