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Nachhaltigkeitsziele erreichen 19.01.2023, 14:46 Uhr

Grün durch Digitalisierung: Einsparpotenziale für die Fertigungsindustrie

Die Digitalisierung eröffnet Fertigungsunternehmen enorme Chancen für die aktuell intensiv geforderte grüne Transformation. Sie öffnet zudem auch neue Geschäftsfelder und macht Betriebe resilient und zukunftsfähig. Wie das funktioniert, wird an Praxisbeispielen gezeigt.

Digitalisierung wird zum Schlüssel für mehr Nachhaltigkeit: Sie macht Prozesse durch Datenanalysen transparenter und hilft dabei, Einsparpotenziale zu nutzen. Grafik: Microsoft

Digitalisierung wird zum Schlüssel für mehr Nachhaltigkeit: Sie macht Prozesse durch Datenanalysen transparenter und hilft dabei, Einsparpotenziale zu nutzen. Grafik: Microsoft

Digitale Lösungen ermöglichen transparentere Prozesse und die Identifikation von Einsparpotenzialen in der gesamten Wertschöpfungskette. Das hilft Unternehmen nicht nur, nachhaltiger zu werden, sondern bietet auch die Chance, neue Absatzmärkte zu erschließen.

Sind sich Fertigungsbetriebe ihrer Verantwortung bewusst?

Nachhaltigkeit ist heute kein idealistisches Projekt mehr, sondern Teil eines vorausschauenden und wirtschaftlichen Handelns. Darüber sind sich Entscheider*innen der Fertigungsindustrie bewusst, wie eine repräsentative Umfrage von YouGov im Auftrag von Microsoft Deutschland deutlich macht. Die in einem Whitepaper [1] veröffentlichten Ergebnisse zeigen, dass eine Mehrheit der Führungskräfte in der deutschen Fertigungsindustrie in nachhaltige Technologien investiert, um Produkte (78 Prozent) und Verfahren (67 Prozent) klimafreundlicher zu gestalten sowie ihre CO2-Emissionen (62 Prozent) zu messen.

Auch der Kapitalmarkt koppelt Investitionen längst an Nachhaltigkeitsziele. So hat etwa die Landesbank Baden-Württemberg für eine Studie die ökologischen und sozialen Dimensionen nachhaltigen Handelns in Unternehmen untersucht und festgestellt, dass inzwischen bereits mehr als die Hälfte der institutionellen Anleger in unterschiedlichem Umfang soziale und ökologische Aspekte berücksichtigen, sowie auf eine gute Unternehmensführung bezogene Kriterien bei der Anlageentscheidung mit einbeziehen.

Der Grund liegt auf der Hand: Die Studie [2] belegt, dass nachhaltig agierende Unternehmen, etwa der Konsum- und Handelsbranche, ihre EBIT-Marge deutlich steigern konnten – im Durchschnitt um sechs Prozentpunkte mehr als weniger nachhaltig operierende Wettbewerber. In der ebenfalls untersuchten Fertigungsindustrie sei der Trend aber weniger eindeutig, sagt die Studie, weil andere Faktoren wie Produktqualität, Verhandlungsmacht oder Geschäftsbeziehungen sich in dieser Branche stärker auswirkten.

Auf dem Weg zur grünen Transformation ist auch die optimierte (Fern-)Wartung der Industrieanlagen von Bedeutung.

Foto: Microsoft

Von Seiten der Gesetzgeber wächst der Druck ebenfalls: Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz [3] , das ab 1. Januar 2023 in Deutschland gilt, oder die kommende „Corporate Sustainability Reporting Directive“ (CSRD) der EU [4] fordern Unternehmen dazu auf, nachhaltiger zu werden. Und last but not least: Nachhaltige Arbeitgeber sind attraktiver für Auszubildende und Fachkräfte. Auch das zeigt die von Microsoft bei YouGov in Auftrag gegebene Umfrage.

Digitalisierung – ein wichtiger Schlüssel für Nachhaltigkeit

Nachhaltige Konzepte wie Kreislaufwirtschaft, regenerative Energien oder effizientere und belastbarere Lieferketten sind aber heute nicht mehr denkbar ohne Digitalisierung. Sie wird auf diese Weise zum Schlüssel für mehr Nachhaltigkeit: Digitalisierung macht Prozesse durch Datenanalysen transparenter und hilft dabei, Einsparpotenziale zu nutzen. Damit können Unternehmen intelligentere Maßnahmen ergreifen und nachhaltiger wirtschaften. Das macht die Betriebe zukunftsfähig.

Nachhaltigkeit für mehr unternehmerische Resilienz

Die Krisen der vergangenen Jahre haben gezeigt, wie Nachhaltigkeit und Digitalisierung zu mehr ökonomischer und operativer Resilienz führen können. Lockdowns, Ressourcenmangel oder Lieferengpässe durch internationale Krisen und die Corona-Pandemie sind nur einige der Beispiele, die verdeutlichen, wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit die Wirtschaftlichkeit von Unternehmen positiv beeinflussen können. Gerade das Konzept der „Hybrid Work“ führt vor Augen, wie eine größere unternehmerische Flexibilität möglich wird – und zwar nicht nur in Krisenzeiten, sondern auch darüber hinaus.

Welches Potenzial in der Fertigungsindustrie liegt, macht auch die Bitkom-Studie „Klimaeffekte der Digitalisierung“ [5] deutlich: Bei einem konsequenten und zielgerichteten Einsatz digitaler Technologien könnten im Jahr 2030 rund 64 Megatonnen CO2e (Co2-Äquivalent) eingespart werden. Das ist deutlich mehr als in den Bereichen Mobilität (25 Megatonnen CO2e), Energie (23 Megatonnen CO2e) und Gebäudemanagement (21 Megatonnen CO2e). In der Studie betont der Branchenverband, dass eine beschleunigte Digitalisierung unter anderem in diesen Sektoren zu 41 Prozent der notwendigen Einsparungen führen kann, die nötig sind, um die deutschen Klimaziele bis 2030 zu erreichen. Und fast die Hälfte davon entfällt allein auf die Fertigungsindustrie.

Die Führungskräfte in deutschen Fertigungsunternehmen investieren zunehmend iin nachhaltige Technologien, u.a. um Produkte und Verfahren klimafreundlicher zu gestalten. Grafik: Microsoft

Eine Studie von IDC [6] (International Data Corporation – ein international tätiges Marktforschungs- und Beratungsunternehmen mit Firmensitz im US-amerikanischen Needham) für die Branche wiederum unterstreicht, welche wichtige Rolle die Digitalisierung bei der Implementierung nachhaltiger Initiativen spielt. In der Regel können Unternehmen mit fortgeschrittenen Maßnahmen oft doppelt so schnell agieren wie weniger digitalisierte Unternehmen. Das hat auch Einfluss auf das Selbstbewusstsein der Firmen: Vollständig digitalisierte Unternehmen sehen sich zu 73 Prozent vor ihren Wettbewerbern liegen, wohingegen sich nur 15 Prozent der wenig digitalisierten Betriebe als wettbewerbsfähig wahrnehmen.

Digitale Anwendungen auf dem Weg zur grünen Transformation

Diese Selbstwahrnehmung hat auch damit zu tun, dass heute kaum mehr ein Industriezweig ohne digitale Lösungen auskommt. Das fängt bei alltäglichen kommunikativen und administrativen Tätigkeiten für die Abwicklung des Tagesgeschäfts an, zu denen längst auch Kollaborations- und Kommunikationstools wie „Microsoft Teams“ [7] gehören. Und es reicht bis hin zu speziellen, auf die individuellen Bedürfnisse der Industrie und bestimmter Branchen zugeschnittenen Lösungen, wie die folgenden Beispiele zeigen.

Automatisierte Reduzierung von Energieverbrauch und Emissionen

Die Wienerberger AG [8] hat sich der nachhaltigen Prozessoptimierung bei der Produktion von Ziegeln verschrieben und hat diese mit der Hilfe der Analytics-Software von SAS umgesetzt. Für die großen Schwankungen, die bei der Verarbeitung des natürlichen Rohstoffs auftreten, ist eine ständige Anpassung der Prozessparameter der Schlüssel. Sie erfolgt neuerdings in Echtzeit über Empfehlungen eines datenbasierten Modells. Dafür hat Wienerberger die SAS-Plattform Viya in „Microsoft Azure“ [9] auf einem dedizierten „Azure-Kubernetes-Cluster“ implementiert, der die Datenanalyselösung schnell und universell einsetzbar macht. Das Ziel sind Energieeinsparungen und weniger Emissionen durch eine datengesteuerte Optimierung der Prozessparameter bei gleichbleibender Qualität.

Bosch: Digitaler Zwilling hilft beim Einsparen von Ressourcen

Moderne Turbinen in Windkrafträdern oder elektrisch betriebene Anlagen in der Automobilindustrie haben heute eine Laufzeit zwischen zehn und 20 Jahren. Um aber teure Ausfälle zu vermeiden, werden Teile dieser Maschinen häufig schon vor dem Ende ihres Lebenszyklus getauscht. Das ist aber wenig ressourcenschonend.

Um eine Balance zwischen Betriebszeiten und Nachhaltigkeit zu finden, hat Bosch [10] in der Microsoft-Cloud einen digitalen Zwilling für sein „Integrated Asset Performance Management“ (IAPM) entwickelt. Über die virtuelle Nachbildung des realen Betriebs können Mitarbeiter*innen bei Bosch datengestützte Entscheidungen treffen, damit Ausfälle gar nicht erst auftreten. So werden zum Beispiel Ersatzteile nur noch dann verbaut, wenn sie wirklich nötig sind. Aber nicht nur das: Effizient laufende Maschinen verbrauchen auch weniger Strom und helfen damit beim Energiesparen.

Outokumpu: mehr Energie- und Prozesseffizienz in der Cloud

Mit der Einführung der „Outokumpu Digital Platform“ (ODP) [11] verbindet der finnische Edelstahlhersteller große Hoffnungen: Die durchgehende Digitalisierung soll eine nachhaltige Transformation des gesamten Unternehmens in operativer, finanzieller und kultureller Hinsicht ermöglichen. Aber auch für die Nachhaltigkeit sind die datenbasierten Entscheidungshilfen der ODP nützlich: Über die Azure-basierte Cloud-Plattform kann Outokumpu messen, ob die Strommenge, die durch die Maschinen fließt, auch der Energie entspricht, die zur Verarbeitung des Stahls eingesetzt wird – oder anderweitig verloren geht. So verkleinert das Unternehmen seinen CO2-Fußabdruck, weil es seine Energie wesentlich effizienter einsetzen kann.

Wer „grün werden will“, muss Digitalisierung und Nachhaltigkeit zusammen denken

Allgemein kristallisieren sich für die Fertigungsindustrie vier Schlüsselbereiche heraus, die auf dem Weg zur grünen Transformation von Bedeutung sind: optimierte (Fern-)Wartung mit verringerter Reisetätigkeit, intelligente Produkte, vernetzte Logistik entlang der Lieferkette und operative Exzellenz. Gerade in diesen Bereichen tragen eine präzise Datengrundlage sowie leistungsfähige Software zur grünen Transformation bei, wie die Lösungen von Wienerberger, Bosch und Outokumpu zeigen. Denn in vielen Fällen verbessert sich mit der Effizienz auch die Nachhaltigkeit, wenn beispielsweise Strom gespart und der CO2-Ausstoß verringert werden.

Der Fertigungsindustrie bieten sich enorme Chancen, die sie ergreifen muss, um beim „grünen Umbau“ der Wirtschaft eine zentrale Rolle zu spielen. Das ist nicht nur eine gesellschaftlich und ökologisch wichtige Aufgabe. Vielmehr stellen sich Unternehmen, die an mehr Nachhaltigkeit durch Digitalisierung denken, auf ein wirtschaftlich stabiles und zukunftsfähiges Fundament.

Literatur

  1. https://news.microsoft.com/wp-content/uploads/prod/sites/40/2020/01/Microsoft_Sustainability_Whitepaper_YouGov-Klimaziele-schneller-erreichen-1.pdf
  2. https://www.lbbw.de/artikelseite/maerkte-verstehen/warum-nachhaltige-unternehmen-erfolgreicher-sind_7az2nfam2_d.html
  3. https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Gesetze/Wirtschaft/lieferkettensorgfaltspflichtengesetz.html
  4. https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/Verordnung_Nachhaltigkeitsberichterstattung_CSRD.html
  5. https://www.bitkom.org/sites/main/files/2021–10/20211010_bitkom_studie_klimaeffekte_der_digitalisierung.pdf
  6. https://info.microsoft.com/DE-MNFT-CNTNT-FY22–09Sep-23-Whitepaper-Nachhaltigkeit-in-deutschen-Industrieunternehmen-2021-SRGCM5002_LP01-Registration—Form-in-Body.html
  7. https://www.microsoft.com/de-de/microsoft-teams/group-chat-software
  8. https://www.wienerberger.at/
  9. https://www.sas.com/de_de/solutions/cloud/microsoft-azure.html
  10. https://news.microsoft.com/de-de/maschinen-melden-wartungsbedarf-boschs-digitaler-zwilling/
  11. https://customers.microsoft.com/en-us/story/818687-outokumpu-azure-manufacturing-finland-en

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Von Nico Hartmann

Nico Hartmann leitet als Industry Lead Manufacturing das Geschäft mit der Fertigungsindustrie bei Microsoft Deutschland in München. Foto: Microsoft