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Effiziente Fehlerdiagnose 07.10.2022, 12:29 Uhr

Ursachen für Kommunikationsprobleme auf der Spur

Zeit ist ein wesentlicher Faktor in der automatisierten Produktion. Nicht nur die Hardware, sondern auch das Netzwerk können Ursache für Stillstände in der Fertigung sein – am Beispiel eines Miele-Standorts wird die erfolgreiche Fehler-Diagnose und -Behebung geschildert.

Gas- und Keramikkochfelder, (Druck-)Dampfgarer und Wärmeschubladen werden bei Miele in Bünde hergestellt. Rund 700 Mitarbeiter arbeiten am Standort, jährlich verlassen circa 500.000 Geräte das Werk. Foto: Miele

Gas- und Keramikkochfelder, (Druck-)Dampfgarer und Wärmeschubladen werden bei Miele in Bünde hergestellt. Rund 700 Mitarbeiter arbeiten am Standort, jährlich verlassen circa 500.000 Geräte das Werk.

Foto: Miele

Um Produkte wirtschaftlich herstellen zu können, müssen Anlagen täglich zuverlässig funktionieren. Denn jeder Stillstand kostet Geld. Treten Fehler auf, steht als erstes die Mechanik im Fokus – und ob Sensorik, Aktorik sowie Steuerungstechnik ihren Dienst tun. Das Netzwerk wird vielerorts jedoch immer noch nicht als relevanter Teil einer belastungsfähigen Anlage gesehen. Dabei kann es durchaus zum „Störenfried“ werden und Probleme verursachen, die sich nicht einfach nachvollziehen lassen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Instandhaltungsteams der Imperial-Werke in Bünde können das aus ihrem Alltag bestätigen. Gezeigt wird im Praxisbeispiel, wie OT (Operational Technology)-Diagnose-Switches Transparenz in eine Dampfgarer-Fertigungsanlage bringen.

Oberstes Ziel: Transparenz schaffen

Miele mit Hauptsitz ist Gütersloh ist der weltweit führende Anbieter von Premium-Hausgeräten. Das 1899 gegründete Unternehmen unterhält acht Produktionsstandorte in Deutschland, je ein Werk in Österreich, Tschechien, China, Rumänien und Polen sowie die zwei Werke der italienischen Medizintechnik-Tochter Steelco Group. Der Umsatz betrug im Geschäftsjahr 2020 rund 4,5 Milliarden Euro (davon in Deutschland: 29,5 Prozent). Hauptsitz ist Gütersloh in Westfalen.

Gas- und Keramikkochfelder, (Druck-)Dampfgarer und Wärmeschubladen werden bei Miele im Werk Bünde hergestellt. Rund 700 Beschäftigte arbeiten am Standort, jährlich verlassen circa 500.000 Geräte das Werk. Das Team der Betriebstechnik sorgt vor Ort für eine reibungslose und sichere Produktion. Sporadisch auftretende und unklare Netzwerkausfälle können in der Produktionslinie für Dampfgarer jedoch trotzdem für Stillstände sorgen. Diesen wollten die Instandhalter auf den Grund gehen.

Jan Rüter, Leiter Betriebstechnik bei Miele in Bünde: „Wir hatten immer wieder sporadische Ausfälle und konnten nicht wirklich nachvollziehen, was die Ursache dafür war.“

Foto: Miele

Blechbearbeitungsprozesse im Fokus der Ursachenforschung

Für die Garraum-Produktion werden gestanzte Edelstahlbleche zugeführt, die über verschiedene Umform- und Schweißprozesse zu Garräumen für Dampfgarer umgearbeitet werden. In der automatisierten Anlage sind einzelne Roboterzellen miteinander verkettet, die Platinen werden von Station zu Station weitergegeben. Circa alle zwei Minuten verlässt dabei ein neuer Garraum diese Produktionslinie in Richtung Endmontage.

Jan Rüter, Leiter der Betriebstechnik bei Miele im Werk Bünde, umreißt die Situation: „Wir hatten immer wieder sporadische Ausfälle und konnten nicht nachvollziehen, was die Ursache dafür war. Weil wir nicht einzelne Maschinen, sondern das Netzwerk an sich in Verdacht hatten, haben uns die Kolleginnen und Kollegen aus unserem Werk in Bielefeld ihren Profinet-Inspektor geliehen. Das war ein erster wichtiger Schritt in Richtung Ursachenforschung.“

Der „Profinet-Inpektor“ bestätigte im ersten Schritt, dass die Fehler ihre Ursache in der Netzwerkkommunikation hatten.

Foto: Miele

Die Auswertung dieser Daten bestätigte, dass der Fehler im Kommunikationsnetz liegt, genauer gesagt in der EMV (Elektromagnetische Verträglichkeit). Dies bezeichnet die Fähigkeit eines technischen Geräts, andere Geräte nicht durch ungewollte elektrische oder elektromagnetische Effekte zu stören oder durch andere Geräte gestört zu werden.

Ursache: Datenverluste aufgrund von Schweißanwendungen

Um den Potentialausgleich permanent im Blick zu haben, wurden die Industrial Ethernet Switches des Typs „PROmesh P9“ und „P20“ eingesetzt. Deren Ableitstrom-Überwachung erfasst den exakten Zeitpunkt, die Frequenz (Abtastrate von 25 KHz) und Intensität (Messbereich von 0 bis 10 A) von EMV-Einkopplungen in Datenleitungen.

Der Switch überwacht Ableitströme permanent über das gesamte Frequenzspektrum (20 kHz) und macht so Ursachen und Zusammenhänge für EMV-Störungen nach-vollziehbar. Grafik: Indu-Sol

Zudem ergab sich noch ein weiterer großer Vorteil: Die Switches sind gemanaged und ermöglichen somit den Zugriff auf die Kommunikationsdaten. Das ist die Basis für die permanente Netzwerküberwachung, die die „PROmesh“-Switches bieten. Diese hilft dabei, sporadischen nicht reproduzierbaren Ereignissen und deren Ursachen auf die Spur zu kommen und damit die Netzwerkperformance im Blick zu behalten.

Überschreitet der Datenverkehr im Netzwerk die Leistungsgrenze eines Switches, kommt es zum Datenverlust (Discards). Diese werden als Portstatistiken auf einer integrierten Weboberfläche gemeinsam mit Errors, Fehlertelegrammen Netzlast/ms angezeigt. „Heute können wir sagen, was die Ursachen unserer Probleme sind“, erklärt Wilhelm Kröger, Teamleiter Maschinen- und Anlagentechnik im Werk Bünde. „Weil wir viele Schweißanwendungen nutzen, haben wir phasenweise große Störströme und die beeinflussen letzten Endes die Netzwerkkommunikation.“

Wilhelm Kröger, Teamleiter Maschinen- und Anlagentechnik bei Miele: „Als Ursache für unsere Probleme identifizierten erwiesen sich die Schweißanwendungen. Phasenweise bewirkt dies große Störströme, und die beeinflussen die zuverlässige Netzwerkkommunikation.“

Foto: Miele

Umstellung vom IT- zum OT-Switch

In der Vergangenheit waren bei Miele im Werk Bünde klassische IT-Switches verbaut. Diese wurden von der IT-Abteilung betreut. Das brachte gleich mehrere Nachteile: Die Mitarbeiter der Instandhaltungsabteilung hatten keinen Zugriff auf die Switches. Zudem entsprechen diese Switches nicht den Anforderungen der OT hinsichtlich Profinet-Zertifizierung, „Netload Class“ (Robustheit gegenüber dem zu verarbeitenden Netzwerkverkehr) und „Conformance Class“ (Umfang der Profinet-Funktionalitäten). Gleichzeitig bieten diese Switches keine Diagnosefunktionen, wie bspw. die Ableitstrommessung, die für den Betrieb eines OT-Netzwerkes sinnvoll wären.

Bevor in einem größeren Unternehmen jedoch neue Switches eingesetzt werden, muss nicht nur die Instandhaltung von der Hardware überzeugt sein. Auch die Betreuungsverantwortlichkeiten einzelner Produktionsbereiche mussten gemeinsam mit der IT neu überdacht werden. „Es gibt natürlich zahlreiche Anforderungen, die so ein Gerät erfüllen muss, ehe wir es einsetzen können. Daher war es eine Erleichterung, dass wir zuerst einmal von Indu-Sol einen Switch leihen und umfassend testen konnten.“

Diese Tests zeigten sehr schnell, dass sich die zu der Zeit noch unbekannten Ursachen für die Netzwerkstörungen schnell und simpel transparent machen lassen. Um den Einsatz endgültig zu ermöglichen, entwickelten die Netzwerkexperten noch einen Firmwarezusatz passend zu den IT-Sicherheitsanforderungen von Miele. Horst Voigt, Key-Account-Manager bei Indu-Sol, sagt: „Uns ist es wichtig, unseren Kunden eine ideale Lösung bieten zu können. Sind wir in den Entscheidungsfindungsprozess so gut eingebunden wie bei Miele, sind solche individuellen Anpassungen unkompliziert realisierbar.“

Welche Schwierigkeiten sind zu erwarten?

Hilfreich fanden die Instandhalter des Herstellers ebenso die Schulung vorab. Denn sie sind im wesentlichen Elektriker und keine Netzwerkexperten. Daher wies Indu-Sol das Instandhaltungsteam nicht nur in die Nutzung der Switches ein, sondern vermittelte auch alle essenziellen Inhalte zum Thema Datennetzwerk. Herr Kröger erinnert sich: „Welche Fachbegriffe gibt es? Welche Schwierigkeiten können auftreten? Wie äußern sie sich? Wie kann man sie beheben? Wir haben in kurzer Zeit sozusagen einen Einblick in die „geheimen Machenschaften“ des Netzwerks erhalten. Das war sehr hilfreich. Ebenso nützlich ist aber, dass wir bei konkreten Fragen, die meist erst im Arbeitsalltag auftreten, Antworten und Unterstützung von den Netzwerkexperten erhalten.“

Indu-Sol hat sich als herstellerneutrales, branchenübergreifendes Technologieunternehmen die objektive Bewertung von Qualität und Stabilität in industriellen Datennetzwerken zur Aufgabe gemacht – und sieht sich das Unternehmen als ganzheitlichen Partner für industrielle Netzwerke. Dies beginnt mit einem Netzwerkconsulting/ -planung über die Lieferung von Komponenten (Infrastruktur und Diagnose) bis hin zur Unterstützung im Fehlerfall und der Schulung des verantwortlichen Personals.

Transparenz schaffen ist der erste Schritt zur Lösung

Nur wer sein Problem kennt, kann es auch lösen. Gleichzeitig ist ein Problem noch lange nicht gelöst, nur weil man sich seiner Ursachen bewusst ist. Die Schweißapplikationen des Herstellers benötigen eine Hochfrequenzzündung. Diese erzeugt eine elektromagnetische Störstrahlung, die auch auf Datenleitungen wirkt. Daraus entstehen Datenkommunikationsprobleme, die den Ablauf einzelner Fertigungsschritte stören oder sie nicht korrekt ausgeführt werden. So gehen beispielsweise Datenpakte verloren, was zu anormalem Verhalten der Anlage oder schlimmstenfalls Stillstand führt.

Rüter erläutert: „Wir sind nun dran, das Plasma-Schweißen durch ein Verfahren zu ersetzen, das gleiche Geschwindigkeiten und Qualität bietet, dabei aber weniger Ableitströme erzeugt. Das ist natürlich keine triviale Aufgabe.“ Das Beispiel zeigt: nicht alle Fehlerquellen konnten einfach eliminiert oder entschärft werden. Daher interessiert die Instandhalter auch: Welche Erfahrungen machen andere an dieser Stelle und wie lassen sich die Ursachen von Problemen in der Netzwerkkommunikation lösen? „Hier würden wir uns auch über einen Austausch mit Instandhaltern anderer Unternehmen zu deren Erfahrungen und Lösungsansätzen freuen“ sagt Rüter.

Die einfache Integration überzeugte

Nach der Entscheidung für den Einsatz neuer Switches galt es natürlich, diese zu integrieren. Die Integration gestaltete sich bei den „PROmesh“-Switches insgesamt sehr einfach. Dirk Blöcker, Betriebstechniker bei Miele in Bünde erinnert sich: „Weil wir all unsere Switches nicht direkt in der Anlage, sondern in einem abgesetzten Schaltschrank installiert haben, musste lediglich an einer Stelle getauscht werden. Gemeinsam mit dem Spezialisten haben wir den Austausch gut vorbereitet. So dauerte es nur gut einen halben Tag, bis die Anlage wieder produktiv arbeiten konnte.“

„PROmesh“-Switches im zentralen Schaltschrank der Dampfgarer-Fertigungsanlage bei Miele.

Foto: Imperial

Der Hersteller von Kücheneinbaugeräten freute sich über die Transparenz, die sich mit den neuen Switches in der Netzwerkkommunikation erzielen ließ. Dankbar sind die Instandhaltungsmitarbeiter aber auch für das, was sie auf dem Weg gelernt haben. Einige brachten viel Vorwissen mit, dennoch haben alle durch die Schulung und den Austausch mit Indu-Sol in kurzer Zeit sehr viel Hilfreiches über die Netzwerkkommunikation gelernt. Auch dieses tiefere Verständnis sorgt heute letzten Endes für eine ausfallsichere Produktion, an deren Ende hochwertige Produkte stehen. Blöcker resümiert: „Unsere Praxiserfahrung zeigt, dass die Grenzen zwischen Maschinen- und IT-Netzwerk immer mehr verschwimmen. Daher wird es künftig wichtig sein, dass Instandhalter immer mehr von Netzwerkkommunikation verstehen und auch Zugriff aufs Produktionsnetz haben. Hier ist letzten Endes der richtige Switch der Schlüssel zum Erfolg.“

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Von Denise Fritzsche, Nora Crocoll

Denise Fritzsche ist Marketingassistentin bei Indu-Sol. Bild: Indu-Sol
Dipl.-Ing. (FH) Nora Crocoll arbeitet für das Redaktionsbüro Stutensee.