Strategie 24.09.2024, 14:00 Uhr

Agiles Arbeiten: Weniger kontrollieren, mehr motivieren

Wie man Ingenieurinnen und Ingenieure durch agiles Arbeiten, Selbstorganisation sowie Freiräume motiviert – und trotzdem als Führungskraft die Leistung im Blick behält.

Agiles Arbeiten

Agiles Arbeiten: Mehr Freiraum, weniger Kontrolle – für motivierte Ingenieurteams.

Foto: PantherMedia / Andriy Popov

Es ist eine Crux: Freiräume schaffen Kreativität und sind damit der Nährboden für Innovationen. Nur leider haben Projekte nicht ewig Zeit, der Kunde hat klare Anforderungen und etliche Regularien wollen auch noch erfüllt werden. Mit anderen Worten: Ohne Zielvorgaben und deren Kontrolle geht es kaum. Nur: Übertreiben sollte man nicht. Micromanagement ist tödlich. Wie auch komplettes Laissez-faire. Wie findet man das richtige Maß?

„Da ist zunächst einmal die Unternehmenskultur ein entscheidender Faktor“, sagt Thomas Büdinger. Aus seiner Erfahrung als Agile Coach in Kundenprojekten ist dies die Basis. „Herrscht in einem Unternehmen die Kultur der Anordnung und Kontrolle, findet sich oft eine Umgebung des Misstrauens“, sagt er. Und das über alle Ebenen hinweg. „In solch einem Setting würde niemand offen äußern, dass die Situation so ist, wie sie ist. Man würde immer den Schein wahren und es wird schwierig, diese Situation aufzubrechen und zu verändern.“ So sollte es also nicht laufen.

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Ein Klima der „psychologischen Sicherheit“ schaffen

Anders in Unternehmen, in denen eine gute Vertrauensbasis herrscht. „Dort haben Projektteams in der Regel den Anspruch an sich selbst, ein hervorragendes Projektergebnis abzuliefern“, erklärt Büdinger. Er durfte einmal in einem agilen Projekt in der Rolle des Scrum Masters (das ist der Team Coach, um das Team in die Selbstorganisation zu führen) miterleben, wie ein Team, das erst seit fünf Monaten aus wirklich hochmotivierten Mitgliedern zusammengewürfelt wurde, von Teilen der Führung über den Fortschritt kritisiert worden ist. Im Unternehmen selbst herrschte zwar ein grundlegendes Vertrauen, allerdings brachte man die Teammitglieder in einen Rechtfertigungszwang und zerstörte mindestens für einige Wochen die Motivation und das Vertrauen, das das Team bis dahin ins Unternehmen hatte. Grober Fehler.

So geht es besser: Ein Klima der, wie Büdinger sagt, „psychologischen Sicherheit“ schaffen, die ein Mitarbeiter empfindet. Wird die psychologische Sicherheit als hoch empfunden, könne man auf die Offenheit und Transparenz der Teams bauen. „Ein Team, das sich untereinander und im Unternehmen sicher fühlt, spricht Missstände offen an und zeigt sich auch bezüglich seiner Rückschläge transparent“, erklärt der Coach, „Es steht zu seinen Ergebnissen und fordert im Bedarfsfall Hilfe ein, weil es keine Strafen oder Repressalien zu fürchten hat.“

„Scrum Events“ und „Sprint Review“

Besser als strikte Kontrollen ist ein agiles Arbeitsumfeld, in dem man weitestgehend auf selbstorganisierte Teams setzt. Gerade im Scrum Framework gibt es einige regelmäßige Termine, in denen man seine Arbeit und Ergebnisse transparent macht – ohne dass ein Vorgesetzter verlangt, über Zwischenergebnisse zu rapportieren. Jeder, der in einem Scrum Team arbeitet, weiß um diese „Scrum Events“ und ist sich über die Auswirkungen der Termine bewusst, erläutert der Agile Coach. Spätestens alle vier Wochen gibt es ein „Sprint Review“, in dem der Fortschritt zu einem Sprint Ziel gemessen und vorgestellt wird. In diesem Sprint Review wird auch der Input der Stakeholder zum erzielten Ergebnis eingeholt und in eine der nächsten Iterationen integriert. Büdinger: „Die Kundenzufriedenheit steht im agilen Umfeld unbedingt im Mittelpunkt. Das Team verpflichtet sich seine Ergebnisse zu offenbaren und weist auch auf nicht erledigte Arbeit und deren Gründe hin.“ Letztlich geht es um ein einvernehmliches Optimieren des Fortschritts. „Dazu braucht es auch manchmal die Vorgesetzten als dienende Führungskräfte, wenn es irgendwo hakt“, so der Experte.

Nach einem Sprint Review wird eine Planung durchgeführt, die das Sprint Ziel in den Fokus nimmt, das dann im nächsten Review Termin wieder vorgestellt wird. Die Planung ist stets für alle Stakeholder transparent. Gibt es das Agreement, nach Scrum zu arbeiten, ist jedem der Rahmen dieses Frameworks klar und setzt ein entsprechendes Wissen darüber voraus.

Macht agiles Arbeiten klassische Kontrolle überflüssig?

Ein besonderes Event am Ende einer solchen Iteration ist eine Sprint Retrospektive. In diesem Termin beratschlagt das Team, was gut lief und was es verbessern kann. „Damit solche Retrospektiven gelingen, ist auch hier wieder die psychologische Sicherheit eine Vorbedingung“, betont Büdinger, „Vertrauen sich die Teammitglieder, sind hier gute Ergebnisse zu erwarten, die ein Team stark verbessern können.“ Auch das Vertrauen ins Umfeld könne für diese Termine ein echter Booster sein. Denn stößt ein Scrum Team auf Hindernisse im Unternehmen, sind es die Führungskräfte, die dem Team den Weg ebnen müssen.

Agiles Arbeiten macht also klassische Kontrolle überflüssig. „Das Modell von Command und Control, im Sinne von ‚Ich sage Euch, was und wie ihr etwas zu tun habt und schaue mir dann die Ergebnisse an‘, ist eher ein gestriges“, sagt Büdinger, „In der Wissensarbeit, wozu ich die Ingenieurwissenschaften selbstverständlich zähle, sind die Mitglieder eines Teams die Experten.“ Wenn sie ein klares Ziel und einen flexiblen Rahmen bekommen, in dem sie agieren können, wird sich jeder mehr einbringen, als nach diesem alten Modell, ist der Experte überzeugt: „Dies betrifft nicht nur das agile Arbeiten. Micromanagement nimmt den Menschen ihre Freiräume, um einen positiven Beitrag zu leisten und frustriert sie. Ihnen wird quasi der Sinn genommen.“ Aus diesem Grund sei es sinnvoll, dass Führungskräfte, die auch heute noch in der Regel durch fachliche Qualifikation ihre Position erreicht haben, sich langsam von ihrer Fachrolle verabschieden und sich als dienende Führungskräfte installieren. „Ihre Aufgabe ist das Empowerment der Mitarbeiter und das Beseitigen der Hindernisse und Bürokratien“, unterstreicht Büdinger, „So gewährleisten sie, dass jeder im Team seine Ideen und Kreativität einbringt.“

Ein Beitrag von:

  • Chris Löwer

    Chris Löwer

    Chris Löwer arbeitet seit mehr als 20 Jahren als freier Journalist für überregionale Medien. Seine Themenschwerpunkte sind Wissenschaft, Technik und Karriere.

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