Buchen im Klimatest: Wie Wälder ihre innere Uhr anpassen
Forschende des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums Frankfurt haben durch die Verknüpfung von Satellitendaten und genetischen Analysen neue Erkenntnisse zur Reaktion europäischer Buchenwälder auf den Klimawandel gewonnen. Die Studie zeigt, wie sich steigende Temperaturen auf den Laubaustrieb auswirken und wie Buchenpopulationen genetisch an ihre Umgebung angepasst sind.
Forschende haben untersucht, ob und wenn ja, wie sich die Buchenwälder in Deutschland an den Klimawandel anpassen.
Foto: SmarterPix/Vobelima
Eine Studie des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums Frankfurt (SBiK-F) hat neue Einblicke in die Anpassungsfähigkeit europäischer Buchenwälder an den Klimawandel geliefert. Durch die Kombination von Satellitendaten mit einer neuartigen genetischen Analysemethode gelang es den Forschenden, die komplexen Zusammenhänge zwischen klimatischen Veränderungen und dem Verhalten von Buchenpopulationen zu entschlüsseln. Die Ergebnisse, die in der Fachzeitschrift „Global Change Biology“ veröffentlicht wurden, zeigen, dass der Zeitpunkt des Laubaustriebs im Frühjahr hauptsächlich von steigenden Temperaturen beeinflusst wird. Zudem konnte nachgewiesen werden, dass Buchenpopulationen genetisch an ihre jeweilige lokale Umgebung angepasst sind. Dieser Forschungsansatz ermöglicht erstmals präzise Vorhersagen darüber, welche Buchenpopulationen den zukünftigen Klimabedingungen am besten gewachsen sind.
Die zunehmende globale Erwärmung stellt auch die Wälder in Deutschland vor große Herausforderungen. Um die Auswirkungen des Klimawandels auf diese Ökosysteme besser zu verstehen und vorhersagen zu können, bedarf es detaillierter Forschung. Der jährliche Zyklus des Blattaustriebs und Blattfalls, die sogenannte Phänologie, spielt eine zentrale Rolle für die Vitalität der Laubwälder und das Klima. Er bestimmt die Dauer der Photosynthese und beeinflusst somit das Wachstum der Bäume sowie den Austausch von Kohlendioxid und Wasser mit der Atmosphäre. „Der Klimawandel verändert diese saisonalen Rhythmen, aber das Verständnis und die Vorhersage der Reaktion langlebiger Bäume war bisher eine große Herausforderung“, sagt Markus Pfenninger vom SBiK-F. Bislang war es schwierig, zwischen den beiden Hauptfaktoren zu unterscheiden, die die saisonale Uhr eines Baumes steuern: die direkten Umwelteinflüsse wie Temperatur und die genetische Veranlagung des Baumes.
Neue Methode verbindet Satellitendaten und Genetik im Kontext des Klimawandels
Um diese Hürde zu überwinden, entwickelte das Forscherteam um Pfenninger einen neuartigen Ansatz. Sie griffen auf hochauflösende Satellitendaten aus den Jahren 2015 bis 2022 zurück, um den präzisen Zeitpunkt des Laubaustriebs und des Laubfalls bei 46 Rotbuchenpopulationen (Fagus sylvatica) in ganz Deutschland zu beobachten. Im Anschluss verknüpften sie diese umfassende „Phänotypisierung aus dem Weltraum“ mit einer neuen populationsbasierten genetischen Analysemethode. „Zum ersten Mal konnten wir ganze Wälder über Jahre hinweg aus dem Weltraum beobachten und gleichzeitig ihren kollektiven genetischen Bauplan lesen“, erläutert Pfenninger. „Diese Kombination gibt uns einen beispiellosen Einblick in die Funktionsweise und Anpassungsfähigkeit dieser lebenswichtigen Ökosysteme.“ Indem sie ökologische und genetische Daten verknüpften, eröffneten sich den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern neue Möglichkeiten, um die Reaktionen von Wäldern auf den Klimawandel zu verstehen und vorherzusagen.
Aus ökologischer Sicht wird der Zeitpunkt des Laubaustriebs im Frühjahr hauptsächlich von der Temperatur und der Wasserverfügbarkeit beeinflusst. Die Analyse der Forschenden ergab, dass sich die Vegetationsperiode für Buchen seit den 1970er-Jahren bereits um etwa acht Tage verlängert hat, was nahezu ausschließlich auf einen früheren Laubaustrieb zurückzuführen ist. Bemerkenswert ist, dass diese Veränderung nicht allmählich, sondern als abrupte Verschiebung Ende der 1980er-Jahre erfolgte. Dieser Zeitpunkt fiel mit einem dokumentierten Anstieg der Frühjahrstemperaturen in Europa zusammen. Die Studie unterstreicht somit den spürbaren Einfluss des Klimawandels auf die saisonalen Rhythmen der Buchenwälder und verdeutlicht die Notwendigkeit, die Auswirkungen steigender Temperaturen auf diese Ökosysteme genauer zu beobachten.
Buchenpopulationen zeigen genetische Anpassung an lokale Klimabedingungen
Ein entscheidender Aspekt der Studie ist der Nachweis einer lokalen genetischen Anpassung der Buchenpopulationen. „Buchenpopulationen sind nicht alle gleich, sie sind recht genau auf ihren jeweiligen Standort abgestimmt“, erklärt Thomas Hickler, Mitautor der Studie vom SBiK-F. „Beispielsweise sind nördliche Populationen genetisch so programmiert, dass sie ihre Blätter früher treiben lassen, als es das Klima allein vermuten lassen würde. Wir nehmen an, dass so die kürzere Vegetationsperiode optimal genutzt wird. Das zeigt, dass es eine vererbbare Grundlage für ihre Phänologie gibt.“ Die Forschenden konnten sogar die für diese Anpassungen verantwortlichen Kandidatengene bestimmen und sie mit der inneren circadianen Uhr der Bäume für den Blattantrieb und mit den Ruhephasen für den Blattabwurf in Verbindung bringen. Diese Erkenntnisse zeigen, wie Buchenpopulationen sich im Lauf der Evolution an die lokalen Klimabedingungen angepasst haben.
Durch die Verknüpfung von Umweltdaten mit den gefundenen genetischen Informationen ist das Forscherteam nun in der Lage, Prognosen darüber zu treffen, wie verschiedene Buchenpopulationen auf zukünftige Klimaszenarien reagieren werden. „Dieses präzise Vorhersagemodell ist ein Meilenstein für die Waldbewirtschaftung und den Naturschutz“, sagt Pfenninger. Die Studie liefert wichtige Erkenntnisse für den Umgang mit Buchenwäldern im Kontext des Klimawandels. Sie zeigt, dass die Europäische Buche über ein beachtliches Anpassungspotenzial verfügt, sofern bei der Waldbewirtschaftung die genetische Vielfalt erhalten und eine natürliche Selektion ermöglicht wird. Die Studienergebnisse belegen die Bedeutung eines ganzheitlichen Ansatzes, der ökologische und genetische Faktoren berücksichtigt, um die Widerstandsfähigkeit von Wäldern gegenüber den Herausforderungen des Klimawandels zu stärken.
Erkenntnisse der Studie als Grundlage für nachhaltige Waldbewirtschaftung im Klimawandel
Die Studie des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums Frankfurt liefert wertvolle Erkenntnisse für die Entwicklung nachhaltiger Strategien zur Waldbewirtschaftung angesichts des Klimawandels. Die Ergebnisse zeigen, dass der Zeitpunkt des Laubaustriebs im Frühjahr hauptsächlich von steigenden Temperaturen beeinflusst wird und dass Buchenpopulationen genetisch an ihre lokale Umgebung angepasst sind. Dieses Wissen kann bei der Entwicklung von Strategien zur nachhaltigen Waldbewirtschaftung berücksichtigt werden, um die Widerstandsfähigkeit der Buchenwälder zu stärken und ihre Ökosystemleistungen langfristig zu erhalten.




