„Man braucht Hierarchie, aber kein hierarchisches Denken“
VDI nachrichten, Ostfildern, 4. 7. 08, ps – Pilz-Produkte kommen überall zum Einsatz, wo Menschen bei automatisierten Prozessen verletzt werden könnten. So sind Sensoren, Sicherheitsschaltgeräte und Steuerungen an Fertigungsmaschinen, aber auch in Seilbahnen oder Flughäfen zu finden. Mittlerweile beschäftigt das Unternehmen 1300 Mitarbeiter weltweit, ein Großteil davon sind Ingenieure. Wie soll die Erfolgsgeschichte weitergehen? Fragen an Geschäftsführerin Renate Pilz.
Pilz: Das sind zum einen gesetzliche Vorschriften und Vorgaben der Berufsgenossenschaften, aber vor allem auch weitsichtige Unternehmer, die auf die Sicherheit ihrer Mitarbeiter, die Qualität ihrer Produkte und hohe Effizienz Wert legen. Denn unsere Sicherheitstechnik minimiert Stillstandszeiten, verhindert Manipulation der Schutzeinrichtungen der Maschinen, erleichtert Fehlerdiagnosen und hält komplexe Technik beherrschbar.
VDI nachrichten: Wie entstehen in Ihrer Branche Innovationen?
Pilz: Eigentlich alle Lösungen resultieren aus dem engen Kundendialog. Wir hören, welche Probleme der Kunde hat und finden dafür Lösungen. Das beginnt bei einer international verständlichen Bildsprache durch Icons und endet noch lange nicht bei einer selbsterklärenden Navigation, die Einlernzeiten und Fehlbedienungen minimiert.
VDI nachrichten: Was sind Ihre Basisprodukte?
Pilz: Zu 80 % setzen wir bei der sicheren Steuerungstechnik an, sprich den Sicherheitsschaltgeräten und Steuerungen. Die restlichen 20 % machen die Bereiche Sensorik, Aktorik, Bedienen und Beobachten sowie Dienstleistungen zur Maschinensicherheit aus. Unsere Lösungen setzen sich immer aus Auswerteeinheiten sowie deren Vernetzung mit Sensoren, Kamerasystemen etc. zusammen, wie zum Beispiel in unserem neuesten Produkt SafetyEye, das eine dreidimensionale Überwachung ermöglicht. Unsere Lösungen sind sehr individuell und werden aus modular aufgebauten Systemen zusammengesetzt, die untereinander kompatibel sind und sich durch ihre Offenheit auch in bestehende Systeme integrieren lassen. So kann eine Anlage mit den Anforderungen und der Dimensionierung wachsen.
VDI nachrichten: Welches Profil haben Ihre Mitarbeiter?
Pilz: Ein Drittel unserer Mitarbeiter weltweit ist in der Produktion tätig, ein Viertel in der Entwicklung und der Rest in Zentralfunktionen wie Vertrieb, Customer Support, Verwaltung. Stark im Kommen ist der ganze Bereich der Dienstleistungen und Beratung mit Schulung, Schaltschrankbau, Risikoanalyse, Zertifizierung und Projektierung, weil wir zunehmend den gesamten Prozess betrachten. Und es ist leichter, die Standardsteuerung in die Sicherheitstechnik zu integrieren als umgekehrt. Punkten können wir auch mit der Tatsache, dass sich unsere Produkte maßschneidern, unsere Lösungen sehr einfach implementieren lassen, und wir unsere Kunden rundum unterstützen.
VDI nachrichten: Wie hoch ist Ihr Weltmarktanteil?
Pilz: Der soll verschiedenen Studien zufolge bei rund 60 % liegen. Ich persönlich halte aber jede Zahl für eine grobe Schätzung. Fakt ist, dass wir uns weltweit als Botschafter industrieller Sicherheitstechnik verstehen und dort wohl auch die Standards setzen. Selbstverständlich haben wir internationale Mitbewerber und einige Mittelständler, mit denen wir in Teilsegmenten konkurrieren.
VDI nachrichten: Wie viel Umsatz machen Sie im Ausland?
Pilz: Das sind mittlerweile 60 %. Tendenz steigend. Wir wachsen auch im Inland, weil das Gesamtvolumen steigt und die globale Vernetzung fortschreitet. Mein Mann gründete schon 1972 in Frankreich, Österreich und der Schweiz erste Auslandstöchter, weil er diesen Trend erkannt hatte. Denn zum einen kann man von fremden Märkten viel lernen, zum anderen will man seine Kunden dorthin begleiten. Und der interkulturelle Austausch ist allemal eine Bereicherung.
VDI nachrichten: Worin besteht aktuell Ihre größte Aufgabe?
Pilz: In der Führung und Ausrichtung des Unternehmens. Das ist eine Sinn stiftende Aufgabe. Es ist eine Herausforderung, dass unsere Ziele von jedem Mitarbeiter verstanden und mitgetragen werden. Zwar gibt es niedergeschriebene Leitlinien, aber viel wichtiger ist das gelebte Vorbild und die Kommunikation mit den 24 Geschäftsführern weltweit. Neben den Jahrestreffen und -zielen gibt es die Vision, wohin die Firma will. Daraus leiten sich Ziele ab, die beispielsweise auch Querschnittteams bearbeiten.
VDI nachrichten: Sie gelten gleichermaßen als charismatisch wie dominant.
Pilz (lacht): Man braucht eine Hierarchie im Unternehmen, aber kein hierarchisches Denken. Ich sorge für ein angstfreies Klima, damit alle Aspekte zur Sprache kommen. Wenn sorgfältig genug diskutiert wurde, dann braucht es aber auch Entscheidungen.
VDI nachrichten: Können Sie loslassen?
Pilz: Ich denke, das habe ich in der Erziehung meiner Kinder und im Ausbau des Unternehmens bewiesen. Als bekennende Katholikin liegt der Grund meiner Gelassenheit im Gottvertrauen. Ich traue Menschen etwas zu, wenn sie auf die gestellte Aufgabe entsprechend vorbereitet sind. Ich kann Menschen etwas zutrauen und ihnen vertrauen.
VDI nachrichten: Wie gehen Sie mit dem Fachkräftemangel um?
Pilz: Wir arbeiten schon sehr lange und intensiv mit Hochschulen zusammen, bilden selbst aus, fördern den zweiten Bildungsweg und bieten Aufstiegschancen. Relativ neu in unserem Haus sind BA-Studiengänge.
VDI nachrichten: Was prognostizieren Sie für 2008?
Pilz: Dieses Jahr dürfte der Umsatz um gut 12 % auf knapp 180 Mio. € wachsen. Mit SafetyEye für die dreidimensionale Überwachung haben wir ein Produkt mit immens vielen Anwendungsmöglichkeiten neu im Programm. Zudem helfen unsere Produkte, die Endprodukte unserer Kunden besser zu machen. Da geht es um Manipulationsschutz, um Mängel zu vermeiden, die Sensibilität von Prozessen oder die komplette Bauweise von Maschinen. MICHAEL SUDAHL
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