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Sofia-Windpark setzt recycelbare Rotorblätter ein 29.08.2025, 11:00 Uhr

Kreislaufwirtschaft in der Offshore-Windenergie

Im Offshore-Windpark Sofia in Großbritannien werden erstmals im großen Maßstab recycelbare Rotorblätter verbaut. Die Kooperation von RWE und Siemens Gamesa zeigt, wie technische Innovation den Weg zu einer nachhaltigeren Offshore-Windindustrie ebnen könnte.

Offshore-Montage von Rotorblättern. Foto: RWE

Offshore-Montage von Rotorblättern.

Foto: RWE

Die Rotorblätter von Offshore-Windenergieanlagen sind ein entscheidender, aber auch besonders anspruchsvoller Bauteil. Mit Längen von über 100 m bestehen sie aus glas- oder kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen, die bislang kaum recycelt werden konnten. Am Ende ihrer Betriebsdauer – nach etwa 20 bis 25 Jahren – wurden sie häufig deponiert oder energetisch verwertet. Diese Praxis steht zunehmend in der Kritik, da weltweit immer mehr Windparks in Betrieb gehen und in den kommenden Jahren große Mengen an Altmaterial anfallen.

Mit den neuen Rotorblättern, die Siemens Gamesa entwickelt hat, soll ein Ausweg geschaffen werden. Kern der Neuentwicklung ist ein spezielles Harz. Es ermöglicht, dass die in den Blättern verbauten Materialien – Harz, Glasfasern, Kohlenstofffasern – nach der Nutzung wieder voneinander getrennt werden können. Dadurch entsteht ein Stoffstrom, der für neue Anwendungen genutzt werden kann. Beispiele reichen von Komponenten in der Automobilindustrie über Bauteile im Konsumgüterbereich bis hin zu Sport- und Freizeitartikeln. Damit wird aus einem bislang problematischen Abfallstrom ein Rohstoff, der sich in die Kreislaufwirtschaft zurückführen lässt.

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50 Turbinen mit recycelbaren Blättern

Im Offshore-Windpark Sofia kommt diese Technologie nun erstmals in großem Umfang zum Einsatz. Von den insgesamt 100 Turbinen des Parks werden 50 mit recycelbaren Rotorblättern ausgestattet. Damit erreicht das Projekt eine Größenordnung, die über einzelne Demonstrationsprojekte hinausgeht und Maßstäbe für die Branche setzt. Laut RWE und Siemens Gamesa wurde bereits die Hälfte der vorgesehenen Blätter installiert, der Rest soll bis Jahresende folgen. Die Produktion erfolgt in Hull, an einem der zentralen Standorte der britischen Offshore-Windindustrie.

Die Dimensionen dieser Turbinen sind beachtlich: Die Siemens Gamesa SG 14-222 mit einem Rotordurchmesser von 222 m verfügt über 108 m lange Blätter. Jede einzelne Anlage kann damit mehrere Megawatt Leistung erzeugen. In Summe wird Sofia nach der Fertigstellung über eine installierte Kapazität von 1,4 GW verfügen.

Für RWE ist der Einsatz recycelbarer Blätter ein logischer nächster Schritt nach der Premiere in Deutschland. Dort hatte das Unternehmen im Offshore-Windpark Kaskasi erstmals einzelne dieser Blätter installiert. Sofia demonstriert nun, dass die Technologie auch im großflächigen Maßstab funktioniert.

Der Offshore-Windpark Sofia auf der Doggerbank

Der Offshore-Windpark Sofia entsteht rund 195 km vor der Nordostküste Englands auf der Doggerbank, einer weitläufigen Sandbank in der Nordsee. Mit seiner Entfernung von der Küste gehört Sofia zu den entlegensten Offshore-Projekten Europas. Diese Lage bringt Herausforderungen bei Bau und Betrieb mit sich, bietet aber auch Vorteile: Die Windbedingungen auf der Doggerbank sind konstant und stark, was eine hohe Energieausbeute ermöglicht.

Sofia ist eines der größten Projekte, die RWE derzeit umsetzt, und soll bis 2026 vollständig in Betrieb genommen werden. Für die Errichtung der Anlagen kommt das Spezialschiff Wind Peak des dänischen Unternehmens Cadeler zum Einsatz, dass die Rotorblätter und Türme von Hull aus auf See installiert. Die logistische Anbindung an Hull ist dabei von zentraler Bedeutung: Die Stadt hat sich in den vergangenen Jahren zu einem wichtigen Fertigungs- und Servicezentrum für die Offshore-Windenergie entwickelt.

Vereinigtes Königreich setzt auf Ausbau von Offshore-Windkraft

Das Projekt steht auch für die Weiterentwicklung der britischen Offshore-Strategie. Das Vereinigte Königreich setzt stark auf den Ausbau von Offshore-Windkraft, um seine Klimaziele zu erreichen und die Energieversorgung unabhängiger von fossilen Importen zu machen. Sofia leistet dazu einen wichtigen Beitrag – sowohl durch die Menge an erzeugtem Strom als auch durch den Innovationscharakter der verwendeten Technologien.

Lesetipp: Ressourcen clever genutzt

Die recycelbaren Rotorblätter sind dabei nicht nur eine technische Neuerung, sondern könnten auch als Signal für die Branche dienen. Während die ersten Offshore-Windparks der frühen 2000er-Jahre demnächst das Ende ihrer Betriebszeit erreichen, rückt die Frage der Entsorgung von Altmaterialien in den Fokus. Mit dem neuen Harzsystem zeigen Siemens Gamesa und RWE, dass Recycling auf industriellem Niveau möglich ist. Sollte sich die Technologie in Sofia bewähren, könnte sie künftig zum Standard in der Offshore-Windindustrie werden.

Darüber hinaus hat der Einsatz Auswirkungen auf die Wahrnehmung von Offshore-Windprojekten in der Öffentlichkeit. Während Fragen der Landschaftsästhetik oder der marinen Ökologie weiterhin diskutiert werden, bietet das Recycling einen klaren Vorteil: Es reduziert den ökologischen Fußabdruck und unterstreicht den Anspruch, erneuerbare Energien über ihren gesamten Lebenszyklus nachhaltig zu gestalten.