Standardisierer bremsen Tetrapol
Auch fünf Jahre Vorsprung am Markt haben dem Bündelfunksystem Tetrapol, das bereits von namhaften Firmen und der französischen Polizei eingesetzt wird, nichts gebracht. Das europäische Normungsgremium ETSI verweigert ihm die Anerkennung als offizieller Standard.
Die Enttäuschung war auf seinem Gesicht deutlich zu erkennen. Hubert Azemard, Chairman des jährlichen Tetrapol-Forums in München, hatte das wichtigste Ziel nicht erreicht. Die Generalversammlung der Delegierten des European Telecommunication Standardisation Institute (ETSI) versagte dem Tetrapol-System, das von der französischen Matra-Gruppe für den professionellen Mobilfunk entwickelt wurde, die Weihen eines offiziellen Standards.
Anbieter von Tetrapol-Netzen und Endgeräten wie die Matra-Tochter AEG in Ulm oder Siemens Schweiz haben damit kaum mehr Chancen, die Behörden für Ordnung und Sicherheit (BOS) in Deutschland künftig als Kunden für die Installation neuer Funkeinrichtungen zu gewinnen.
Mit Tetra haben die europäischen Normierer in jahrelanger Arbeit einen eigenen digitalen Standard für den professionellen Mobilfunk entwickelt, dessen Spezifikationen wie bei GSM (Global System of Mobile Communication) oder UMTS (Universal Mobile Telecommunication System) für alle Hersteller und Provider offen sind. Die Verabschiedung der Spezifikationen des ETSI-Standards hatte sich über Jahre hingezogen und konnte erst im Frühjahr vergangenen Jahres abgeschlossen werden. Sehr zum Leidwesen der potentiellen Nutzer, deren bisher eingesetzten analogen Funksysteme mittlerweile längst nicht mehr Stand der Technik entsprachen. Unter anderem fehlten wirksame Verschlüsselungsmechanismen, die ein Abhören der gesendeten Nachrichten verhinderten.
Hingegen konnte das zwischenzeitlich von der französischen Matra-Gruppe entwickelte Tetrapol-System schneller zur Marktreife und zum Einsatz gebracht werden. Während Systeme nach dem Tetra-Standard erst seit gut einem Jahr im Test erprobt werden, arbeiten die Matra-Systeme schon seit gut fünf Jahren in der Praxis.
In Deutschland setzen unter anderem die Automobilhersteller Audi und BMW, die Berliner Verkehrsgesellschaft, der Frankfurter Flughafen und der Eurokais Container-Terminal im Hamburger Hafen für ihre betriebsinterne Kommunikation derzeit auf ein Tetrapol-System. Hinzu kommen rund zwanzig weitere Netze in Mexiko, Tschechien, Rumänien, Singapur, der Schweiz und selbstverständlich Frankreich. Dort ist die Gendarmerie landesweit mit einem Tetrapol-Netz ausgerüstet.
Den Zeitvorteil für die Marktreife seines Systems konnte Hersteller Matra jedoch nicht wie erhofft in Umsätze mit den BOS umsetzen. Sie warteten erst einmal geduldig auf die Verabschiedung des ETSI-Standards, um der Abhängigkeit und dem Preisdiktat des Tetrapol-Anbieters mit seinem proprietären System zu entgehen. Zu spät hatte dann das Tetrapol-Forum im August 1998 die als PAS (Publicly Available Specification) offengelegte Spezifikation bei ETSI mit dem Antrag eingereicht, das bis dato herstellerspezifische System in einen offenen Standard zu überführen.
Die Chancen, dieses Ziel auch zu erreichen, schienen zunächst einmal ausgesprochen aussichtsreich. Noch im März erklärte das Tetrapol-Forum: „Die Standardisierung beim professionellen Mobilfunk nimmt eine große Hürde.“
Strittig war die Verträglichkeit mit dem Konkurrenz-System
Immerhin hatte die zuständige ETSI-Kommission festgestellt, daß Tetrapol „insgesamt 23 von 24 Kriterien“ erfüllte, um als offizieller Standard anerkannt zu werden. Strittig war lediglich die Verträglichkeit mit dem Tetra-Standard: Die von ETSI geforderte Luftschnittstelle zwischen den beiden Systemen ist nicht zu realisieren, wie Fachleute von AEG, wie Hartmut Hipp, zugestehen. Der in diesem einen Punkt fehlende Konsens zu den ETSI-Anforderungen machte schließlich die Entscheidung der Generalversammlung erforderlich, die den Tetrapol-Antrag negativ beschieden hat.
„Tetra25 bleibt einziger ETSI-Standard für digitalen Profifunk“, kommentiert jubelnd die Arbeitsgemeinschaft Marktentwicklung Bündelfunk und erläutert: „Artikel 44 des Schengener Abkommens fordert die Unterzeichnerländer zur Koordinierung ihrer Programme für den Erwerb von Kommunikationsgeräten mit dem Ziel der Einrichtung genormter und kompatibler Kommunikationssysteme auf.“
Die Voraussetzung sieht die Arbeitsgemeinschaft lediglich bei Systemen und Endgeräten nach dem Tetra-Standard erfüllt, hinter dem unter anderem Anbieter wie Nokia und Motorola stehen. Beide Unternehmen sorgen auch für die Infrastruktur des Netzbetreibers Dolphin. Die europäischen Unternehmen einer kanadischen Holding wollen mit einem europaweiten digitalen Netz den professionellen Mobilfunkmarkt bedienen.
Aufgeben mögen die Vertreter der Tetrapol-Fraktion jedoch noch lange nicht: Eine Arbeitsgruppe nimmt sich jetzt der Problematik des Wettbewerbs von Standards an. „ETSI erweckt den Eindruck, es habe bewußt regulierend in den Markt eingegriffen und sich dafür von einer industriellen Interessengruppe instrumentalisieren lassen“, geht das Matra-Unternehmen AEG in die Offensive und schlußfolgert: „Wir sehen nach den Vorgängen in ETSI bestätigt, daß eine Standardisierung durch ETSI kein Kriterium für den Nutzer sein kann, sich für oder gegen eine bestimmte Technik zu entscheiden.“
DOROTHEA WENDELN-MÜNCHOW
Voll im Einsatz: Über Tetrapol-Netze funkt bereits die französische Gendarmerie, aber auch die Berliner Verkehrsbetriebe und die Frankfurter Flughafen AG.
Trennung vorprogrammiert: Dieser Gendarm wird sich voraussichtlich von seinem Funk-Gerät trennen müssen, denn das Schengener Abkommen verlangt nach einheitlicher europäischer Technik bei den Sicherheitsbehörden.
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