Insolvenz: Unternehmen können auf die Auswahl des Sanierers Einfluss nehmen
Das deutsche Insolvenzrecht setzt auf Sanierung, wo immer sie möglich erscheint. Ob die Rettung gelingt, hängt nicht zuletzt vom Können des Insolvenzverwalters ab. Was wenige wissen: Wer eine Insolvenz befürchtet, kann auf die Wahl des Verwalters Einfluss nehmen. Wie das geht, erläutert im Folgenden der Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter Andreas Amelung, Partner der Kanzlei Amelung, Brüning, Werner. VDI nachrichten, Düsseldorf, 14. 8. 09, ps
Das Insolvenzverfahren eröffnet Unternehmen eine zweite Chance durch die Sanierung mit einem Insolvenzplan oder die verbreitete übertragende Sanierung. Es befreit das operative Geschäft zunächst von alten Verbindlichkeiten und bietet viele zusätzliche Möglichkeiten für eine Restrukturierung. So können beispielsweise langfristige Pacht- oder Leasingverträge kurzfristig beendet und Arbeitnehmer leichter freigestellt werden.
Bei der Sanierung mit einem Insolvenzplan schafft das Insolvenzverfahren einen besseren Verhandlungsrahmen. In jedem Fall ist es wichtig, ein Insolvenzverfahren frühzeitig in Betracht zu ziehen, um möglichst viele Gestaltungsmöglichkeiten für eine Fortführung oder einen Neustart nutzbar zu machen.
Insolvenzverfahren werden auf Antrag bei dem Insolvenzgericht eröffnet, in dessen Bezirk das Unternehmen seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Antragsberechtigt sind das Unternehmen und seine Gläubiger. Nach Feststellung der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung (siehe Kasten) hat die Geschäftsleitung einer AG, GmbH oder GmbH & Co. KG maximal drei Wochen Zeit für den Antrag andernfalls macht sie sich strafbar und haftet persönlich.
Einen TÜV für Insolvenzverwalter gibt es noch nicht
Das Gericht benötigt Unterlagen, die die Situation des Unternehmens präzise wiedergeben. Dazu gehören unter anderem ein Vermögensverzeichnis mit einer Gegenüberstellung von Aktiva und Passiva, die genaue Auflistung aller Forderungen und Verbindlichkeiten sowie ein Gläubiger- und Schuldnerverzeichnis mit aktuellen Anschriften.
Die Frage, ob ein Insolvenzgrund vorliegt, wird dann noch einmal von einem Sachverständigen geprüft, der in der Regel auch der vorläufige Insolvenzverwalter ist.
Während der Geschäftsbetrieb weiter läuft, bestellt das Gericht zur Sicherung des vorhandenen Vermögens einen vorläufigen Insolvenzverwalter, der in der Regel mit Verfahrenseröffnung zum endgültigen Insolvenzverwalter ernannt wird. Die Gläubigerversammlung kann später zwar einen anderen Verwalter wählen, was aber die absolute Ausnahme darstellt.
Jedes der rund 180 deutschen Insolvenzgerichte arbeitet in der Regel mit einem festen Kreis von lokalen Insolvenzverwaltern zusammen, die auf einer Vorauswahlliste erfasst sind. Diese Listen sind nicht öffentlich zugängig.
Bei Vorschlägen des Schuldners kann im Einzelfall auch ein externer Verwalter bestellt werden, wenn dies sinnvoll erscheint. Wer im Falle der Insolvenz die Wahl des Verwalters beeinflussen möchte, sollte wissen: Eine wichtige Voraussetzung für die Bestellung eines Verwalters ist seine Unabhängigkeit. Das heißt, dass er das Unternehmen oder größere Gläubiger nicht bereits in der Krise beraten hat oder am Unternehmen beteiligt ist.
Früher wurde Vorschlägen der Unternehmensleitung nur selten gefolgt, da Mauscheleien befürchtet wurden. Heute hat sich die Vorstellung vieler Gerichte jedoch gewandelt. Anregungen werden durchaus akzeptiert, um die notwendige Kooperation zwischen Unternehmensleitung und Insolvenzverwalter zu fördern.
Ein Vorschlag ist dabei um so aussichtsreicher, je mehr der beteiligten Parteien ihn unterstützen. Zu empfehlen ist also ein gemeinsamer Vorschlag von Geschäftsleitung, Arbeitnehmervertretern oder einzelnen Gläubigern. Ein Vorschlag kann grundsätzlich ohne große Formalitäten eingereicht werden, etwa durch ein gemeinsames Schreiben aller Beteiligten.
Doch wie findet der Unternehmer einen geeigneten Sanierer? Bundesweit gibt es rund 2000 Insolvenzverwalter. Formale Anforderungen hinsichtlich Berufsausbildung oder Studium existieren nicht. Faktisch sind Erfahrung in der Abwicklung von Insolvenzverfahren, fundierte betriebswirtschaftliche Kenntnisse und juristische Kenntnisse gefragt.
Dass die meisten Insolvenzverwalter Juristen sind, liegt daran, dass eine Durchführung des Insolvenzverfahrens nicht ohne genaue Kenntnis der vielen juristischen Fallstricke möglich ist. Die betriebswirtschaftliche Erfahrung wird aber immer entscheidender, da die Sanierung und Fortführung von Unternehmen an Bedeutung gewonnen hat.
Einen Insolvenzverwalter-TÜV gibt es derzeit noch nicht, auch wenn derzeit verschiedene Ansätze zur besseren Auswahl der Verwalter diskutiert werden. Unternehmer, die vor einer Insolvenz stehen und im Vorfeld einen geeigneten Insolvenzverwalter suchen, sind am besten beraten, wenn sie einer qualifizierten Empfehlung folgen. Helfen kann dabei die Anfrage bei einem Anwalt oder auch bei Unternehmensberatungen, die auf Sanierung und Restrukturierung spezialisiert sind.
Einen ersten Anhaltspunkt für die Qualität eines Insolvenzverwalters bietet aber auch die Zertifizierung nach DIN 9001/ EN ISO 9001/2000. Der Verband der Insolvenzverwalter Deutschlands (VID) verpflichtet seine Mitglieder bis Ende 2011 dazu.
ANDREAS AMELUNG
Der Autor ist Partner der Kölner Kanzlei Amelung, Brüning, Werner und Mitglied der Insolgroup, eines Netzwerks professioneller Insolvenzverwalter.
Juristischer Hintergrund: Wann ist ein Unternehmen insolvent?
Ein Unternehmen ist insolvent, wenn seine liquiden Mittel für die Begleichung aller fälligen Verpflichtungen nicht ausreichen. Die Geschäftsleitung hat dann drei Wochen Zeit, um Vermögen zu verkaufen, Stundungen bzw. neue Kredite zu verhandeln.
Auch bei Überschuldung ist der Geschäftsführer zu einem sofortigen Insolvenzantrag verpflichtet. Die Überschuldung ist heimtückisch, da sie sich oft lange nicht bemerkbar macht. Es kommt vor, dass Unternehmen jahrelang im insolvenzrechtlichen Sinn überschuldet sind, bevor sie zahlungsunfähig werden und Insolvenz beantragen.
Wichtig ist deshalb die rechtzeitige Diagnose: Wenn die Handelsbilanz einen Fehlbetrag ausweist, der nicht durch Eigenkapital gedeckt ist (bilanzielle Überschuldung), ist dies auch ein erstes Anzeichen für eine Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinn.
Seit Herbst 2008 gilt Überschuldung dann nicht mehr als Insolvenzgrund, wenn eine positive Fortführungsprognose besteht. Doch auch hier darf man nicht leichtfertig auf einen Insolvenzantrag verzichten die Prognose hat klare Anforderungen. Bei bilanzieller Überschuldung sollte ein Unternehmensleiter sich an einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer wenden und eine Fortführungsprognose im Hinblick auf die Insolvenzantragspflicht erstellen lassen. am
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