Chinesische Manager mit deutschem Arbeitsstil
Um den Nachwuchs frühzeitig an westliche Managementtechniken zu gewöhnen, stiften deutsche Firmen Lehrstühle an Universitäten und pflanzen jungen Chinesen mit der Ausbildung westlichen Arbeitsstil ein.
Kein Land hat so viele Menschen wie China. Und dennoch finden die westlichen Firmen in China kaum Mitarbeiter. Zumindest keine geeigneten. Jedes zweite Unternehmen hat – so eine Studie der Unternehmensberatung Roland Berger und des Deligiertenbüros der deutschen Wirtschaft in Shanghai – Probleme bei der Suche nach dem passenden Personal. Die Firmen klagen über geringe Produktivität und Arbeitsmoral. Weniger als mangelnde Qualifikationen bestimmen oft die unterschiedlichen Mentalitäten den Krampf des täglichen Miteinanders.
Eberhard Schomer, Direktor des Management Institutes des Siemens Konzerns in Peking, kann ein Lied davon singen. Sein Unternehmen betreibt im Reich der Mitte 47 Joint-Venture in 17 Städten und beschäftigt 16 000 Mitarbeiter bei einem Umsatz von 3 Mrd. DM in 1996/1997. Der Anteil am Gesamtumsatz des Konzerns soll in Asien von heute 5 % auf 20 % im Jahr 2003 steigen. Dafür wird dringend qualifiziertes Personal gesucht. „China wird sich weiter öffnen, der Markt wächst“, gibt Schomer die verbreitete Meinung unter deutschen Managern wieder. Aber die Unternehmen könnten ins Hintertreffen geraten, wenn sie ihre Personalprobleme nicht in den Griff bekommen.
Wenn die westliche und die chinesische Kultur in dem Konzern aufeinandertreffen, führt das meist zu Reibungsverlusten. Beispiel Teamarbeit: „Aus einer Gruppe von Gleichrangigen läßt sich kaum ein Teamleiter herausheben.“ Bei einem gemeinsamen Diplomarbeitsprojekt von fünf chinesischen Studenten mußte Schomer erfahren, daß die Gruppe sich während der gesamten fünfwöchigen Dauer nicht auf einen Sprecher einigen konnte, der die Ergebnisse der gemeinsamen Arbeit vorträgt und Ansprechpartner für die Verantwortlichen im Konzern war.
Auch täten sich Chinesen schwer, unangenehme Fakten zu präsentieren, mögliche Entscheidungsalternativen vorzulegen oder im Konzern zu äußern, wo sie noch Defizite haben und – wichtig für lebenslanges Lernen – Fortbildung brauchen. „Dann müßten sie ihr Gesicht öffnen“, sagt Schomer. Aber deutlich aus einer Gruppe herauszutreten, konstruktive Kritik oder Lob vor anderen zu äußern oder zu empfangen, fällt schwer. Die ganze auf Individualität gedrillte westliche Kultur ist vielen Chinesen fremd. Auch verträgt sich Kritik an Vorgesetzten schlecht mit der konfuzianischen Achtung vor Älteren.
Häufig gerät die Kommunikation ins Stocken
Chinesen gingen anders miteinander um. Die Kultur der aufwendigen Essen sei wichtig, der Umgang miteinander betont höflich. Anstelle direkter Aufforderungen setzten die chinesischen Mitarbeiter indirekte Mitteilungen oder Körpersprache. Westliche Manager nehmen das meist nicht wahr, und: „Die Deutschen sind oft zu drängend“, hat Schomer erfahren. Die Folgen: Angestellte sind unzufrieden, Kommunikation stockt, die Produktivität ist gering, die Fluktuation in den Betrieben hoch.
Daß es auch eine funktionierende chinesische Managementkultur gibt, beweisen die erfolgreichen Auslandschinesen in den USA und Indonesien sowie nicht zuletzt in Taiwan. Auch Boomtowns wie Shanghai prosperieren. Doch viele Firmen mußten einsehen: Die chinesische Art des Umgangs miteinander lernen wir nie! Anstatt sich also auf die chinesischen Sitten einzustellen, versuchen große Konzerne, junge chinesiche Mitarbeiter frühzeitig in westlicher Managementtechnik zu schulen. Seit Oktober 1997 gibt es das Siemens Management Institut (SMI) in Peking. Hier investiert der Konzern in die Mitarbeiterschulung, um chinesische Kollegen in das westliche System einzupassen. 100 Mitarbeiter wurden bisher in einem ersten Grundlagenkurs geschult. Umgerechnet 6000 DM pro Kurs und Mitarbeiter läßt der Konzern sich laut Schomer diese Fortbildung kosten. Als Dienstleister bietet das SMI auch anderen Unternehmen an, hier ihre jungen Führungskräfte zu schulen.
Tausend Kilometer südlich von Peking versuchen deutsche Unternehmen die Mentalität des chinesischen Nachwuchses noch früher zu beeinflussen. An der Tongji-Universität in Shanghai haben neben Siemens auch Rohde & Schwarz, Thyssen-Krupp, Dresdner Band, die Allianz-Versicherung und VW Lehrstühle gestiftet, um an einem „Chinesisch-Deutschen Hochschulkolleg“ eine „deutschsprachige Ausbildung für Industrie und Wirtschaft“ durchzuführen. Weitere Unternehmen sollen folgen, doch noch muß der „Deutsche Akademische Austauschdienst“ (DAAD) einen Teil der Gehälter tragen und außerdem für Aufenthaltskosten der deutschen Dozenten, die Einrichtung einer Bibliothek und die Fortbildungen chinesischer Lehrkräfte in Deutschland aufkommen.
60 000 DM lassen sich die Unternehmen es pro Jahr kosten, daß deutsche und in Deutschland ausgebildete chinesische Professoren in deutscher Sprache in den Fächern Wirtschaftswissenschaft (Schwerpunkt Management), Automatisierungstechnik, Maschinenbau sowie Informationstechnik unterrichten. „Die Studieninhalte orientieren sich an deutschen Maßstäben“, erklärt der Konstanzer Professor Horst Sund. Der Vorsitzende der Baden-Württembergischen China Gesellschaft wurde vom DAAD beauftragt, das Kolleg in Shanghai aufzubauen.
Vor Beginn der zweieinhalbjährigen Fachausbildung unterziehen sich die 30 chinesischen Studenten eines Semesters für ein halbes Jahr einem intensiven Deutschkurs. Während des Studiums läuft ein Kurs mit bis zu zwölf Stunden in der Woche parallel: „Schon nach einem Jahr sind die Studenten in der Lage, die deutsche Sprachprüfung abzulegen“, zeigt Sund sich positiv überrascht von den Ergebnissen des ersten Sprachkurses, der Anfang 1998 zu Ende ging. Als Abschluß des gesamten Studiums sind die international üblichen Mastertitel vorgesehen, die auch von deutschen Hochschulen anerkannt werden sollen.
Die chinesischen Studenten erhoffen sich von der Ausbildung gute Arbeitsplatzchancen in den über 1300 deutschen Unternehmen, die in China vertreten sind. Sund läßt keinen Zweifel daran, daß der Arbeitsmarkt auch dann noch alle Absolventen aufnehmen wird, wenn die Jahrgangsstärke wie geplant auf 96 Studenten erhöht wurde. Auch der Fächerkanon müsse noch erweitert werden.
„Die Industrie sucht händeringend qualifizierte Kräfte“, weiß Sund und in den mittelständischen Firmen, die immer noch 80 % des Maschinenbaus in China stellten, werde Deutsch die dominierende Sprache bleiben. Leitende chinesische Mitarbeiter in deutschen Firmen müßten deutsche Papiere lesen können und die Grundzüge des deutschen Rechts verstehen. „Eine gemeinsame Sprache bringt auch die gemeinsame Chemie“. Und selbst wenn das Management sich auf englisch unterhält, glaubt Sund: „Die Ingenieure bleiben beim Deutsch“.
MARCUS FRANKEN
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