Flexibilität in der Umformtechnik – leichter gesagt, als getan!
Im Rückblick auf die zurückliegenden 18 Monate und die weltweite Pandemie stellen wir fest, dass sich vieles am Arbeitsplatz und auch im privaten Bereich verändert hat!

Einerseits haben die lang andauernden Kontaktbeschränkungen zu einer nicht vorhersehbaren Beschleunigung der Digitalisierung im zwischenmenschlichen Bereich, in unseren öffentlichen und privaten Organisationen sowie auch in der Ausgestaltung von Wertschöpfungsketten geführt. Andererseits mussten wir seit Anfang des letzten Jahres lernen, uns aufgrund dieser Beschränkungen auf neue Herausforderungen in der persönlichen Kommunikation, im Austausch und der Weitergabe von Informationen und auch auf die begrenzten Verfügbarkeiten von Kapazitäten und Materialien, Werkstoffen oder Waren einzustellen.
Leitthema „Flexibilität“
Herzlich begrüße ich Sie zur Oktober-Ausgabe der Zeitschrift wt Werkstattstechnik online 2021, für welches wir das Leitthema „Flexibilität“ gewählt haben. Im letzten Jahr haben wir für das Heft 10 dieser Zeitschrift zur Umformtechnik einige Perspektiven der dringlichen Erhöhung von Resilienz im Unternehmen adressiert. Thematisch reicht dieses Editorial bis in die aktuellen Monate hinein, was das Fehlen von Rohstoffen für die Herstellung von Kunststoffbauteilen oder der aktuelle Chip-, Holz- oder auch Stahlmangel zeigen, was sich insbesondere in der Automobil- und Bauindustrie aktuell drastisch bemerkbar macht.
Rund um die Diskussion zu einer fehlenden und teilweise vorhandenen Resilienz von Produktionssystemen, Organisationen, Unternehmen und auch Wertschöpfungsketten werden in der Öffentlichkeit heute zudem Begriffe wie die Robustheit von Produktionssystemen, deren Wandlungsfähigkeit, Agilität und auch der Begriff der Flexibilität diskutiert. Auch zu diesen Begriffen sind gegenwärtig im produktionstechnischen Kontext zahlreiche Einschätzungen und Beiträge in der Fachliteratur zu finden, um die Stabilität von lokalen, transnationalen oder auch globalen Wertschöpfungsketten gegenüber Schwankungen und störenden Ereignissen aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu charakterisieren.
Lösungsansätze für flexible Umformprozesse
Was bedeutet erhöhte Flexibilität nun für die Umformtechnik? Einerseits sehen wir vor diesem Hintergrund die hochinvestiven Produktionsanlagen und/oder Anlagenkomponenten, andererseits die oft verfahrens- und/oder bauteilspezifischen Ausführungen von Werkzeugsystemen mit Formspeicher. Wie können Lösungen in der Umformtechnik zukünftig in puncto „Variantenflexibilität“ aussehen, um die oftmals hohen Investitionen auf ein erweitertes Produktspektrum oder längere Zeiträume abschreiben zu können? Prinzipielle Lösungen werden hierbei in zwei Richtungen entwickelt: Zum einen werden aufgeweitete Anforderungen an die Produktentwickler gestellt, den Einsatz des Werkstücks, des Bauteils oder größerer Komponenten für mehrere Verwendungen zu konzipieren, gegebenenfalls auch Halbzeuge und Werkstoffe möglichst wenig zu spezifizieren, um im Bedarfsfall alternative Halbzeuge einsetzen zu können. Zum anderen müssen in Zukunft neuartige und flexible Umformprozesse, das heißt Umformsysteme entstehen, um den Einsatzbereich heutiger Umformmaschinen zu erweitern und gleichzeitig die Verwendbarkeit von hochinvestiven Umformwerkzeugen zu erhöhen.
Diesen Fragestellungen haben wir uns gemeinsam mit mehreren Instituten der Umformtechnik in diesem Heft 10 gewidmet und möchten Ihnen hiermit Anregungen und Impulse für eigene Weiterentwicklungen liefern. Viel Spaß bei der Lektüre!

Prof. Dr. Mathias Liewald ist Institutsdirektor am Institut für Umformtechnik der Universität Stuttgart. Foto: IFU