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Fortschritte in der Quantensensorik 26.04.2022, 07:30 Uhr

Hochsensitive Quantenmagnetometer sind auf dem Weg in die Industrie

Quantenmagnetometer auf Basis von Diamant sollen magnetische Felder mit einer räumlichen Auflösung von wenigen Nanometern bis hin zu einzelnen Elektronen- und Kernspins nachweisen. Gleich zwei vielversprechende Projekte sind auf der Messe „Laser“ aktuell zu sehen.

Im Applikationslabor Quantensensorik können Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft Quantenmagnetometer für ihre spezifischen Anforderungen evaluieren. Ziel ist aktuell die Entwicklung zweier komplementärer Systeme, um kleinste Magnetfelder mit hoher Auflösung und hoher Empfindlichkeit bei Raumtemperatur zu messen. Foto: Fraunhofer IAF

Im Applikationslabor Quantensensorik können Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft Quantenmagnetometer für ihre spezifischen Anforderungen evaluieren. Ziel ist aktuell die Entwicklung zweier komplementärer Systeme, um kleinste Magnetfelder mit hoher Auflösung und hoher Empfindlichkeit bei Raumtemperatur zu messen.

Foto: Fraunhofer IAF

Aufgrund der physikalischen Materialeigenschaften funktionieren Diamant-Quantenmagnetometer bei Raumtemperatur, was ideal für industrielle Anwendungen ist. Auf der diesjährigen „Laser World of Photonics“ präsentiert das Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF gleich zwei vielversprechende Projekte.

Bauelemente für zukunftsweisende Technologien

Großes Know-how ist in Freiburg bereits vorhanden: Am Fraunhofer IAF entstehen Quantensensoren auf Basis des Materials Diamant, die magnetische und elektrische Felder mit einer hohen Auflösung von wenigen Nanometern feststellen können. Dass sich Diamant-Quantensensoren bei Raumtemperatur anwenden lassen, ist ideal für industrielle Anwendungen. Das Fraunhofer IAF zählt zu den führenden Forschungseinrichtungen auf den Gebieten der III/V-Halbleiter und des synthetischen Diamanten. Auf Basis dieser Materialien entstehen Bauelemente für zukunftsweisende Technologien – wie elektronische Schaltungen für Kommunikations- und Mobilitätslösungen, Lasersysteme für die spektroskopische Echtzeit-Sensorik, neuartige Hardware-Komponenten für Quantencomputer sowie Quantensensoren für industrielle Anwendungen. Dafür stehen ein großer Reinraum und Laborflächen mit Epitaxie- und Technologieanlagen sowie Messtechniken bereit.

Mit seinen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten deckt das Freiburger Forschungsinstitut die gesamte Wertschöpfungskette ab – angefangen bei der Materialforschung über Design und Prozessierung bis hin zur Realisierung von Modulen, Systemen und Demonstratoren. Anwendungsbeispiele: Die Optimierung komplexer elektronischer Schaltkreise, die Sichtbarmachung einzelner Bits in elektronischen Speichermedien oder ein Blick in die winzigen Magnetfelder von Herz und Gehirn (medizinische Diagnostik) – diese Ziele werden mit Hilfe der Quantensensorik verfolgt. Verschiedene Sensorprinzipien lassen sich miteinander kombinieren und erlauben sehr kompakte Bauformen bis hin zum vollständigen System.

Was ist das Ziel der kooperativen Entwicklungsarbeiten?

Derzeit sind Magnetometer für den industriellen Einsatz nur bedingt geeignet, da ihr Betrieb aufwendig und teilweise nur bei extremer Kühlung möglich ist. Zudem verfügen sie für viele Anwendungen über eine zu geringe räumliche Auflösung oder Sensitivität. Aus diesem Grund haben sich Fraunhofer-Forschende aus sechs Instituten im Projekt „Quantenmagnetometrie“ (kurz QMag) zusammengeschlossen, um Sensoren zu entwickeln, mit denen winzige Magnetfelder mit einer nie dagewesenen räumlichen Auflösung und Sensitivität bildgebend und bei Raumtemperatur dargestellt werden können. Das Ziel des Fraunhofer-Leitprojektes besteht darin, die Quantenmagnetometrie aus dem universitären Forschungsumfeld in konkrete industrielle Applikationen zu überführen: Bis 2024 realisieren die Projektpartner Lösungen für den industriellen Einsatz in der Nanoelektronik, der chemischen Analytik und der Materialprüfung.

Breites Fraunhofer-Forschungskonsortium

QMag wird mit insgesamt zehn Millionen Euro zu gleichen Teilen von der Fraunhofer-Gesellschaft und dem Land Baden-Württemberg gefördert. Die Freiburger Fraunhofer-Institute für Angewandte Festkörperphysik IAF, für Physikalische Messtechnik IPM und für Werkstoffmechanik IWM bilden das Kernteam des Konsortiums. Drei weitere Fraunhofer-Institute steuern ihre wissenschaftlichen und technologischen Kompetenzen bei: das Fraunhofer-Institut für Mikrotechnik und Mikrosysteme IMM, das Fraunhofer-Institut für Integrierte Systeme und Bauelementetechnologie IISB ebenso wie das Fraunhofer Centre for Applied Photonics CAP in Glasgow/GB.

Große Fortschritte in der Materialentwicklung

Im Projekt QMag werden zwei Systeme getestet, die auf den gleichen physikalischen Messprinzipien und -methoden beruhen, jedoch unterschiedliche Anwendungen ansteuern: Zum einen entwickeln die Forschenden ein bildgebendes Rastersondenmagnetometer auf Basis von NV-Zentren in Diamant für präziseste Messungen von nanoelektronischen Schaltungen. Zum anderen realisieren sie Messsysteme auf Basis von höchstsensitiven optisch gepumpten Magnetometern (OPMs) für Anwendungen in der Materialprüfung und Prozessanalytik.

„In Bezug auf die Rastersondenmagnetometer konnten wir in der ersten Projekthälfte große Fortschritte in der Entwicklung und Optimierung von Diamantsensorspitzen erzielen“, hält Dr. Ralf Ostendorf, Projektkoordinator von QMag, fest. Dies betrifft sowohl das Wachstum von hochqualitativem Diamant als auch die gezielte Erzeugung und Platzierung von NV-Zentren in den Diamantspitzen. Darüber hinaus haben die Forschenden Mikro-Linsen entwickelt sowie magnetische Nanopartikel synthetisiert, die in die Diamantspitzen eingebracht werden, um diese hinsichtlich Genauigkeit und Effizienz weiter zu optimieren.

Messspitze aus Diamant mit eingebautem Stickstoff-Vakanz-Zentrum. Durch neuartige quantenphysikalische Systeme ergeben sich neue Möglichkeiten für hochempfindliche Sensortechnologien wie das Laserschwellen-Magnetometer. Grafik: Fraunhofer IAF

Mit Diamant und Laser kleinste Magnetfelder messen

Das zweite vom Fraunhofer IAF präsentierte Forschungsprojekt im Bereich der Quantenmagnetometrie zielt auf die Anwendung in der medizinischen Diagnostik: Im Projekt „NV-dotierter CVD-Diamant für ultra-sensitive Laserschwellen-Magnetometrie“ (kurz: DiLaMag) forscht ein Team an der Entwicklung eines extrem sensiblen Sensors, der beispielsweise die schwachen Magnetfelder der Herz- und Hirnaktivitäten des menschlichen Körpers messen kann. Damit könnten Krankheiten früher detektiert werden. „Unser Ziel ist es, einen extrem sensiblen Magnetfeldsensor zu entwickeln, der bei Raumtemperatur sowie bei vorhandenen Hintergrundfeldern funktioniert und damit praktikabel in der klinischen Umsetzung ist“, erklärt Dr. Jan Jeske, Projektleiter von DiLaMag.

Auf der diesjährigen Fachmesse Laser in München (26. – 29. April 2022) gibt es erstmals einen Ausstellungsbereich zum Thema Quantentechnologien: In der „World of Quantum“ (Halle A4) präsentieren die beteiligten Fraunhofer-Institute ihr Projekt QMag. Das Gemeinschaftsexponat demonstriert die Materialprüfung mit OPMs (optisch gepumpten Magnetometern). Außerdem stellt das Fraunhofer IAF seine Forschungsarbeiten im Bereich Diamantwachstum sowie NV-dotierter Diamant vor und demonstriert das grundlegende Prinzip der Messung mit NV-Diamanten.

Know-how zur Quantenmagnetometrie

Hintergrund: Heutige Magnetometer verfügen für viele künftige Applikationen über eine zu geringe Sensitivität. Ziel des Fraunhofer-Konsortiums QMag (www.qmag.fraunhofer.de/) ist es, Magnetometer weiter zu entwickeln und für Anwendungen zu erproben. Dabei kommen zwei verschiedene, auf Konzepten der Quantentechnologie basierende Magnetometer Prinzipien zum Einsatz:

  • Zum einen sollen Stickstoff-Vakanz-Zentren in Diamant genutzt werden, die als kleinste Tastmagneten in einem bildgebenden Rastersondenmagnetometer fungieren. Damit wird ein einzelnes atomares System zu einem hochempfindlichen Sensor, der bereits bei Raumtemperatur betrieben werden kann.
  • Zum anderen kommt ein alternatives Messverfahren zum Einsatz, das die Magnetfeldabhängigkeit der optischen Eigenschaften von Alkali-Atomen (optisch gepumpte Alkali-Magnetometer – OPM) nutzt.

Basierend auf Prototypen solcher Magnetometer, sollen anwendungsspezifisch kostengünstige, komplette Messsysteme entstehen. Die beiden Messverfahren sind komplementär hinsichtlich höchster Ortsauflösung und extremer Empfindlichkeit, so dass im Ergebnis unterschiedliche neue Anwendungen erschlossen werden können. Mit solchen neuartigen Quantenmagnetometern ließen sich beispielsweise mikro- und nanoelektronische Bauelemente zerstörungsfrei prüfen und optimieren. Sogar einzelne Bits in Speichermedien könnten visualisiert werden. Außerdem lautet das Ziel, die Prozess-Kernspinresonanz zur chemischen Prozessanalyse als auch die Streumagnetfeldmessung zur kontaktfreien Materialprüfung zu erproben und zu etablieren. Die Laufzeit des Projekts ist von 2019 bis 2024. Fördermittelgeber sind die Fraunhofer-Gesellschaft und das Land Baden-Württemberg zu gleichen Teilen.

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