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NRW-Preis Ressourcenschonung 11.11.2025, 11:00 Uhr

Zirkularität gewinnt – und lohnt sich

Kritische Metalle aus Altbatterien zurückgewinnen, sich mit Kunststoffabfällen gegen Hochwasser schützen, Produkte vermitteln statt verkaufen, alte Reifen wieder verwenden – diese vier Aspekte der sich entwickelnden Kreislaufwirtschaft haben eine von der Effizienz-Agentur NRW einberufene Fachjury dieses Jahr so begeistert, dass sie erstmals den „NRW-Preis Ressourcenschonung“ an die dahinterstehenden Unternehmen verliehen hat.

Das Gruppenfoto nach der Preisverleihung (v.l.n.r.): Nick Huijs, Sophia Heinig und Scott Galvao von circuly, Peter Jahns, Direktor der Effizienz-Agentur NRW, Arnd und Iris Bracht von Waterblokk, Simon Bremer und Reiner Sojka von Accurec, Kristiane Guth und Christina Guth von CGW sowie Oliver Krischer, NRW-Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr. Foto: Effizienz-Agentur NRW

Das Gruppenfoto nach der Preisverleihung (v.l.n.r.): Nick Huijs, Sophia Heinig und Scott Galvao von circuly, Peter Jahns, Direktor der Effizienz-Agentur NRW, Arnd und Iris Bracht von Waterblokk, Simon Bremer und Reiner Sojka von Accurec, Kristiane Guth und Christina Guth von CGW sowie Oliver Krischer, NRW-Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr.

Foto: Effizienz-Agentur NRW

Es ist ein schönes Ritual: Die Effizienz-Agentur NRW (efa) verleiht engagierten Firmen im Bereich Nachhaltigkeit seit 2000 alle zwei Jahre Preise. Das Ritual hat sich dieses Jahr leicht verändert: Zehnmal hieß er „Effizienz-Preis NRW“, jetzt hieß es das erste Mal „NRW-Preis Ressourcenschonung“. Mit dieser Umbenennung wolle die efa „noch stärker als zuvor zirkulare Ansätze in den Mittelpunkt stellen – von Recyclingverfahren über digitale Lösungen bis zu gesellschaftlicher Resilienz, erklärt Peter Jahns, Geschäftsführer der efa. Die Agentur vergab diesen Preis sowie einen Sonderpreis in der Kategorie „Kooperation“ am 4. November 2025 in Düsseldorf vor rund 150 Gästen für herausragende ressourcenschonende Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle. Die Auszeichnung der Preisträger übernahm NRW-Umweltminister Oliver Krischer persönlich.

Gleichzeitig hat die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen am selben Ort den Nachwuchspreis „MehrWert NRW“ für die Entwicklung ressourcenschonender Produkte für Verbraucher und Verbraucherinnen bekannt gegeben.

Ressourcenschonendes Produkt

Der Preis für ein ressourcenschonendes Produkt geht nach Krefeld: an die Accurec-Recycling GmbH für ihr neuartiges Recyclingverfahren, mit dem Kobalt, Lithium und Nickel aus Altbatterien zurückgewonnen werden – konkret auch Lithiumcarbonat (Li2CO3), „weißes Gold“ genannt, aus Lithium-Ionen-Altbatterien. Batterien, die mit diesen Sekundärrohstoffen hergestellt werden, sind auf wirtschaftlicher und ökologischer Ebene eine Alternative zur Herstellung von Batterien mittels Primärrohstoffen.

Die Accurec-Recycling GmbH aus Krefeld – hier mit Geschäftsführer Reiner Sojka – gewann den Preis „Ressourcenschonendes Produkt“.

Foto: Effizienz-Agentur NRW

Accurec betreibt das Recycling-Verfahren – auch Clima-Verfahren genannt – im industriellen Maßstab ohne aggressive Chemikalien und mit geringem Wasserverbrauch. Es ist EU-weit das erste Recyclingverfahren, das Lithiumcarbonat für die industrielle Nutzung bereitstellen kann. Gegenüber der Primärrohstoffgewinnung spart das Verfahren pro Tonne recycelter Batterien rund 0,75 t CO2 ein. Die jährlich eingesparte CO2-Menge liegt bei der jetzigen Kapazität bei 5 000 t/a und soll bis 2030 auf 25 000 t/a steigen. Das Unternehmen unterstützt mit dem Verfahren die Kreislaufwirtschaft und senkt Importabhängigkeiten bei Rohstoffen sowie ökologische Belastungen durch Rohstoffabbau und Transport.

Ressourcenschonende Dienstleistung

Die Firma circuly GmbH aus Bielefeld freut sich über den Preis für die „ressourcenschonende Dienstleistung“. Sie hat nach dem Motto „Nutzen statt besitzen“ eine Software-as-a-Service (SaaS)-Lösung entwickelt, die Unternehmen beim Einstieg in zirkuläre Geschäftsmodelle von Produkten unterstützt. Es ist eine Direct-to-Consumer (D2C)-Software. Diese D2C-Sofware erlaubt es Unternehmen, physische und digitale Produkte sowie Konsumgüter zur Vermietung anzubieten.

Der praktische Nutzen dieser Software ist, dass Unternehmen Produkte wie Kinderwagen, Maschinen oder medizinische Geräte ohne Umweg über Zwischenhändler oder Plattformen direkt anbieten. Kunden können mit Unterstützung der Software solche Produkte anmieten und nach der Nutzungsphase zurückgeben. Die vermietenden Unternehmen bereiten diese wieder auf und vermieten sie weiter.

Nick Huijs, Geschäftsführer der circuly GmbH, und Sophia Heinig, Chief of Staff.

Foto: Effizienz-Agentur NRW

Dieses Angebot fördert ein bewussteres Konsumverhalten und verlängert den Lebenszyklus der Produkte. Sie erleichtert Unternehmen den Einstieg in die Kreislaufwirtschaft, vermindert technische, wirtschaftliche und logistische Hürden bei der Umsetzung von zirkulären Geschäftsmodellen und regt Nutzer und Nutzerinnen durch bewusste Konsumentscheidungen zu mehr Nachhaltigkeit an. Die Software ist bereits in 16 Ländern im Einsatz.

Gesellschaftliche Resilienz

Die Waterblokk GmbH aus Geilenkirchen in der Eifel hat ein modulares Schutzsystem vor Hochwasser und Starkregen aus Kunststoffabfällen entwickelt und gewann damit den Preis in der Kategorie „gesellschaftliche Resilienz“. Die Idee: Statt sich wie beim Ahr-Hochwasser im Juli 2001, von dem auch Flüsse wie die Wurm, die an Geilenkirchen vorbeifließt, betroffen waren, mit Sandsäcken zu schützen, können Kunststoffmodule als Barrieren zum Beispiel vor Türen, Toren oder Fensteröffnungen installiert werden.

Die Waterblokk GmbH aus Geilenkirchen in der Eifel – hier mit Geschäftsführer Arnd Rüsel – gewann den Preis „Gesellschaftliche Resilienz“.

Foto: Effizienz-Agentur NRW

Diese Barrieren bestehen vollständig aus recyceltem Kunststoff und können nach ihrer Nutzung in den Kreislauf zurückgeführt und zu neuen Produkten verarbeitet werden. Sie zeichnen sich durch ihre einfache Handhabung aus und verhindern dadurch nicht nur Überschwemmungen und minimieren die Auswirkungen extremer Wetterlagen, sondern schonen gleichzeitig durch die restlose Rückführung der Materialien in den Produktionsprozess wertvolle und begrenzte Ressourcen.

Kooperation

Die CGW GmbH aus Willich am Niederrhein erhielt den Sonderpreis in der Kategorie „Kooperation“ für den Aufbau der „Allianz Zukunft Reifen“ (AZuR). Diese Allianz von aktuell mehr als 90 Partnern aus zehn europäischen Staaten will eine überregionale, klimafreundliche und wirtschaftlich tragfähige Reifen-Kreislaufwirtschaft entwickeln. Allein in Deutschland fallen jährlich mehr als 500 t Altreifen an, die auf nachhaltige Weise im Wirtschaftskreislauf gehalten werden sollen.

Dank der unterschiedlichen Partner im Netzwerk – von Forschungseinrichtungen bis zu Unternehmen – rückt der gesamte Lebenszyklus der Reifen von der Rohstoffgewinnung über Transport, Herstellung und Nutzung durch Kundinnen und Kunden bis hin zur klimagerechten Weiterverwendung und Verwertung in den Fokus. Um beispielsweise die Nutzungsdauer der Reifen und ihrer Rohstoffe zu verlängern, setzt das Netzwerk darauf, Reifen durch Reparatur, Nachprofilierung und Runderneuerung möglichst lange auf der Straße, und anschließend durch mechanische oder chemische Verwertung vollständig im Wertstoffkreislauf zu halten. Damit können Kosten, Abfälle und CO2-Emissionen vermieden werden.

Die CGW GmbH aus Willich am Niederrhein – hier mit Geschäftsführerin Christina Guth – erhielt den Sonderpreis „Kooperation“ für den Aufbau der „Allianz Zukunft Reifen“ (AZuR).

Foto: Effizienz-Agentur NRW

Solche zirkulären Produkte und Geschäftsmodelle tragen nicht nur dazu bei, Umwelt und Klima zu schützen, sondern auch, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen vor allem in NRW zu sichern. „Mit diesem neuen Preis wollen wir diese Pioniere sichtbar machen und andere motivieren, ähnliche Wege zu gehen“, betonte Jahns.

Nachwuchspreis MehrWert

Mit diesem Preis prämiert die Verbraucherzentrale NRW Nachwuchskräfte, die ressourcenschonende Verbraucherprodukte entwickeln. Dieses Jahr fokussierte der Preis auf textile Materialien. „Gerade im Textilbereich ist der Bedarf an alternativen, umweltverträglichen Lösungen groß – sei es bei Materialien, Herstellung oder Nutzung“, sagt Wolfgang Schuldzinski, Vorstand der Verbraucherzentrale NRW.

Die Verbraucherzentrale vergab den Preis dieses Jahr an eine junge Wissenschaftlerin und einen jungen Wissenschaftler – beide aus dem Forschungsinstitut für Textil und Bekleidung der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach:

  • Die Textilingenieurin Alexandra Plewnia entwickelte eine fluorfreie Hochleistungsfaser auf Basis von recyceltem Polyethylenterephthalat (PET). Sie nennt die Faser „Octogarn“. Der Clou: Auf der Oberfläche bildet sich aufgrund der besonderen Oberflächenstruktur und Oberflächenchemie eine Luftschicht, die das Garn ganz ohne Zugabe von per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) wasserabweisend macht. Octogarn könnte danach in Outdoor- und Sportartikeln verwendet werden.
  • Auch Textilingenieur Leon Blanckart entwickelte ein neuartiges textiles Material: „AlgaCore“, die weltweit erste reine textile Algenfaser. Das Besondere ist die Art und Weise, wie Blanckart fadenförmige Grünalgen kultiviert und verarbeitet. Und die AlgaCore-Faser ist etwas Besonderes: Sie ist flammbeständig, Baumwolle braucht also nicht für diesen Zweck mit umweltschädlichen Chemikalien ausgerüstet zu werden.

„Die ausgezeichneten Projekte zeigen, wie engagiert und professionell junge Menschen aus Nordrhein-Westfalen an diesen Herausforderungen arbeiten“, freut sich Schuldzinski.