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Künstliche Intelligenz 28.04.2025, 07:00 Uhr

Pflanzenforschung: KI ermöglicht Blütezeitbestimmung

Forschende haben eine neue KI-Methode entwickelt, die mit minimalem Trainingsaufwand zwischen blühenden und nicht blühenden Gräsern unterscheiden kann. Das verspricht eine deutliche Beschleunigung der landwirtschaftlichen Feldforschung und eröffnet neue Möglichkeiten für die Pflanzenzüchtung und digitale Landwirtschaft.

Chinesisches Silbergras

An Fotos von Miscanthus-Grasarten testeten die Forschenden die neue KI-Methode.

Foto: PantherMedia / leungchopan

Ein Forscherteam unter der Leitung von Andrew Leakey, Professor für Pflanzenbiologie und Pflanzenwissenschaften an der University of Illinois Urbana-Champaign, hat in Zusammenarbeit mit Sebastian Varela vom Center for Advanced Bioenergy and Bioproducts Innovation einen Ansatz entwickelt, um die Unterscheidung von Pflanzenmerkmalen mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) zu verbessern. Die beiden Wissenschaftler nutzten Bilder von Tausenden von Miscanthus-Grasarten, um ein maschinelles Lernprogramm zu trainieren, das in der Lage ist, selbstständig zwischen blühenden und nicht blühenden Gräsern zu unterscheiden. Dieser Durchbruch verspricht eine signifikante Beschleunigung der landwirtschaftlichen Feldforschung.

Das genaue Unterscheiden von Pflanzenmerkmalen unter wechselnden Bedingungen und in verschiedenen Wachstumsstadien stellt eine große Herausforderung dar, betont Leakey. Der neu entwickelte Ansatz sollte jedoch nicht nur auf Miscanthus, sondern auch auf viele andere Pflanzen anwendbar sein. Die Ergebnisse dieser Forschung wurden in der Fachzeitschrift Plant Physiology veröffentlicht.

KI ermöglicht effiziente Bestimmung der Blütezeit

Die Blütezeit ist ein entscheidender Faktor, der die Produktivität und Anpassungsfähigkeit vieler Pflanzen an verschiedene Anbaugebiete beeinflusst. Bisher erforderte die wiederholte visuelle Beobachtung von Tausenden von Einzelpflanzen in umfangreichen Feldversuchen einen enormen Arbeitsaufwand. Das Forscher-Team nutze jetzt Bilder von Drohnen und künstliche Intelligenz, um relevante Daten aus den Aufnahmen zu gewinnen. So kann der bislang aufwendige Prozess rationalisiert und effizienter gestaltet werden.

Die Entwicklung von KI-Modellen, die in der Lage sind, subtile Merkmale in komplexen Bildern zu erkennen, erfordert normalerweise große Mengen an von Menschen kommentierten Daten. Solche  Daten zu generieren ist äußerst zeitaufwendig und die daraus resultierenden Deep-Learning-Methoden neigen dazu, stark kontextabhängig zu sein. Wenn sich der Kontext ändert, beispielsweise bei der Analyse einer anderen Pflanze oder derselben Pflanze unter veränderten Bedingungen, muss das Modell in der Regel anhand weiterer kommentierter Bilder, die diese neuen Gegebenheiten widerspiegeln, neu trainiert werden.

Innovativer Ansatz minimiert Bedarf an kommentierten Trainingsdaten

Um den Bedarf an von Menschen kommentierten Trainingsdaten zu verringern, setzte Varela ein generatives adverses Netzwerk (GAN) ein, bei dem zwei KI-Modelle gegeneinander antreten. In diesem Prozess erzeugt ein Modell gefälschte Bilder einer gewünschten Szene, während das zweite Modell die Bilder überprüft, um zwischen gefälschten und echten Bildern zu unterscheiden. Im Laufe der Zeit verbessern sich die Modelle gegenseitig, sodass das erste Modell realistischere Fälschungen erzeugt und das zweite Modell besser darin wird, diese von den echten Bildern zu unterscheiden.

Während dieses Prozesses erwerben die Modelle visuelles Fachwissen über das jeweilige Thema, was ihnen ermöglicht, die Details aller neuen Bilder, auf die sie stoßen, besser zu analysieren. Varela stellte die Hypothese auf, dass dieses selbst generierte Fachwissen genutzt werden könnte, um die Anzahl der kommentierten Bilder zu reduzieren, die für das Training der Modelle zur Unterscheidung vieler verschiedener Pflanzen erforderlich sind. Durch diesen Ansatz entwickelte er ein „effizient überwachtes generatives und adverses Netzwerk“ (ESGAN).

In einer Serie von Experimenten verglichen die Forschenden wie genau ihr ESGAN im Vergleich mit bestehenden KI-Trainingsprotokollen ist. Die Ergebnisse zeigten, dass ESGAN den Bedarf an von Menschen kommentierten Daten im Vergleich zu traditionellen, vollständig überwachten Lernansätzen um ein bis zwei Größenordnungen reduzieren konnte.

Diese Erkenntnisse verringern den Aufwand, der für die Entwicklung und Anwendung speziell geschulter maschineller Lernmodelle zur Bestimmung des Blütezeitpunkts an verschiedenen Standorten, in Zuchtpopulationen oder bei unterschiedlichen Arten erforderlich ist, deutlich. Darüber hinaus ebnet der Ansatz den Weg dafür, ähnliche Herausforderungen in anderen Bereichen der Biologie und der digitalen Landwirtschaft zu überwinden.

KI als Schlüssel zur Stärkung der Bioökonomie

Leakey und Varela werden ihre Zusammenarbeit mit dem Miscanthus-Züchter Erik Sacks fortsetzen, um die neue Methode auf Daten aus einem mehrstaatigen Miscanthus-Zuchtversuch anzuwenden. Ziel dieses Versuchs ist die Entwicklung regional angepasster Miscanthus-Linien, die als Rohstoff für die Produktion von Biokraftstoffen und Bioprodukten auf derzeit nicht rentabel bewirtschaftbaren Flächen eingesetzt werden können.

Die Forschung von Leakey, Varela und ihrem Team eröffnet neue Möglichkeiten für die Pflanzenzüchtung und die digitale Landwirtschaft. Durch den Einsatz künstlicher Intelligenz und neuer Methoden wie ESGAN kann die Effizienz der Pflanzenforschung deutlich gesteigert und der Weg für eine nachhaltigere Bioökonomie geebnet werden.

Von Julia Klinkusch