„Erste Wahl“ für die Gussbearbeitung – Allround-Schneidstoff erleichtert Auswahl für den Endanwender 26.08.2015, 00:00 Uhr

Neue Schneidstoffgeneration im Fräsen

„Allrounder“ mit zuverlässiger Leistungsfähigkeit sind aufgrund der universellen Einsatzbarkeit in einem breiten Anwendungsbereich in Fertigungsunternehmen gefragt. Mit der Entwicklung der CVD-Beschichtungstechnologie „Inveio“ ergeben sich besondere Beschichtungscharakteristika, die diesen Anforderungen gerecht werden.

Unterschiedliche Wendeschneidplatten (WSP) für Fräsbearbeitungen von Gussmaterialien. Bild: Sandvik Coromant

Unterschiedliche Wendeschneidplatten (WSP) für Fräsbearbeitungen von Gussmaterialien. Bild: Sandvik Coromant

Die neue Schneidstoffgeneration „GC3330“ bietet eine besondere Verschleißbeständigkeit und somit eine hohe Lebensdauer bei allen gängigen Fräsbearbeitungen von Gussmaterialien, sodass mit dieser Schneidstoffsorte für Wendeschneidplatten (WSP) zum Fräsen eine gute Balance zwischen Sicherheits- und Leistungsanforderungen mit nur einem einzigen Schneidstoff problemlos möglich ist.

Fräsen von Gusswerkstoffen

Die Hauptherausforderung bei der Fräsbearbeitung von Gusswerkstoffen – beispielsweise Grauguss – ist es, dem abrasiven Freiflächenverschleiß und der Kammriss­bildung entgegenzuwirken. So gibt es eine Vielzahl an Anwendungshinweisen, um diese Verschleißerscheinungen zu mindern. Schneidstoffspezifisch wird beim Schruppen von Grauguss die Trockenbearbeitung sowie Schneidstoffe mit dicken CVD (Chemical Vapour Deposition)-Beschichtungen empfohlen, um Kammrisse entlang der Schneidkante, insbesondere hervorgerufen durch Temperaturwechsel in der Schnittzone, zu reduzieren. Kann hingegen aufgrund von Prozessrandbedingungen (wie der Vermeidung von Stäuben) nicht auf den Einsatz von Kühlschmierstoff verzichtet werden, sind Sorten zu wählen, die für das Nassfräsen ausgelegt sind. Für die Schlichtbearbeitung werden wiederum dünn beschichtete Hartmetallsorten favorisiert.

Die Unterschiedlichkeit der Empfehlungen macht die Schwierigkeit der richtigen Auswahl des geeignetsten Schneidstoffs deutlich. Mit der Entwicklung von GC3330 wird nicht nur den Kriterien nach hoher Zu­verlässigkeit und Produktivität Rechnung getragen, sondern auch die Einfachheit bei der Schneidstoffauswahl verbessert. So „punktet“ dieser Schneidstoff unter anderem durch den Einsatz bei der Fräsbearbeitung sehr verschiedener Gussmaterialien. Mit dieser Sorte – verfügbar für Fräskonzepte zum Plan-, Eck-, Profil- und Nutenfräsen sowie für das Fräsen mit hohem Vorschub – ist die Fräsbearbeitung von Grauguss und Kugelgraphitguss, sowohl bei der Trocken- und Nassbearbeitung als auch für Schlicht- und Schruppvorgänge, realisierbar.

Technologien im Hinter­grund

Im Bereich der Ferti­gungs­technologien werden jeden Tag Fortschritte erzielt, jedoch ist die Veränderung nicht immer derart grundlegend, dass deutliche Vorteile bei Einsatz neuer Technologien zu verzeichnen sind. Eine sichere und vorhersagbare Werkzeugstandzeit ist ein Hauptkriterium bei der spanenden Bearbeitung – und dies aufgrund der Notwendigkeit, Nachbesserungen, Stillstand sowie Ausschuss zu vermeiden. Um Prozesssicherheit zu schaffen, werden vom Anwender oft Schnittwerte für die Zerspanung unterhalb der Empfehlungen gewählt. Dadurch wird zwar der „Sicherheitspuffer“ erhöht, aber die Prozessproduktivität wird sowohl durch das geringe Zeitspanvolumen als auch durch den häufigeren Plattenwechsel und die umfangreichere Prozessüberwachung deutlich gemindert.

Neben der Zuverlässigkeit und der Leistungsfähigkeit ist auch die einfache Auswahl des richtigen Schneidstoffs ein wich­tiges Kriterium – daher führt auch hier ein Allround-Schneidstoff zu einer Erleichterung für den Endanwender.

Der Hauptgrund für die Leistungsfähigkeit sowie für die vielseitige Einsatzfähigkeit der neuen Sorte GC3330 für WSP zum Fräsen ist die fortschrittliche Inveio-­Technologie. Im Fokus steht hierbei die Steuerung des chemi­schen Dampfabscheidungprozesses der Aluminiumoxidschicht Al2O3. Aluminiumoxid ist als chemisch inerte Verbindung ein bewährtes Schichtmaterial, das aufgrund der geringen Wärme­leitfähigkeit eine effektive Wär­me­barriere zwischen WSP und Werkstoff darstellt. Durch die Innovation in der CVD-Beschichtungstechnologie ist es möglich, die sonst in konventionellen Aluminiumoxid­beschich­tungen willkürliche Wachstumsrichtung der Kristalle zu steuern. Es konnte sichergestellt werden, dass alle Kristalle in derselben Richtung angeordnet sind.

Sichtbar wird dies in Bild 1 anhand der Mikroskopdarstellungen, in denen jeder Kristallrichtung eine bestimmte Farbe zugewiesen ist. So sind in der Aluminiumoxidschicht des Schneidstoffs GC3330 alle Kristalle einheitlich ausgerichtet, ersichtlich durch die gleichmäßig gelbe Farbe der Kristalle. Die Inveio-Technologie schafft so eine stärkere, einheitliche Beschichtungsstruktur mit entsprechend modifizierten Eigenschaften – wie ein besserer Widerstand gegen auftretende Zerspanungskräfte, aber auch gegen hohe Temperaturen in der Schneid­zone. So wird die Wärme entlang der Kristallebenen durch die dichte Komprimierung der einzelnen, der Schneidzone zugewandten Kristalle schneller abgeführt.

Bild 1. Gegenüberstellung von Al2O3-Schichten: konventionell (links) im Vergleich zur „Inveio“-Technologie (rechts). Bild: Sandvik Coromant

Bild 1. Gegenüberstellung von Al2O3-Schichten: konventionell (links) im Vergleich zur „Inveio“-Technologie (rechts). Bild: Sandvik Coromant

Mit der kontrolliert aufgebauten, uni­direktio­nalen Kristallausrichtung und der schnelleren Wärmeabfuhr ist eine verbesserte Verschleißbeständigkeit und somit eine entsprechende Prozesssicherheit gegeben, die in vorhersagbaren Standzeiten und hoher Zuverlässigkeit mündet.

Die Leistungsfähigkeit der Inveio-Beschichtung wird des Weiteren unterstützt durch weitere Merkmale der WSP: So wurden bei der Kantenpräparation vor der Beschichtung durch den Einsatz neuer Verfahren engere Toleranzen eingehalten und eine höhere Gleichmäßigkeit erzielt. Ebenso fand ein besonderer Nachbehandlungsprozess der Beschichtungsoberfläche Berücksichtigung. Damit basiert die Leistungsfähigkeit des Schneidstoffs GC3330 – neben der Beschichtungstechnologie – auf weiteren Technologiebausteinen entlang der gesamten Produktionskette.

Steigerung der Produktivität und Zuverlässigkeit

Der Allround-Schneidstoff GC3330 für den ISO K-Anwendungsbereich überzeugt seit der Einführung in 2014 mit Praxiserfolgen, die die höhere Leistungsfähigkeit bei der Fräsbearbeitung im Vergleich zu bestehenden Sandvik-Coromant-Schneidstoffen und Wettbewerbslösungen belegen. Anhand von zwei Beispielen für das Planfräsen wird die Verschleißbeständigkeit des neuen Schneidstoffs demonstriert.

Beim Planfräsen handelt es sich um die gängigste Fräsbearbeitung, die mit einer Vielzahl unterschiedlicher Werkzeuge durchgeführt werden kann. Am häufigsten werden Fräser mit einem Einstellwinkel von k = 45° verwendet, aber unter bestimmten Bedingungen werden auch Fräser mit runden WSP, Eckfräser oder Scheibenfräser eingesetzt. Zur Auswahl des richtigen Fräskonzepts für den vorliegenden Hauptanwendungsbereich hilft eine Einteilung in Bezug auf die Schnitttiefe ap und dem Vorschub pro Zahn fz.

In Tabelle 1 sind die Prozessrandbedingungen der Nassbearbeitung des Kugelgrafitgusses GGG-60 für den Vergleich der besteh­enden ISO K Sorte GC3220 mit der neuen Sorte GC3330 unter Einsatz des Planfräskonzepts „CoroMill 345“ aufgeführt.

Tabelle 1. Prozessrandbedingungen beim Planfräsen von Kugelgrafitguss GGG-60. Bild: Sandvik Coromant

Tabelle 1. Prozessrandbedingungen beim Planfräsen von Kugelgrafitguss GGG-60. Bild: Sandvik Coromant

CoroMill 345 mit acht Schneidkanten sorgt für einen geringen axialen Schneiddruck auf das Bauteil, bedingt durch die positive Schneidwirkung der leichtschneidenden WSP. Zudem bietet der robuste Fräskörper mit Plattensitzen, die durch Zwischenlagen geschützt werden, hohe Prozesssicherheit und ist somit geeignet als „erste Wahl“ für eine mannarme Produktion. Beim Schneidstoff GC3220 handelt es sich um eine konventionell CVD-beschichtete WSP, die für die mittlere Bearbeitung bis zum Schruppen von Grauguss ausgelegt ist.

Die Gegenüberstellung des Plattenverschleißes in Bild 2 nach der gleichen Einsatzzeit von t = 33,75 min, die benötigt wird, um 55 Bauteile zu bearbeiten, macht die Überlegenheit der neuen CVD-Beschichtungstechnologie deutlich.

Bild 2. Leistungsvergleich nach gleicher Einsatzzeit – GC3220 versus GC3330. Bild: Sandvik Coromant

Bild 2. Leistungsvergleich nach gleicher Einsatzzeit – GC3220 versus GC3330. Bild: Sandvik Coromant

Das Schruppen des Werkstoffs GGG-60 führt bei der konventionell CVD-beschichteten Sorte GC3220 zu einem deutlichen abrasiven Verschleiß entlang der Schneidkante mit un­regelmäßigen Ausbrüchen und Ausbröckelungen, die auf eine Kammrissbildung zurückgeführt werden können. Diese Aus­brüche führen zu einer schlechten Ober­flächengüte sowie dem Standzeitende der WSP.

Der Einsatz des optimierten Schneidstoffs GC3330 zeigt eine entsprechende Verbesserung in der Verschleißausbildung. So liegt hier nur eine sehr begrenzte Anzahl an kleinsten Mikroausbrüchen entlang der Schneidkante vor. Die WSP ist weiterhin einsetzbar und hat das Standzeitende noch nicht erreicht. Zudem wird die Prozesssicherheit durch den sich gleichmäßig ausbildenden Verschleiß und die damit verbundene höhere Zuverlässigkeit verbessert.

In Tabelle 2 sind die Prozessrandbedingungen der Planfräsbearbeitung eines Grauguss-Kurbelgehäuses (GG-25) ohne Einsatz von Kühlschmiermittel gelistet.

Tabelle 2. Prozessrandbedingungen beim Planfräsen von Grauguss GG-25. Bild: Sandvik Coromant

Tabelle 2. Prozessrandbedingungen beim Planfräsen von Grauguss GG-25. Bild: Sandvik Coromant

Es wurde der Planfräser „CoroMill 365“ im Vergleich zu einem Wettbewerbswerkzeug getestet. Eingesetzt wird CoroMill 365 sowohl für die Schrupp- als auch für die Vorschlicht­bearbeitung bis zu einer Schnitttiefe von ap,max = 6 mm insbesondere in der Groß­serien­fertigung, aber auch in Anwendungen, bei denen eine hohe Zerspanungsrate gefragt ist.

Bild 3 zeigt die WSP nach Erreichen des Standzeitendes.

Bild 3. Verbesserung der Standzeit durch den Einsatz des Schneidstoffs GC3330. Bild: Sandvik Coromant

Bild 3. Verbesserung der Standzeit durch den Einsatz des Schneidstoffs GC3330. Bild: Sandvik Coromant

Es wird deutlich, dass im Vergleich zu den großen Abplatzungen bei der Wettbewerbsplatte die Sorte GC3330 einen gleichmäßigen Freiflächenverschleiß an der Schneidenecke hat. Der übermäßige Verschleiß der Wettbewerbsplatte bei der Vorschlichtoperation führt zu einem Standzeitende nach Fertigung von 200 Bauteilen. Beim Schruppen des Werkstoffs GG-25 mit dem Planfräskonzept CoroMill 365 in Kombination mit dem Schneidstoff GC3330 konnte somit – bedingt durch den gleichmäßigeren, moderateren Verschleiß entlang der Schneidkante – die Anzahl an gefertigten Bauteilen bei Einhaltung der geforderten Oberflächenqualität um 40 % im Vergleich zum Fräskonzept des Wettbewerbs gesteigert werden.

Kundennutzen

Die Bearbeitungsergebnisse zeigen die hohe Leistungsfähigkeit des Schneidstoffs GC3330. Hieraus leiten sich eine Vielzahl von Vorteilen für den Endanwender ab. Neben der gesteigerten Produktivität – bedingt durch eine höhere Anzahl an gefertigten Bauteilen über eine Werkzeugstandzeit und die höhere Maschinenauslastung durch weniger Nebenzeit für den Plattenwechsel – ist die erhöhte Prozesssicherheit zu nennen. Diese führt zu einer effizienteren Arbeitsweise, da eine zuverlässigere, konstantere und somit vorhersagbare Leistung gegeben ist. Außerdem ist, wenn gefordert, die Umsetzung höherer Schnittdaten möglich. Weiterhin ist die einfache Auswahl des Schneidstoffs, bedingt durch die Einsatz­fähigkeit in dem breiten Anwendungs­bereich der Gussbearbeitung, zu nennen.

Fazit

Die neue Frässorte GC3330 entspricht den hohen Erwartungen in der heutigen Fertigungsindustrie, vor allem in den Bereichen der Automobilherstellung und im allgemeinen Maschinenbau. Inveio steht hierbei für den technologischen Durchbruch in der Beschichtungstechnologie und ist der Schlüssel für die Leistungssteigerung und Vielseitigkeit dieses Schneidstoffs. Die beständige und somit reproduzierbare Leistungsfähigkeit gestattet höhere Maschinenauslastungen und hohe Zeitspanungsvolumen. Weiterhin bietet GC3330 beste Voraussetzungen für eine sichere, mannarme Fertigung, bedingt durch die Minimierung von Maschinenstillständen, und begünstigt eine immer wichtiger werdende Automatisierung der Produktion. Dieses Gesamtpaket führt neben einer höheren Prozesssicherheit zu einer Steigerung der Produk­tivität, die andere Produkte auf dem Markt an Qualität und Leistung übertrifft.  

 

Von Dr.-Ing. Ina Terwey

Dr.-Ing. Ina Terwey, Jahrgang 1982, ist seit 2011 bei der Sandvik Tooling Deutschland GmbH – Geschäftsbereich Coromant in Düsseldorf als Produktmanagerin für die Fräswerkzeuge verantwortlich (www.sandvik.coromant.com).