Blinde ertasten Brustkrebs
Blinde Frauen spüren kleinere Tumoren in der Brust auf als Frauenärzte. Dies förderte das Modellprojekt „Discovering Hands“ im Rheinland zu Tage. Nun soll bundesweit die Qualifikation zur Medizinischen Tastuntersucherin für blinde Frauen angeboten werden. Sechs haben ihre Arbeit schon aufgenommen. VDI nachrichten, Duisburg/Essen, 6. 2. 09, ber
Gemeinsam mit dem Berufsförderungswerk Düren für die berufliche Bildung Blinder sowie der Universitätsfrauenklinik in Essen initiierte er das Projekt „Discovering Hands“, das vom Landschaftsverband Rheinland mit 200 000 € finanziert wurde. Das Potenzial blinder Menschen für die medizinische Hilfstätigkeit sollte geprüft und ein Weiterbildungsgang entwickelt werden.
Vier blinde Frauen haben im Rahmen des Projekts eine standardisierte Tastmethode erlernt und damit 453 Patientinnen untersucht, wobei ihnen Mediziner kritisch auf die Finger schauten. Fazit: Die Medizinischen Tastuntersucherinnen (MTU) spürten mehr und zugleich kleinere Gewebeveränderungen in der Brust auf als die Frauenärzte. Bei 56 Frauen fanden die Finger der Blinden Auffälligkeiten, die dem Arzt entgingen. Noch dazu waren 44 % der Knötchen, die die blinden Frauen entdeckten, kleiner als 1 cm, während die Mediziner nur 26 % von dieser Größe bemerkten.
„Die Daten belegen, dass MTUs besser sind als der Gynäkologe“, so Hoffmann. „Ein Pferdefuß ist natürlich, dass wir nur vier MTUs und sieben Frauenärzte miteinander verglichen haben.“ Die Ergebnisse lassen jedoch erwarten, dass die blinden Frauen Brustkrebs in einem früheren Stadium und auch zuverlässiger aufspüren können. Das wäre für die Heilungschancen entscheidend.
Die Patientinnen müssen für die Diagnostik durch die MTU künftig mit Kosten von bis zu 30 € rechnen. Die DAK erwägt derzeit, die Leistung in ihren Standardkatalog aufzunehmen, wenn die MTU-Ausbildung bundesweit anerkannt ist.
Zu diesem Zweck wird Hoffmann im kommenden Jahr ein bundesweites Projekt starten. Darin will er den Weiterbildungsgang standardisieren und verbreiten. Berufsförderungseinrichtungen in Mainz, Chemnitz und Halle sollen dann die Schulungen zur MTU anbieten.
Damit Blinde die Brust durchmustern können, hat Hoffmann eine standardisierte Prozedur entwickelt. Zunächst bringt die MTU fünf selbstklebende Orientierungsstreifen in definierter Höhe über der Brust an. „Dadurch entsteht ein Koordinatensystem, damit die MTU ihre Befunde punktgenau mitteilen kann“, sagte Ulrich Kappen vom Dürener Berufsförderungswerk.
Wird Ungewöhnliches bemerkt, muss die MTU sich die Koordinaten merken und dem Arzt mitteilen. Diagnosen bleiben dem Doktor vorbehalten. Damit sie sich mit ihm auf Augenhöhe unterhalten kann, stehen aber Pathologie, Histologie und Physiologie auf dem Lehrplan.
Am Ende müssen die Absolventinnen eine Prüfung vor der Ärztekammer absolvieren. „Die Ansprüche sind schon hoch“, so Kappen.
Der Duisburger Initiator Hoffmann rechnet jedoch nicht damit, dass die Tastuntersuchung von den Alpen bis zur Nordseeküste eines Tages durch MTU durchgeführt werden wird. „Wir haben ein Potenzial von maximal 600 Frauen für die MTU-Ausbildung. Das wird alleine deshalb immer eine Besonderheit bleiben“, erklärte er.
Umso mehr freut ihn, dass seine Idee in anderen Ländern Schule macht. In Irland, den Niederlanden, Frankreich, Dänemark und Österreich will man nun ebenfalls die Begabung der blinden Frauen nutzen. S. DONNER/ber
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