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Klärschlammverwertung 01.09.2017, 00:00 Uhr

Phosphate aus Klärschlamm biologisch entfernen

Die bisher geläufige Meinung war, dass Klärschlämme von Kläranlagen mit erweiterter biologischer Phosphatelimination (Bio-P) schlechter entwässern und mehr polymere Flockungsmittel benötigen. Bei genauerer Betrachtung und unter neuen Gesichtspunkten kann diese Aussage jedoch korrigiert werden. Die Entwässerung von Bio-P-Schlämmen ist besser als ihr Ruf, wie der folgende Beitrag darlegt.

Bild: hansenn/shotshop

Bild: hansenn/shotshop

Mit der Einführung der Bio-P-Stufe haben sich in der Vergangenheit auch vermehrt Nebenwirkungen gezeigt. Häufig ist ein erhöhter Bedarf an Polymeren zu beobachten, sowie eine Verschlechterung der Schlammentwässerung. In Fachkreisen gibt es mehrere Meinungen, wie es dazu kommt. Als eine Möglichkeit wird eine verstärkte Produktion von exopolymeren Substanzen vermutet, was das Wasser chemisch bindet beziehungsweise dieses als Quellstoff benutzt. Das gebundene Wasser lässt sich bei der Schlammentwässerung nicht separieren und wird bei der Messung des Austrages mittels der Trockenwaage als abtrennbares Wasser interpretiert. Eine zweite allgemeine These ist die Bildung von Phospholipiden, welche ebenfalls Wasser als Quellstoff verwendet beziehungsweise zwischen den Lipidsträngen bindet. Diese sollen verstärkt durch die erweiterte Bio-P entstehen.

Die AQRatio Schlamm- und Verfahrenstechnik aus Egloffstein, welche sich vor allem mit den chemischen und physikalischen Eigenschaften von Klärschlämmen und deren Wasseranteilen befasst, hat diese Erscheinungen näher untersucht.

Biologische und erweiterte biologische Phosphatentnahme

Während der biologischen Abwasserreinigung wird stets Phosphat zum Zellaufbau entnommen. Bei der erweiterten biologischen Phosphatentnahme werden zusätzlich die Phosphor akkumulierenden Organismen dazu angeregt, Phosphat über das Zellwachstum hinaus zu speichern. Dieser Vorgang wird durch einen Wechseln von anaeroben zu aeroben Verhältnissen in der Biologie verursacht. Da bei bestehenden Anlagen dazu selten ein extra dafür geschaffenes Becken verwendet wird, greift man auf ein Wechselbecken zurück. Es ist im Normalbetrieb als Denitrifikationsbecken gedacht. Durch Änderung der Rezirkulation in ein nachgeschaltetes Becken wird dieses zum anaeroben Mischbecken umfunktioniert. Das hat zur Folge, dass sich das belebte Schlammalter reduziert, und das Bakterienwachstum gefördert wird. Daraus resultiert eine gesteigerte Überschussschlammproduktion, was wiederum im weiteren Verlauf eine Verschiebung des Verhältnisses von Primärschlamm zugunsten des Überschussschlammes nach sich zieht. Alleine das hat einen niedrigeren Trockenrückstand (TR)-Austrag zur Folge.

Die Messung des Entwässerungsergebnisses

Um die Entwässerung beurteilen zu können, wird im Zu- und Ablauf von Entwässerungsaggregaten der TR gemessen. Dabei ist der Austrag aussagekräftig, da sich im jahreszeitlichen Verlauf so Schwankungen zeigen und Ganglinien erstellen lassen. Mit Inbetriebnahme einer Bio-P Stufe lässt sich ein deutlicher Abfall des Wertes feststellen. Aufgrund dieser Tatsache wird angenommen, dass sich die Entwässerung verschlechtert. Bei dieser Art von Messung wird die Gewichtsabnahme im Verhältnis zur aufgebrachten Probemenge bestimmt. Das Ergebnis wird in % TR ausgedrückt. So kann der Gewichtsverlust, welcher mit der enthaltenen Wassermenge gleichzusetzen ist, verdeutlicht werden. Es lässt sich genau bestimmen, was entweicht. Dabei handelt sich um Wasser mit definiertem Volumen als auch Dichte. Der Rückstand auf der Trockenwaage kann jedoch nicht ausreichend beurteilt werden. Lediglich die Masse des TR ist bekannt, nicht aber das spezifische Gewicht und somit das Volumen. Ein theoretisches Experiment soll dies veranschaulichen: In einen Behälter mit 10 l Fassungsvermögen wird jeweils ein Würfel mit einer Kantenlänge von 10 cm gegeben (1 l Volumen). Der eine besteht aus Eisen mit einer Dichte von 7,87 kg/dm³, der andere aus Aluminium mit einem spezifischen Gewicht von 2,70 kg/dm³. Berechnet man nun den TR bezogen auf das Ausgangsgewicht, wird deutlich, dass das Ergebnis unterschiedlich ist. Das Ausgangsgewicht des Behälters mit dem Eisenwürfel beträgt 16,87 kg, der andere wiegt 11,7 kg. Bei beiden können 9 l Wasser entfernt werden. Das Ergebnis mit Eisen beträgt 46,65 %, bei Aluminium 23,08 %. Damit wird verdeutlicht, dass zwei Proben mit gleichem Volumen und Wassergehalt einen unterschiedlichen Wert hervorbringen können.

Bild: Separ Chemie GmbH

Bild: Separ Chemie GmbH

 

Anteil von Fällschlamm in einer Klärschlammsuspension

Bei Ausnutzen der erweiterten Phosphatelimination sinkt der Bedarf an Fällmittel um etwa 50 bis 70 %. Das bedeutet, dass ein Stoff mit hohem spezifischen Gewicht im Schlamm reduziert und somit das gesamte spezifische Gewicht des Schlammes gesenkt wird. Überträgt man dies auf das zuvor aufgeführte Gedankenexperiment, ist festzuhalten, dass der TR bei gleichem Wassergehalt im Falle einer Bio-P reduziert ist.

Berechnung anhand einer Modellkläranlage

Anhand einer Modellkläranlage mit 100 000 Einwohnergleichwerten und einer Faulung konnte eine Schlammbilanz erstellt werden. Dabei wurden die Betriebszustände ohne und mit erweiterter Phosphatentnahme erfasst; die Bio-P Leistung wurde mit 70 % Fällmitteleinsparung gleichgesetzt. Der Ablaufwert an Ortho-Phosphat war mit 0,5 mg/l angenommen (entspricht rund 0,7 mg/l PGes => Grenzwert 1 mg/l). Der Beta Faktor war mit 2 mol Metall pro Mol Phosphor festgesetzt.

Die tägliche Schlammmenge nach Faulung beträgt im Normalbetrieb 5 232 kg/d, während beim Bio-P Betrieb nur mit 4 291 kg zu rechnen sind. Aufgrund des reduzierten Fällschlammes beträgt die Dichte des Schlammes bei einer erweiterten biologischen Phosphatentnahme nur 1,3 kg/dm³. Ohne dieses Verfahren liegt die mittlere Dichte bei 1,5 kg/dm³ in der TR. Das Adhäsions- und Zellinnenwasser ließ sich durch eine Kombination aus isothermer Trocknung und chemischer Analyse bestimmen. Damit ergaben sich 12 466 kg Wasser beim herkömmlichen Verfahren und 12 566 kg Wasser im Bio-P Fall. Der etwas erhöhte Wasseranteil resultierte durch eine vermehrte Überschussschlammproduktion aufgrund des reduzierten Schlammalters. AQRatio geht bei seiner Berechnung von 20 % geringeres Schlammalter zum Normalbetrieb aus. Über folgende Formel lässt sich der zu erwartende Trockenrückstand berechnen: Feststoff geteilt durch (Feststoff + Wasseranteil) mal 100. Somit erhält man als Ergebnis 29,56 % zu 25,46 % TR. Alleine durch diesen Umstand beträgt die Abweichung etwas mehr als 4 % TR.

Bild: AQRatio

Bild: AQRatio

 

Weitere Auswirkungen

Wird der biochemische Sauerstoffbedarf im Zulauf der Belebung bei Bio-P Betrieb erhöht, zum Beispiel durch Zugabe einer externen Kohlenstoffquelle oder einer Teilumfahrung der Vorklärung, steigt die Differenz weiter an. Die relevantesten Parameter sind die Überschussschlammproduktion im Verhältnis zum eingesetzten Fällmittel, der Beta-Faktor dieses sowie das Verhältnis des Schlammalters bei den unterschiedlichen Betriebszuständen. Hier entstehen ohne weiteres Differenzen von 5 % TR und mehr.

Betrachtung des Verbrauches an polymeren Flockungsmitteln

Eine weitere häufige Beobachtung bei der Entwässerung von Schlämmen aus der erweiterten biologischen Phosphatelimination ist der gesteigerte Produktverbrauch von polymeren Flockungsmitteln. Durchschnittlichen Angaben zufolge liegt dieser Mehrverbrauch bei etwa 3 kg Wirksubstanz pro t TR. Der Verbrauch an Produkten zur Flokkulation hängt vom kationischen Bedarf des Schlammes ab – der Menge an kationischen Ladungen, um den Schlamm zu agglomerieren. Messtechnisch existiert auch eine Einheit hierfür. Man spricht von Äquivalentladung je Masseneinheit, ausgedrückt als eq/kg. Das ist ebenfalls die Einheit, in welcher die Ladungsstärke von Produkten wiedergegeben wird. Den zur Agglomeration benötigte Ladungsausgleich erlangt man durch chemische Produkte. Bei der Schlammentwässerung wird dies durch Polyacrylamide mit anpolymerisierten Ladungsgruppen (Adam-Madam- oder Dimapa-Quat) bewirkt. Was häufig wenig Beachtung findet, ist der Ladungseintrag durch Eisen- oder Aluminiumsalze. Neben der Phosphatfällung wird der Überschuss solcher Fällmittel teilweise zur Koagulation verwendet. Diese Produkte werden ebenfalls in der Trinkwasseraufbereitung zur Beseitigung von Trübstoffen durch die Primärflockung verwendet.

Sowohl bei Polymeren, als auch bei Metallsalzen lässt sich die Stärke durch eine spezielle Ladungstitration messen. Ein übliches Polymer hat bei einer Kationizität von 70 % – bezogen auf Gewicht – eine mittlere Ladungsdichte von 3 614 meq/kg. Eine Titration von einer einmolaren Eisen(III)Chlorid–Lösung ergibt einen Wert von 368 meq/Mol. Da in einer handelsüblichen Lösung 2,5 Mol enthalten sind, entspricht die tatsächliche Ladung 920 meq/kg. Somit werden rund 4 kg Eisenlösung benötigt, um die Ladung für 1 kg Polymer zu ersetzen. Bei 3 kg Wirkstoff pro Tonne TR bedeutet dies einen Eisenbedarf von 12 kg Fe(III)Cl 2,5 Mol pro Tonne Trockenrückstand. Bei der Bio-P Beispielanlage müssen am Tag rund 4,38 Tonnen TR entwässert werden. Dies würde einen Mehrverbrauch von 13,14 kg Polymer pro Tag bedeuten. Das entspricht der Ladung von 52,56 kg Eisenprodukt pro Tag. Vergleicht man die zwei Betriebsweisen, wird dem Schlamm 880 kg/Tag weniger Fällmittel zugegeben als im Normalbetrieb. Relativ unbeachtet bleibt das Phosphat selber. Ebenso wie Metallsalze, wird Phosphat in der Industrie als anionischer Koagulant zur Ausflockung verschiedener Mineralien eingesetzt. Somit wird durch freies Phosphat als Lieferant für anionische Ladungen ein erhöhter Kationenbedarf erzeugt. Die Ladungsdichte von Phosphat hat denselben Betrag wie das Eisen(III)Chlorid, nur mit anionischem Vorzeichen. Sie beträgt nach Messung –357 meq/mol. Somit wird zum Ausgleich für das reduzierte Eisen und der Neutralisation des Phosphates als Ladungsträger eine erhöhte Menge an Polymer benötigt. Eine genaue Quantifizierung kann aufgrund der Vielzahl von Nebenreaktionen des Eisens nicht gezogen werden. Jedoch liegt der Schluss nahe, dass ein Mangel durch nichteingebrachte Kationen des Eisens einen höheren Bedarf an polymerem Flockungsmittel erzeugt und diesen auch rechtfertigt.

Abschließende Bewertung

Sowohl der reduzierte Trockenstoffaustrag bei der Schlammentwässerung als auch der erhöhte Bedarf an polymeren Flockungsmitteln lassen sich begründen und auch rechnerisch nachweisen. Als unbeachteter Parameter sollte der Dichte eine erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt werden, da diese direkten Einfluss auf das Messergebnis der Schlammentwässerung hat. Eine echte Störung durch den Bio-P Betrieb kann nach einer ganzheitlichen Betrachtung nahezu ausgeschlossen werden.

Von Michael Kocher

AQRatio Schlamm- und Verfahrenstechnik, Egloffstein, Michael Kocher, michael.kocher@aqratio.de