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12.12.2025, 12:12 Uhr

EU entdeckt Lithium-Recycling in Krefeld

Eine Krefelder Firma bringt die Kreislaufwirtschaft in der EU voran. Sie kann effizient Batterien aller Art recyceln und dabei wertvolle Metalle wie Kobalt, Nickel und vor allem Lithium zurückgewinnen. Sie ist so zuversichtlich, dass sich ihre neue Art des Batterierecyclings lohnt, dass sie bereits auf die Genehmigung einer größeren Anlage mit 20.000 t Jahresumsatz wartet.

1. Dezember 2025, 11.13: Umweltkommissarin Jessika Roswall und Accurec-Geschäftsführer Rainer Sojka sind kurz davor, gemeinsam auf den Button zu drücken, um die Clima-Anlage zum Batterierecycling offiziell zu starten. Felicia Weyhe, Accurec-Recycling

1. Dezember 2025, 11.13: Umweltkommissarin Jessika Roswall und Accurec-Geschäftsführer Rainer Sojka sind kurz davor, gemeinsam auf den Button zu drücken, um die Clima-Anlage zum Batterierecycling offiziell zu starten. Felicia Weyhe, Accurec-Recycling

Batterierecycling

Es war ein feierlicher Moment: Am 1. Dezember um exakt 11.14 haben Jessika Roswall, Umweltkommissarin der EU-Kommission, und Reiner Sojka, Geschäftsführer der Accurec Recycling GmbH in Krefelder Hafengebiet, gemeinsam eine weltweit einzigartige Lithium-Recycling-Anlage in Betrieb genommen. Diese Anlage, die auf einem bahnbrechenden Verfahren basiert, wurde im Beisein hochrangiger Gäste aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien offiziell vorgestellt. 4.000 t Batterien können hiermit ab sofort jährlich recycelt werden.

Dieses Verfahren werde die EU ein Stück weit resilienter machen. „Strategische Projekte und Anlagen wie diese zu unterstützen, ist für die Europäische Kommission und für mich persönlich von entscheidender Bedeutung“, betont Roswall. In der heutigen instabilen Welt sei die Sicherung der strategischen Autonomie Europas wichtiger denn je. Die Kommissarin ergänzt: „Das Recycling von Lithiumbatterien ist von entscheidender Bedeutung, um den Bedarf Europas in den Bereichen saubere Energie, digitale Transformation, nachhaltiger Verkehr, Verteidigung und anderen Bereichen zu decken.“

Krefeld – statt China

Aktuell gelangt ein Großteil gebrauchter Batterien und Akkus aus der EU nach Asien – vor allem nach China. „Recyclingprozesse wurden dort frühzeitig als wichtiger Baustein erkannt“, weiß Sojka. Im fernen Osten wird Recycling zudem als kostengünstige Quelle für Batterierohstoffe subventioniert, die Betriebskosten seien deutlich niedriger als in jedem EU-Land. „Daher kann einfaches Kopieren dieser etablierten chinesischen Verfahren in EU-Kostenstrukturen niemals wettbewerbsfähig sein“, betont Sojka.

Doch nach mehr als zehn Jahren forschen und experimentieren, hat das Krefelder Unternehmen akkurat eine alternative Prozesskette im industrienahen Maßstab in Krefeld entwickelt: ein thermochemisches Verfahren für alle möglichen Batterien und Akkus, das mit sehr geringem Aufwand an kritische Rohstoffe wie Kobalt, Nickel und Lithium in eine gut trennbare Form überführt und dann trennt. Accurec nennt dies den Clima-Prozess – die Abkürzung steht für „Critical Raw Materials Recovery from Li-Battery Waste Management“.

Die gesamte Anlage zum Batterierecycling auf einen Blick.

Foto: Dr. Ralph H. Ahrens

Mehr Lithium mit „Clima“

Das Clima-Verfahren von Accurec setzt auf die synergetische Verknüpfung verschiedener Prozessschritte, um ausgediente Lithium-Ionen-Batterien hochqualitativ zu recyceln. Konkret werden thermische Vorbehandlung, mechanische Separation und hydrometallurgische Aufarbeitung derartig miteinander kombiniert, dass Lithiumcarbonat (Li2CO3) als hochreines weißes Pulver und ein Nickel-Kobalt-Konzentrat erzeugt werden –und das bei niedrigem Energie- und Ressourcenbedarf sowie ohne aggressive Chemikalien. Der CO2-Ausstoß pro Tonne Lithiumcarbonat wird beispielsweise um mehr als 59 % gesenkt gegenüber.

Mit dem Verfahren wird zurzeit Lithium rund 50 % in einer Reinheit von mehr als 99 % zurückgewonnen. Die Verluste von Nickel und Kobalt liegen unterhalb von 1 %. „Die dringend benötigten Rohstoffe können somit in der EU verbleiben und unsere Rohstoffresilienz voranbringen“, sagt Sojka.

Reiner Sojka, Accurec-Geschäftsführer, erklärt EU-Umweltkommissarin Jessika Roswall, wie in Krefeld Altbatterien schrittweise aufbereitet werden.

Foto: Felicia Weyhe, Accurec-Recycling

… und noch mehr Lithium

Damit nicht genug: Zum einen will Accurec die Lithium-Ausbeute im Clima-Verfahren erhöhen. Durch eine geschickte Prozessführung soll die Ausbeute an Lithiumcarbonat im so genannten „Clima+“-Projekt bis Herbst 2026 auf mehr 80 % gesteigert werden. Diese Ausbeute wird dann bereits die gesetzlichen Anforderungen der EU-Verordnung über Batterien und Altbatterien für 2032 erfüllen. Dieses Projekt wird durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und dem Fonds für den gerechten Übergang (Just Transition Fund, JTF) mit gut 925.000 € gefördert. „Mit Clima+ liefern wir eine Blaupause für die Batterierecyclinganlagen der Zukunft“, betont Sojka.

Accurec-Mitarbeiter Simon Bremer zeigt ein Endprodukt: das weiße Pulver Lithiumcarbonat.

Foto: Dr. Ralph H. Ahrens

Zum anderen haben Accurec und der Essener Chemiekonzern Evonik einen weiteren Baustein der neuen Lithiumrückgewinnungsanlage im Forschungsvorhaben „EarLi“ entwickelt. Mit bei diesem Prozess „Extraktion und Aufreinigung von Lithiumhydroxid Monohydrat aus gebrauchten elektromobilen Lithium-Ionen-Batterien für die Batteriezellfertigung“ waren auch das Institut für Metallurgische Prozesstechnik und Metallrecycling IME in Aachen sowie das Öko-Institut in Darmstadt. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) unterstützt den Plan mit etwa 3,2 Mio. €.

„Das Earli-Verfahren soll eine kosten- und energieeffiziente Isolation von hochreinem Lithiumhydroxid ermöglichen“, beton Ralph Marquardt, Leiter Innovation Networks & Transformation Germany von Evonik, „und damit den Lithiumkreislauf im Bereich der Batterieanwendung schließen“.

Ein Earli-Ziel war, die Ausbeute an Lithium weiter zu erhöhen, ein anderes, das für moderne Zellchemien bevorzugte Lithiumhydroxid (LiOH) in Batteriequalität zu gewinnen, also einer Reinheit von mehr als 99,99 %. Dazu wird im Prozesswasser gelöstes Lithium – etwa am Ende des Clima- oder künftig des Clima+-Prozesses – elektrochemisch mit einer hoch selektiven keramischen Membran von allen verbleibenden Verunreinigungen getrennt und als hochreines Lithiumhydroxid-Monohydrat (LiOH x H2O) isoliert.

Die EarLi-Anlage zur Aufreinigung von Prozesswässern zu hochreinem Lithiumhydroxid für die Batterienherstellung wird vorgestellt. Umweltkommissarin Jessika Roswall unterhält sich mit Ralph Marquardt von Evonik, der rechts von ihr steht.

Foto: Felicia Weyhe, Accurec-Recycling

Resilienz braucht Politik

Aktuell wird viel Abfall aus der EU ausgeführt – auch gebrauchte Batterien und Akkus. Damit gehen Rohstoffe verloren. Das ärgert Umweltkommissarin Roswall und sie sucht mit EU-Handelskommissar Maroš Šefčovič nach Wegen, dass der Abfall in der EU bleibt. Dazu gehört auch, so Roswall, „in der EU die Nachfrage zu erhöhen und Unternehmen zu überzeugen, das Material verwenden“. Die EU ist nicht untätig. In Bezug auf Lithium gab es in den letzten Jahren drei wichtige Entscheidungen. In Zweien erhöht die EU die Nachfrage nach gebrauchten Batterien:

  • Die EU hat im Juli 2023 in der Verordnung über Batterien und Altbatterien erst das Recycling und dann Recyclingquoten vorgegeben: Von 2026 an muss Lithium beim Batterierecycling zurückgewonnen werden, von 2028 an liegt die Rückgewinnungsquote bei 50 %, ab 2032 bei 80 %; Kobalt und Nickel müssen bis 2032 zu 95 % wiedergewonnen werden.
  • In der EU gilt seit Mai 2024 der „Critical Raw Materials Act“ (CRMA). Die EU nennt in dieser Verordnung Rückhaltequoten für wichtige Rohstoffe wie Lithium, die von 2030 an eingehalten werden sollen (siehe Kasten am Ende des Beitrags).

Und in einem delegierten Rechtsakt erschwert die EU die Ausfuhr von Schwarzmasse, einem metallhaltigen Zwischenprodukt beim klassischen Batterierecycling, das in Accurecs Clima-Verfahren nicht anfällt.

  • Die EU hat im März 2025 das Abfallverzeichnis aktualisiert und Schwarzmasse als „gefährlichen Abfall“ eingestuft. Seit 9. Juni 2025 darf dieser Abfall nicht mehr in Nicht-OECD-Länder wie China oder Indien ausgeführt werden.

Was wie ein Exportverbot klingt, ist aber in Wirklichkeit keines. Zum einen gilt eine Übergangsfrist von 18 Monaten bis zum 9. November 2026. Zum anderen nehmen Exporte nach Südkorea – einem OECD-Land – zu und von dort darf die Schwarzmasse dann legal in nicht-OECD-Länder wie China weiter verkauft werden. Und dieser Weg wäre auch nach dem 9. November noch möglich.

Recyclingkapazitäten gefragt

Trotz aller gesetzlichen Vorgaben und trotz oder auch wegen eines baldigen Ausfuhrverbots in nicht-OECD-Länder werden Altbatterien und auch Schwarzmasse weiterhin aus der EU exportiert. Die Lösung: Es braucht auch mehr Recyclingkapazitäten in der EU. Doch für viele klassische Recycler lohnt es sich unter den aktuellen Rahmenbedingungen nicht, in das Recycling von Batterien oder das Aufbereiten von Schwarzmasse zu investieren.

Das Krefelder Unternehmen Accurec plant jetzt, mit seinerm effizienten Batterierecycling voranzugehen . „Wir arbeiten an der Hochskalierung des Clima-Prozesses“, sagt Sojka. Liegen alle Genehmigungen vor, will das Unternehmen durchstarten, also baldmöglichst die erzeugten Lithium-Mengen verfünffachen.

Bereits im Januar 2026 startet das Unternehmen mit den ersten Baumaßnahmen, um Werkshallen inklusive der notwendigen Infrastruktur bereitzustellen. Im Anschluss beginnt der Bau einer größeren Clima-Anlage im Krefeld Hafen.. Dort will Sojka jährlich rund 20.000 t Batterien aufbereiten lassen.

Umweltkommissarin Jessika Rosswall und Acurrec-Geschäftsführer Reiner Sojka haben viel zu besprechen.

Foto: Felicia Weyhe, Accurec-Recycling

Von Dr. Ralph H. Ahrens

Dr. Ralph H. Ahrens ist Redakteur bei der VDI energie + umwelt