Im lernenden Unternehmen wird gefragt: „Was hindert uns daran, erfolgreich zu sein“
Neue Gestaltungswege öffnet Uwe Loos, wenn er Unternehmen restrukturiert. Der mehrfach erfolgreiche Teilnehmer am Wettbewerb „Fabrik des Jahres“ bringt jetzt als Vorstandsvorsitzender der FAG Kugelfischer Georg Schäfer AG, Schweinfurt, Lern- und Verbesserungsprozesse ins Rollen; im Folgenden sein Erfahrungsbericht
Brutaler Preiskampf bei Wälzlagern, der teure Standort Deutschland, steigende Kundenanforderungen, ein laufend sich wandelnder Weltmarkt: Wie behauptet sich ein Produktionsunternehmen in diesem turbulenten Umfeld? Wie können bislang versteckte Ressourcen in einem Großkonzern erschlossen werden, dessen Mitarbeiterzahl in der 1993er Maschinenbaukrise von 30 800 auf 16 000 schrumpfen mußte?
Heute ist FAG zwar saniert, bedarf aber aufgrund des dynamischen Marktes ständiger Restrukturierung. Klagen über den Standort Deutschland helfen dabei nicht weiter. Weder der rigide Arbeitsmarkt noch das verkrustete Sozialsystem in Deutschland können von einem einzelnen Unternehmen geändert werden. Doch die eigene Firmenkultur kann das Management sehr wohl dramatisch und – vor allem – schnell ändern.
Auch dabei nur Schuldzuweisungen zu formulieren erhöht nicht gerade die Arbeitsfreude. Und mit reinem Kostensenken ist die Aufgabe nicht zu lösen. Dieser Druck erzeugt vor allem Angst und Pessimismus. Die mittelfristige Folge: Leistungsträger, junge und talentierte Mitarbeiter, verlassen das Unternehmen, schwächere Kollegen bleiben – eine Spirale nach unten.
Der Weg zum Erfolg sieht anders aus: Wir bei FAG haben den Mitarbeiter zum wichtigsten Promotor der Wertschöpfung und Innovation im Unternehmen ernannt. Geld ist dabei nicht der entscheidende Faktor, Kompetenz und Wissen sowie Lernen sind die wertvollsten Anreize, die wir unseren Mitarbeitern bieten können. Denn dieses Lernen schützt sie davor, daß ihre beruflichen Fähigkeiten veralten, und sichert dauerhafte Beschäftigung. Lernen ist eine Investition mit einem hohen Return-on-Investment: Das Unternehmen wird schneller, dynamischer, innovativer.
Im Herbst 1998 haben wir deshalb konzernweit mit dem kontinuierlichen Verbesserungsprozeß CIP (Continuous Improvement Process) begonnen. Die CIP-Kultur basiert auf einem dauerhaften, selbsttragenden Lern- und Verbesserungsprozeß. Ziele, Maßnahmen und Ergebnisse werden in allen Produktbereichen und Abteilungen auf Tafeln visualisiert.
Die Ergebnisse sind meßbar: In den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres 1999 hat sich die Anzahl der eingereichten Ideen und Verbesserungsvorschläge gegenüber dem Vorjahreszeitraum verzehnfacht. Wohlgemerkt: Die Mannschaft ist dieselbe. Die erste Meßlatte – pro Mitarbeiter und Monat ein Verbesserungsvorschlag – haben wir bereits übersprungen. Die Einsparungen – nur eines von 35 CIP-Kriterien – liegen im zweistelligen Millionenbereich.
Eine Hochleistungsorganisation will sich dabei bewußt an den Besten messen Beispiel Rüstzeit: FAG hat im Werk Schwein–furt eine Schmiedepresse in Betrieb, auf der Flanschlager-Rohlinge für den Automobilbereich gefertigt werden. Bei Toyota im Werk Honsha/Japan steht die gleiche Anlage AMP 70 von Hatebur die Rüstzeit dort beträgt 30 min. Bei FAG sind es derzeit noch 75 min. Unser Ziel in Schweinfurt: 25 min. Wenn wir das erreicht haben, suchen wir uns ein neues „Best Practice“-Vorbild. Die Weltbesten in der Produktion, bei Rüstzeiten, Kanban oder Durchlaufzeiten, im Marketing und im Vertrieb müssen übertroffen werden.
Ein weiteres Beispiel: Das FAG-Werk in Chonju/Südkorea hat bei externen Kundenbeanstandungen (gemessen in ppm) den Wert 0 erreicht. Damit ist der bisherige Spitzenreiter, ein japanischer Automobilkonzern, eingeholt worden. Ab sofort dürfen sich andere FAG-Bereiche an der Leistung von Chonju messen. Für alle Produktbereiche und Abteilungen sind klare Zielbereiche definiert, die in einer vorgegebenen Zeit erreicht werden sollen. Die jeweilige interne Wettbewerbsposition wird als „CIP Champions-League“ in der Mitarbeiterzeitung regelmäßig publiziert, denn wir wollen bewußt den Vergleich. Auch das gehört zur Kultur der Offenheit.
Der entscheidende Wettbewerbsvorteil liegt also in der Fähigkeit, zu lernen und schnell umzusetzen. Die Mitarbeiter sind das Potential des Unternehmens. Um diese Änderungsprozesse einzuleiten, muß ein neues Führungsverhalten („Lea-dership“) aufgebaut werden. Dies kann nur in einem Umfeld geschehen, in dem es Menschen wagen dürfen, neue Richtungen einzuschlagen und über ihre bisherigen Grenzen hinauszuwachsen.
Gute Voraussetzungen hierfür sind flache Hierarchien und schlanke Strukturen. Nicht auf den Status eines Mitarbeiters darf es ankommen, sondern nur auf die Qualität seiner Idee. Das Management ist hier besonders gefordert. Die Flexibilisierungsmöglichkeiten, die die Tarifverträge bieten, können intensiv genutzt werden. Maßgeschneiderte Betriebsvereinbarungen ergänzen dieses Regelwerk.
Auch dazu ein Beispiel: Bei einer geringeren Auslastung der Kapazitäten greift FAG zunächst nicht zu Kurzarbeit. Vielmehr wird die Arbeitszeit im Rahmen der bestehenden Zeitkonten ohne Verdienstausfall reduziert. Als flankierende Maßnahme wird der Tarifvertrag genutzt, um die Arbeitszeit ohne Lohnausgleich von 35 h auf 31 h oder 30 h abzusenken.
Bei einer Erholung der Nachfrage kann das Unternehmen problemlos und ohne Qualitätsverluste die Kapazitäten wieder voll nutzen und die Zeitkonten je Mitarbeiter wieder erhöhen. Bei den Zeitkonten bestehen für den überwiegenden Teil der Lohnempfänger keine Ober- oder Untergrenzen, so daß FAG damit über eine hohe Pufferzeit verfügt. Zusätzlich werden mit Spezialisten tarifvertraglich mögliche 40-h-Verträge vereinbart. Aus der „atmenden Fabrik“ wird die „atmende Unternehmung“, denn eine Gleitzeitregelung mit einem ähnlichen Zeitkorridor gilt auch für die Verwaltung.
Unterstützt wird dies durch eine „Vereinbarung zur Standortsicherung und Beschäftigungsförderung“, die bis Ende 2001 Gültigkeit hat. Sie schließt in bestimmten Bereichen betriebsbedingte Kündigungen aus. Für die Lösung dringender betrieblicher Belange von FAG ist allerdings eine Öffnungsklausel vereinbart.
UWE LOOS
Uwe Loos sieht den wirtschaftlichen Wettbewerb sportlich. Hand-in-Hand sorgen alle Mitarbeiter für „Best Practice“ im weltweiten Vergleich.
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