Eine neue Studie von BCG und Alpega zeigt, warum Spediteure und Verlader jetzt handeln müssen
Kostendruck durch Zölle, langsamer Fortschritt beim Nearshoring und ungenutzte Chancen rund um GenAI – die europäische Transport- und Logistikbranche steht unter massivem Veränderungsdruck. Die Boston Consulting Group (BCG) und die digitale Transportmanagement-Plattform Alpega haben in einer aktuellen Branchenumfrage unter Experten aus Europa und Nordamerika zentrale Schwachstellen identifiziert – und sechs konkrete Handlungsfelder formuliert. Der Report liefert tiefgehende Einblicke, warum digitale Zusammenarbeit, resiliente Netzwerke und der strategische Einsatz von Künstlicher Intelligenz entscheidend für die Zukunftsfähigkeit der Logistik sind.
Die Logistikbranche steht aufgrund der aktuellen geopolitischen und wirtschaftlichen Lage vor einigen Herausforderungen. Und obwohl Spediteure und Logistikdienstleister mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert sind, reagieren sie doch sehr unterschiedlich darauf. Wie genau die Logistikbranche mit den zunehmenden Unsicherheiten, explodierenden Kosten und dem Potenzial von GenAI umgeht, untersucht Alpega und die Boston Consulting Group (BCG) in einer im April 2025 durchgeführten Umfrage unter Shippern und Logistikdienstleistern in Europa und Nordamerika. Ziel war es, zentrale Herausforderungen der Branche, von geopolitischen Spannungen bis zu digitalen Transformationsprozessen, zu beleuchten und konkrete Handlungsfelder aufzuzeigen. Smarterpix / welcomia
Die europäische Logistikbranche steht an einem Scheideweg. In einer gemeinsamen Analyse zeigen die Boston Consulting Group (BCG) und die digitale Transportmanagement-Plattform Alpega, wie stark geopolitische und wirtschaftliche Turbulenzen die Rahmenbedingungen für Spediteure und Logistikdienstleister verändern. Im Mittelpunkt der Studie, die auf einer im April 2025 durchgeführten Umfrage unter Fach- und Führungskräften aus Europa und Nordamerika basiert, stehen fünf besonders drängende Herausforderungen: Zölle, Nearshoring, GenAI, Nachhaltigkeit und volatile Frachtraten. Die daraus abgeleiteten Empfehlungen zeigen, wie Unternehmen diesen Wandel aktiv mitgestalten können.
Fahrausweis für Flurförderzeuge im innerbetrieblichen Werkverkehr
Studienhintergrund: Logistik im geopolitischen Spannungsfeld
Die Ergebnisse beruhen auf fundierten Rückmeldungen von Branchenentscheidern, die angesichts der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten ihre Strategien überdenken müssen. Die Studienautoren wollten wissen: Wie priorisieren Unternehmen aktuell ihre Investitionen? Welche operativen und technologischen Hürden stehen dem Fortschritt entgegen? Und welche Maßnahmen können helfen, künftigen Krisen resilienter zu begegnen? Das Fazit ist eindeutig: Die Branche steht vor einem strukturellen Umbau – doch viele Akteure zögern, den nächsten Schritt zu gehen.
Zölle als Kostentreiber: Globale Unsicherheiten treffen Lieferketten
Ein zentrales Ergebnis der Umfrage betrifft den anhaltenden Kostendruck, der durch neue oder verschärfte Zollbestimmungen ausgelöst wird. Nahezu80 % der befragten Verlader melden spürbare Mehrkosten durch Zölle und Abgaben. Diese Entwicklung führt nicht nur zu höheren Endpreisen, sondern auch zu sinkender Planbarkeit in internationalen Lieferketten. Unternehmen müssen kurzfristig auf neue Handelshemmnisse reagieren – häufig zu Lasten von Effizienz und Liefertreue.
Neue Preisrealität: Vertragsneuverhandlungen nehmen zu
Der steigende Kostendruck zeigt sich auch in den zunehmenden Bestrebungen zur Neuverhandlung bestehender Vertragsstrukturen: 68 % der Spediteure wollen Frachtverträge neu verhandeln, um Versandkosten zu senken. Dieser Trend verdeutlicht, wie sehr externe Faktoren wie Inflation, Energiepreise und Regulierung die operativen Grundlagen in der Transportlogistik verschieben. Standardisierte Verträge verlieren an Bedeutung – individuelle Vereinbarungen mit flexiblen Preisgleitklauseln gewinnen an Relevanz.
Nearshoring: Zwischen strategischer Einsicht und zögerlicher Umsetzung
Die Verlagerung von Produktionsstandorten näher an den europäischen Absatzmarkt – das sogenannte Nearshoring – wird zwar branchenweit als strategisch sinnvoll eingeschätzt, bleibt in der praktischen Umsetzung jedoch oft stecken: Fast die Hälfte der Logistikdienstleister passt ihr Netzwerk bereits an, doch nur 16 % der Verlader haben konkrete Nearshoring-Maßnahmen gestartet. Die Gründe für dieses Ungleichgewicht liegen unter anderem in den langen Entscheidungswegen auf Industrieseite sowie in der Unsicherheit über neue Handelsabkommen. Dabei zeigen erste Pilotprojekte, wie effizient regionale Versorgungsketten arbeiten können – vorausgesetzt, Planung, IT-Systeme und operative Abläufe sind aufeinander abgestimmt.
Generative KI: Revolution in Warteschleife
Kaum eine Technologie verspricht derzeit so viel Umbruch wie die Generative Künstliche Intelligenz (GenAI). Automatisierte Entscheidungsunterstützung, vorausschauende Planung und optimierte Routenversprechen massive Effizienzgewinne. Dennoch bleibt die Umsetzung bisher auf niedrigem Niveau: Nur einer von zehn Befragten setzt GenAI derzeit produktiv ein, obwohl sie als transformativste Kraft der Branche gesehen wird. Die Gründe dafür sind vielfältig: Mangelnde Datenqualität, fehlende Skalierungsstrategien und ein vorsichtiger Umgang mit Blackbox-Technologien hemmen den Fortschritt. Dabei bieten gerade kleinteilige Anwendungsfälle – wie automatisierte Carrier-Auswahl oder ETA-Prognosen – einen risikoarmen Einstieg mit hohem Potenzial.
Nachhaltigkeit: Anspruch und Wirklichkeit klaffen auseinander
Trotz ambitionierter Klimaziele und wachsender öffentlicher Erwartungen ist Nachhaltigkeit in der Partnerwahl nach wie vor ein untergeordnetes Kriterium: Kosteneffizienz, Zuverlässigkeit und digitale Transparenz überwiegen bei der Spediteurauswahl; lediglich 13 % der Verlader priorisieren Nachhaltigkeit. Dies steht im Kontrast zu vielen Unternehmensstrategien, die sich nach außen klar zur Klimaneutralität bekennen. Die Ergebnisse zeigen: Zwischen erklärtem Ziel und operativer Realität bestehen erhebliche Lücken. Eine Verankerung ökologischer Kriterien in der Vergabepraxis wäre ein wichtiger Hebel, um Investitionen in emissionsarme Transportlösungen wirtschaftlich attraktiver zu machen.
Gemeinsame Herausforderungen – divergierende Perspektiven
Die Studie beleuchtet auch die Unterschiede in der Wahrnehmung der aktuellen Herausforderungen zwischen Verladern und Logistikdienstleistern. Während Erstere vor allem unter langen Transitzeiten, fehlender Transparenz und regulatorischer Unsicherheit leiden, fokussieren Letztere auf Chancen durch Nearshoring, GenAI und neue Umweltauflagen: „Volatile Frachtraten und geopolitische Spannungen dominieren das Stimmungsbild beider Gruppen. Gleichzeitig zeigen sich in vielen Bereichen auch inhaltliche Schnittmengen – ein Signal für mehr Kooperation entlang der Wertschöpfungskette. Die Studienautoren fordern daher ein stärker abgestimmtes Vorgehen, um Synergien besser zu nutzen und gemeinsam resilienter zu werden.
Zukunftskongress Logistik 2025: Mit Künstlicher Intelligenz zu resilienter und nachhaltiger Logistik
Sechs Handlungsfelder für eine zukunftsfähige Logistik
Aus den Umfrageergebnissen leiten BCG und Alpega sechs strategische Prioritäten ab, die Unternehmen helfen sollen, sich langfristig krisenfester und wettbewerbsfähiger aufzustellen:
- 1. Resilienz durch Kooperation steigern: Gemeinsame Planung, geteilte Kontrolltürme und innovative Konzepte wie Multiport-Zugänge oder gebundene Lagerhaltung sollen helfen, auf künftige Störungen besser vorbereitet zu sein. Frühzeitige Datenteilung und vorausschauende Szenarienplanung bilden dafür die Grundlage.
- 2. Nearshoring-Strategien synchronisieren: Da viele Logistikdienstleister bereits Strukturen anpassen, aber viele Verlader noch abwarten, ist eine engere Abstimmung nötig. Gemeinsame Netzwerkplanung, transparente Routenstrategie und geteilte Investitionsmodelle schaffen Planungssicherheit.
- 3. GenAI intelligent einführen: Auch wenn aktuell nur 10 % der Befragten GenAI produktiv nutzen, gilt die Technologie als wichtigster Hebel für Effizienz. Kleine, zielgerichtete Pilotprojekte in klar definierten Anwendungsbereichen reduzieren Einstiegshürden und liefern schnelle Resultate.
- 4. Kosten gemeinsam optimieren: Statt isolierter Vertragsverhandlungen sollten Unternehmen verstärkt auf kollaborative Modelle setzen. Gemeinsame Lagerkonzepte, Rücklastenbündelung und KI-gestützte Tourenplanung senken Kosten und steigern Auslastung.
- 5. Effizienz und Widerstandsfähigkeit zusammen denken: Reine Reaktion auf Krisen reicht nicht mehr aus. Die Branche muss aktiv in operative Exzellenz investieren – von der modularen Lagerarchitektur über Routenplanung bis hin zur digitalen Sichtbarkeit entlang der gesamten Supply Chain.
- 6. Nachhaltigkeit verbindlich integrieren: Um ökologische Ziele zu erreichen und sich gegen regulatorische Risiken abzusichern, sollten Umweltkriterien verbindlich in die Beschaffung integriert werden. Dies erfordert klare Messgrößen, Reportingstandards und Anreizmodelle für CO2-Reduktion.
Appell zur gemeinsamen Umsetzung
Die Studienverantwortlichen betonen abschließend, dass der Wandel in der Logistikbranche nicht länger hinausgezögert werden kann. Die technologischen und strukturellen Möglichkeiten sind vorhanden – nun gilt es, diese in der Breite umzusetzen. „Der Zeitpunkt, um als Branche gemeinsam in mehr Transparenz, Nearshoring-Modelle und GenAI zu investieren, ist genau jetzt. Denn damit können wir nicht nur Kosten senken, sondern auch die Resilienz für weitere Krisen erhöhen“, so Todd DeLaughter, CEO von Alpega.
„Jetzt ist der Moment, kollaborative Strategien in die Tat umzusetzen.“




