Hidden Champions haben ihr eigenes Erfolgsrezept
VDI nachrichten, Bonn, 30. 11. 07, Fr – Der typische Champion hat sich auf ein Nischengeschäft spezialisiert, versorgt aber mit seinen Produkten die ganze Welt. Die Managementmethoden sind dabei nicht aus dem Lehrbuch, die Wachstumsraten „chinesisch“, erklärt der Unternehmensberater Hermann Simon den Erfolg der Mittelständler.
Wieder einmal ist die Lantal AG mit von der Partie: Als Ende Oktober der erste Linienflug für die A 380 anstand, konnte das Unternehmen mitfeiern. Der 400-Mitarbeiter-Betrieb hat die Jets von Singapore Airlines mit Textilien ausgestattet – unter anderem fliegen Teppiche und Vorhänge von Lantal in dem Doppeldecker-Airbus durch die Lüfte.
Für den Textilhersteller mit Sitz in Langenthal ist dieser Auftrag tägliches Geschäft, 300 Airlines und alle Flugzeughersteller kaufen hier Sitzbezüge, Kopfstützen und Teppiche. Mit dieser Leistung hat sich das Schweizer Unternehmen mit 64 Mio. € Umsatz in die Top-Liga vorgearbeitet: Es gehört zu den Hidden Champions, den heimlichen Weltmarktführern aus dem Mittelstand. Gut 2000 Unternehmen zählen zu dieser Riege, sie stellen Zierfischfutter her, Zigarettenmaschinen, Orgeln, Gelatine, Zeiger für Armbanduhren, Kofferkulis oder Rollen für Krankenhausbetten.
Deutschland ist das Kernland der Champions – 1174 von ihnen haben hier ihren Hauptsitz. Meist gehört ein Hidden Champion zu den drei Größten in seinem Geschäft auf dem globalen Markt, die Nummer-eins-Position ist häufig. Die Mittelständler führen ihr Geschäft nicht nach Lehrbuch, und sind gerade deshalb so erfolgreich. Der typische Betrieb macht 326 Mio. € Umsatz und wächst stabil mit 9 % im Jahr. „Das sind chinesische Wachstumsraten“, beschreibt Hermann Simon, Chairman der Unternehmensberatung Simon-Kucher, den Dauer-Erfolg.
Simon hat die Champions zu seinem beruflichen Hobby gemacht: Seit 20 Jahren forscht er zum Thema. Zum zweiten Mal legt er eine groß angelegte Studie vor, die unter dem Titel „Hidden Champions des 21. Jahrhunderts. Die Erfolgsstrategien unbekannter Weltmarktführer“ als Buch erschienen ist. Das erste Buch zum Thema brachte er 1996 heraus, die Erklärung für das deutsche Exportwunder wurde ein Bestseller, der in alle wichtigen Weltsprachen übersetzt wurde.
2000 Mitarbeiter hat ein Champion im Durchschnitt. Anders als die Großindustrie gibt es hier noch so etwas wie Treue zwischen Angestellten und Betrieb. Entlassungswellen gehören nicht zur Praxis der Mittelständler – im Gegenteil, wer hier arbeitet, braucht den blauen Brief aus der Personalabteilung nicht zu fürchten. Denn die Champions produzieren neue Jobs in Serie: 1 Mio. Arbeitsplätze schufen die Top-Mittelständler in den letzten zehn Jahren, davon 300 000 allein in Deutschland. Das sind mehr Mitarbeiter, als die gesamte Telekom AG beschäftigt. Zum Vergleich: Die Dax-Konzerne strichen in der gleichen Zeit 60 000 Jobs.
Reichlich 1 Mio. Menschen leisten ihren Beitrag zum deutschen Exportwunder. Sie arbeiten z. B. bei Claas, einem Familienunternehmen in der dritten Generation, das den Weltmarkt für Mähdrescher beherrscht – oder bei Kirow, einem Betrieb in Leipzig, der 85 % des Weltmarktes mit Bahnkränen beliefert.
Auch in sehr kleinen Nischen sind die Champions stark, so beliefert eine Tochter des eigentümergeführten Heraeus-Konzerns 99 % des Weltmarktes mit Schreibkugeln für Füllfederhalter.
Wissensmanagement nach Lehrbuch betreiben diese Betriebe nicht, Wissen ist in den Köpfen der Mitarbeiter fast so sicher aufbewahrt wie das Gold in Fort Knox. Niedrige 2,7 % beträgt die Fluktuation im Jahr. 80 % der Belegschaft sind nach acht Jahren noch da, beschreibt der Studienautor, wie stabil die Champions sind.
Wo Mitarbeiter bleiben, bleibt auch das Wissen erhalten. Anders ist das in Konzernen, hier ist die Fluktuation mitunter mehr als doppelt so hoch. Wo das der Fall ist, verschwindet innerhalb von acht Jahren die Hälfte der Belegschaft.
Niedrige Fluktuation ist kein Hexenwerk – der Grund für die stabile Belegschaft ist einfach: Hidden Champions bieten interessante Jobs, die fordern und ausfüllen. Modische Buzzwords wie „Job Enrichment“ oder „Job Enlargement“ sucht man in der Personalstrategie dieser Unternehmen vergebens.
Sie wenden ein viel simpleres Rezept an, das Mitarbeiter bei der Stange hält. „Mehr Arbeit als Köpfe“, bringt der Buchautor beim Hidden Champions-Gipfel in Bonn die Vorgehensweise auf den Punkt. Die Personaldecke wird stets so knapp gehalten, dass es für jeden Manager jederzeit genug wichtige Aufgaben gibt. „Wir stellen den zweiten Mitarbeiter erst ein, wenn wir den dritten brauchen“, beschreibt Jürgen Heraeus, Aufsichtsratschef der Heraeus Holding, beispielhaft die Praxis.
Interessant sind die Folgen dieses Vorgehens: Es gibt weniger interne Blockaden, die typischen Büro-Frustrationen aus der Konzernwirtschaft sind bei den Champions unbekannt. Mitarbeiter haben hier keine Zeit für überlange Besprechungen, Intrigen sowie überflüssige Aktennotizen und E-Mails. Das ist auch durch Zahlen erhärtet.
„Wie viel Prozent ihrer Energie verbrauchen sie für die Überwindung unternehmensinterner Widerstände?“, fragte Hermann Simon die Manager und Unternehmer. Nur 10 % bis 20 % ihrer Kraft verbrauchen Manager bei den Champions, um interne Reibung zu überwinden. Das Bild in der Großindustrie dagegen ist ganz anders – hier werden 50 % bis 70 % der Energie für diesen Zweck verbraucht. A. GLOGER
Hermann Simon: Hidden Champions des 21. Jahrhunderts, Campus Verlag, Frankfurt a. M. 2007, 452 S., 39,90 €
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