„Das Alter spielt bei uns keine Rolle“
VDI nachrichten, Hamburg, 30. 6. 06, cha – Bundeswirtschaftsminister Michael Glos hat die Unternehmen aufgefordert, verstärkt ältere Mitarbeiter einzustellen. Das hat sein Vorgänger auch schon getan. Und wie stehen die Unternehmen dazu?
Bei Einstellungen sind 34 Jahre die Obergrenze“. Für Jürgen Kluge, den Deutschland-Chef der Unternehmensberatung McKinsey, selbst 52 Jahre alt, müssen neue Mitarbeiter jung sein. So wie er denken aber nicht mehr viele Firmen- und Personalchefs. Aus der aktuellen Personalnot heraus oder weil sie erkannt haben, dass ältere Mitarbeiter Stärken haben, über die die meisten jüngeren nicht verfügen, stellen sie über 50-Jährige ein. Beispiel: Möbel Segmüller in Friedberg, „Achtung, wir kennen keine Altersbegrenzung“ steht in den Personalanzeigen der Firma. „Damen und Herren über 50 sind willkommen“, betont Vertriebschef Reinhold Gütebier. Als Einrichtungsberater seien Leute über 50 gut, weil sie in der Regel selbst schon drei- oder viermal ihre Wohnung eingerichtet haben: „Beim Möbelkauf spielt die Lebenserfahrung der Berater eine große Rolle.“
Auch bei Emprise in Hamburg, Fahrion Engineering in Kornwestheim, Industrietechnik in Kenzingen oder Sauer-Danfoss in Neumünster werden ältere Bewerber nicht von vornherein aussortiert. Joachim Regenbogen, Vorstandschef des IT-Dienstleisters Emprise: „Uns sitzen ja auch nicht nur 20-jährige Kunden gegenüber. Ein 50-Jähriger lässt sich lieber von einem 50-Jährigen beraten, als von einem 25-Jährigen.“ Ähnlich argumentiert Thomas Hoffmann, Chef von artec technologies in Diepholz, der am 7. Juli mit seiner Videotechnik-Gesellschaft aufs Börsenparkett springen will: „Wir suchen derzeit 1a-Vertriebsleute, um der großen Nachfrage nach unseren Produkten Herr werden zu können. Da uns bei Verkaufsgesprächen in der Regel Führungskräfte von Großunternehmen gegenübersitzen, brauchen wir in erster Linie gestandene Leute, keine Berufseinsteiger.“
Andere Technologieunternehmen wie Saperion in Berlin oder SHS Informationssysteme in München antworten auf die Frage nach jungen oder alten neuen Mitarbeitern mit einem „sowohl als auch“. Auf den Punkt bringt es Ullrich Sautter, Geschäftsführer bei Industrietechnik in Kenzingen: „Ein gesunder Wald besteht nicht nur aus jungen Bäumen.“
Das sehen aber nicht alle so. Werbeagenturen, Modehäuser und selbst Dachdecker-Betriebe scheuen sich, ältere Leute einzustellen. Ein 55-Jähriger auf dem Dach stellt für den Betrieb ein erhöhtes Unfallrisiko dar. „Jüngere sind flexibler, Ältere dafür überlegter“, differenziert Uta Blankenfeld. „Ein älterer Mitarbeiter, den ein Unternehmer einstellt, kann mit seiner Erfahrung jüngere Beschäftigte führen.“ Zwar bräuchten ältere neue Mitarbeiter eine längere Einarbeitungsphase, dafür bekomme das Unternehmen mit dem „Gruftie“ aber auch Erfahrung ins Haus. „Und in Krisen sind ältere Mitarbeiter gelassener und häufig belastbarer“, hat die promovierte Hamburger Personalexpertin festgestellt. Sie weist darauf hin, dass „heute die 55-Jährigen viel weniger ausgepowert sind, als die 55-Jährigen früher“. 2006 seien Ältere deutlich durchtrainierter und leistungsfähiger. „Und entscheidend bei einer Anstellung ist schließlich, was man im Kopf hat.“ Uta Blankenfeld ist überzeugt, dass es zunehmend darum geht, sich das Wissen älterer Menschen ins Unternehmen zurückzuholen: „Viel Know-how ist in Frührente gegangen.“
Die Renaissance der Alten ist nicht nur durch den Fachkräftemangel ausgelöst worden, sondern auch von der demografischen Entwicklung. Ältere Kunden lassen sich gerne von älteren Dienstleistern bedienen. So ist in einem Altenheim, wo der durchschnittliche Bewohner zwischen 80 und 90 Jahre alt ist, ein 50-Jähriger geradezu ein Jungspund. „Eine Senioren-Residenz hat naturbedingt Kunden, die älter sind“, sagt Nikolaos Tavridis, Geschäftsführer der Elbschloss-Residenz in Hamburg. „Betreuer dieser Kunden müssen nicht 20 oder 25 Jahre jung sein. Im Gegenteil: Unsere Herrschaften fühlen sich sehr wohl, wenn sie von erfahrenen, gelassenen älteren Mitarbeitern betreut werden.“ Auf den Punkt bringt es Marco Geyer, Chef der Medizin-Equipment-Firma Dispomedica: „Man sollte Mitarbeiter nicht nach ihrem Alter einstellen, sondern danach, ob sie zum Unternehmen passen.“ Tanja Vogt von Vodafone ist der gleichen Ansicht: „Wir schauen bei Einstellungen grundsätzlich nur auf die Qualifikation. Das Alter spielt bei uns keine Rolle.“ Und als Dritter im Bunde sagt Andreas Bieber, Personalmanager beim Anlagenbauer M+W Zander Holding: „Unsere Prämisse war es, ist es und wird es bleiben, dass wir die qualifiziertesten Person einstellen, egal ob Frau oder Mann, ob alt oder jung.“ JÜRGEN P. HOFFMANN
„Jüngere sind flexibler, Ältere dafür überlegter“
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