Wie Industriebetriebe die optimale Umzugs-Strategie finden
Wie lässt sich die Reorganisation einer bestehenden Produktionsstätte im laufenden Betrieb kostengünstig, schnell und möglichst ohne Produktionsausfall realisieren? Ein Software-Demonstrator hilft künftig bei dieser überlebenswichtigen Fragestellung.

Leere Fabrikhalle: Was müssen Produktionsbetriebe, vor allem solche mit vielen Maschinen und Inventar, bei einem Umzug beachten?
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Mit dem bedeutsamen strategischen Thema befassen sich Wissenschaftler des Instituts für Integrierte Produktion Hannover (IPH) gGmbH im neuen Forschungsprojekt „OptiFaU“. Entwickelt wird dabei ein Optimierungsmodell für die Umzugsplanung in Reorganisationsprojekten. Dank wirkungsvoller Software-Unterstützung soll es für Industriebetriebe möglich werden, die optimale Herangehensweise zu finden.
Antworten auf alle Fragestellungen der Reorganisation
Dabei geht es nicht nur um die Verlagerung an einen komplett anderen Standort, sondern auch um innerbetriebliche Vorgänge. „Als Fabrikumzug bezeichnen wir auch die Neuanordnung von Maschinen und Arbeitsplätzen in einer bestehenden Fabrik“, erläutert Andreas Nitsche, Leiter des Projekts OptiFaU. „Die Unternehmen stehen dabei vor einer äußerst komplexen Aufgabe, für die es keine Standard-Lösung gibt.“
Einige der relevanten Fragen lauten: Wie viele Teilschritte sind für den Umzug notwendig? Was sollte zu welchem Zeitpunkt erledigt werden? Wie hängen die Teilschritte voneinander ab? Ist es notwendig, die Produktion zu unterbrechen? Wenn ja, wie lange? Kann das Stammpersonal die notwendigen Schritte selbst vornehmen, oder sollte Hilfestellung von außen hinzugezogen werden? Für jedes Unternehmen wird es hierauf individuell unterschiedliche Antworten geben.
Technische und organisatorische Herausforderungen bewältigen
Die einzelnen Teilschritte hängen nicht nur zeitlich voneinander ab, sondern auch räumlich. Dies erschwert es, im individuellen Fall die optimale Umzugsstrategie zu finden. Denn bevor eine Maschine an ihrem neuen Standort innerbetrieblich aufgestellt werden kann, muss jener Arbeitsplatz weichen, der sich bisher dort befunden hat. Eventuell muss – wie im Fall von schweren Pressen oder großen Bearbeitungszentren – der Boden verstärkt, ein Starkstromanschluss gelegt oder ein Abluftsystem installiert werden.
In Fabriken, die womöglich im Vollbetrieb laufen, gibt es zudem selten Platz, um Maschinen und Geräte zwischenzulagern. Deshalb müssen alle Teilschritte perfekt ineinandergreifen. Mit jeder Anlage und jedem Arbeitsplatz, die verlagert werden, entstehen kurzfristig Freiflächen. Diese können für eine gewisse Zeit bei den folgenden Schritten genutzt werden. Und der erste Schritt in dieser Abfolge ist oft entscheidend für den gesamten weiteren Verlauf des Umzugs. Im Mittelpunkt steht, die Lösung zu finden, die die geringsten Kosten verursacht.
Im aktuell laufenden Forschungsprojekt ermitteln die Wissenschaftler aus Hannover zunächst alle bedeutsamen Einflussfaktoren und führen diese anschließend in einem mathematischen Optimierungsmodell zusammen. „Das Modell wird äußerst komplex. Statt nur eine richtige Lösung zu ermitteln, wird ein optimierender Algorithmus entstehen. Dieser sollte möglichst nahe an das Optimum heranführen“, beschreibt Nitsche den Verlauf der Arbeiten. Die IPH-Wissenschaftler wollen ihr Optimierungsmodell anschließend in einem Softwaredemonstrator umsetzen, den sie interessierten Unternehmen zur Verfügung stellen.

Das Thema Fabrikplanung ist strategisch anzugehen: Sowohl das Layout als auch der Umzug sollten gut durchdacht sein.
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Interessierte Unternehmen können sich noch beteiligen
Produzierende Unternehmen, die einen Fabrikumzug planen, oder solche, die bereits einen durchgeführt und dabei Erfahrungen gesammelt haben, können sich noch am Forschungsprojekt beteiligen – unabhängig von der Branche. Ebenso angesprochen sind Firmen, die professionelle Unterstützung bei Industrie-Umzügen anbieten. Sie können sich direkt bei Projektleiter Andreas Nitsche melden unter der Telefonnummer 0511 / 279 76-440. Ein Kick-off-Treffen zum Projektstart ist geplant und findet voraussichtlich im April 2021 statt. Das gesamte Forschungsprojekt läuft noch bis zum Dezember 2022. Es wird vom Bundeswirtschaftsministerium finanziert.
Das Institut für Integrierte Produktion Hannover (IPH) gemeinnützige GmbH, das mit dem Forschungsvorhaben beauftragt ist, forscht und entwickelt auf dem Gebiet der Produktionstechnik. Gegründet 1988 aus der Leibniz Universität Hannover heraus, werden mit aktuell circa 70 Mitarbeitenden Forschung und Entwicklung, Beratung und Qualifizierung rund um die Themen Prozesstechnik, Produktionsautomatisierung, Logistik und XXL-Produkte geboten. Zu den Kunden zählen Unternehmen aus den Branchen Werkzeug- und Formenbau, Maschinen- und Anlagenbau, Luft- und Raumfahrt sowie der Automobil-, Elektro- und Schmiedeindustrie. Weitere Informationen zum Fabrikplanungsprojekt sind hier verfügbar.
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