Wie Deutschlands Kommunen die Energiewende mitgestalten sollen
Die Energiewende ist keine abstrakte Zielsetzung auf Bundesebene, sondern wird in weiten Teilen in den Kommunen umgesetzt. Der notwendige Umbau der Energieversorgung betrifft kommunale Liegenschaften ebenso wie die Wärmeversorgung ganzer Quartiere, den Ausbau von Ladeinfrastruktur oder die Genehmigung von Wind- und Solaranlagen.

Auch die Komunen sind beim Vorantreiben der Energiewende gefordert.
Foto: Smarterpix/weha
Die anfallenden Aufgaben im Rahmen der Energiewende zu bewältigen ist kein beiläufiges Nebenprodukt kommunaler Daseinsvorsorge, sondern erfordert erhebliche Kapazitäten, personelle wie finanzielle Ressourcen und strategische Steuerung. Vor allem ist Klarheit in der Rollenverteilung zwischen Bund, Ländern und kommunaler Ebene erforderlich. Bislang funktioniert das jedoch längst nicht überall. Eine neue Studie der Deutschen Energie-Agentur (dena) nimmt sich genau dieser Fragestellung an: Welche Rolle können Kommunen bei der Umsetzung der Energiewende konkret übernehmen? Welche Herausforderungen hemmen Fortschritt – und welche Strukturen könnten helfen, Dynamik zu entfalten? Die Analyse betrachtet nicht nur die rechtlichen Rahmenbedingungen, sondern auch institutionelle Abläufe und Verwaltungsrealitäten vor Ort. Drei externe Gutachten ergänzen die Perspektiven um wissenschaftliche, planerische und juristische Einordnungen. In Summe ergibt sich ein differenziertes Bild: Kommunen verfügen über erhebliche Handlungsmöglichkeiten – aber auch über ein ganzes Bündel von strukturellen Hemmnissen, die sie in ihrer Wirksamkeit begrenzen. Der Gebäudesektor ist exemplarisch für die praktische Bedeutung der kommunalen Ebene. Kommunale Einrichtungen wie Rathäuser, Schulen, Sporthallen, Kultureinrichtungen sind in den meisten Fällen in eigener Trägerschaft. Sie zu sanieren, energetisch zu ertüchtigen oder mit erneuerbarer Wärme zu versorgen, fällt damit unmittelbar in die Verantwortung der Kommunen selbst. Doch viele Projekte bleiben in der Umsetzung stecken. Ein häufiger Grund ist die personelle Überlastung der Bau- und Liegenschaftsämter, gepaart mit fehlenden Standardprozessen oder unklarer Förderkulisse. Gerade kleinere Kommunen berichten von erheblichem Abstimmungsaufwand, unübersichtlichen Antragsverfahren und mangelndem Know-how bei der Projektsteuerung.
Energiewende: Verwaltungen im Spagat zwischen Auftrag und Umsetzung
Was sich in Einzelbeispielen zeigt, wird durch die Studie bestätigt: Die Anforderungen an kommunale Verwaltungen steigen erheblich, doch die Ausstattung hält nicht Schritt. Zwischen gesetzlich verankerten Klimaschutzzielen und real verfügbaren Mitteln klafft eine Lücke. Vielerorts fehlt speziell qualifiziertes Personal – sowohl in der strategischen Planung als auch in der technischen Umsetzung. Die Vakanz kommunaler Klimaschutzstellen ist kein Randphänomen, sondern struktureller Bestandteil vieler Verwaltungen. Diese Herausforderungen verstärken sich durch die rechtliche Komplexität. Viele Entscheidungen, beispielsweise zur Ausschreibung energetischer Sanierungen oder zur Vergabe von Leistungen im Bereich der Energiedienstleistungen, sind mit hohen Anforderungen an Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Rechtssicherheit verbunden. Fehlende Expertise in Vergaberecht oder Vertragsgestaltung führt laut Studie dazu, dass Vorhaben unnötig verzögert oder aus Vorsicht ganz zurückgestellt werden.
Zu wenig Unterstützung für kleinere Kommunen
Hinzu kommt die Unsicherheit im Umgang mit neuen Aufgabenfeldern. Die kommunale Wärmeplanung etwa, inzwischen in vielen Bundesländern verpflichtend, stellt hohe Anforderungen an Datenerhebung, Beteiligung und konzeptionelle Integration. Während große Städte eigene Fachabteilungen aufbauen können, sind kleinere Kommunen auf externe Unterstützung angewiesen – doch diese ist oft nicht dauerhaft verfügbar oder finanziell nicht abbildbar. In solchen Kontexten wird deutlich, dass kommunale Handlungsfähigkeit nicht allein vom politischen Willen vor Ort abhängt, sondern maßgeblich von der Ausgestaltung der Förderlandschaft, der Planbarkeit rechtlicher Rahmenbedingungen und der Verfügbarkeit überörtlicher Unterstützungsstrukturen.
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Empfehlungen: Potenziale freisetzen – strukturelle Stärkung als Voraussetzung
Die Studie zeigt, dass zahlreiche Kommunen bereits heute innovative Ansätze verfolgen: Klimaneutrale Quartiere, kommunale Wärmeverbünde, Kooperationen mit lokalen Stadtwerken oder auch gemeinschaftlich betriebene Solaranlagen auf öffentlichen Dächern sind keine Zukunftsmusik, sondern vielerorts gelebte Praxis. Entscheidend ist der Studie zufolge, solche Projekte aus der Nische in die Breite zu bringen – und dabei die Systemgrenzen kommunaler Kapazitäten zu berücksichtigen.
Ein zentrales Ergebnis der Analyse lautet: Kommunen benötigen nicht nur punktuelle Förderung für Einzelprojekte, sondern auch langfristig gesicherte Rahmenbedingungen, die strukturelles Arbeiten ermöglichen. Die Verstetigung erfolgreicher Ansätze, etwa durch kontinuierliche Beratungsangebote, Standardisierungen oder gemeinsame Plattformen, ist dabei genauso relevant wie rechtliche Klarstellungen im Vergaberecht oder vereinfachte Genehmigungsprozesse.
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Ein vorgeschlagener Hebel ist die Einführung eines kommunalen Realisierbarkeitschecks für Gesetze und Förderprogramme. Dabei sollen neue Vorgaben systematisch daraufhin geprüft werden, ob sie mit den Kapazitäten kommunaler Verwaltungen umsetzbar sind. Ein solcher Mechanismus würde laut Studie Verwaltungspraktikabilität als feste Prüfkategorie etablieren.
Neue Ideen zur Energiewende in Kommunen fördern
Darüber hinaus fordert die dena, Kommunen gezielt Anreize für Experimentierfreude zu bieten. Durch befristete Ausnahmegenehmigungen, sogenannte Experimentierklauseln, könnten neue Konzepte schneller getestet und bei Erfolg auch rechtlich verankert werden. Derzeit führen fehlende Spielräume häufig zu einer Kultur der Risikovermeidung, obwohl technische Lösungen und fachliches Wissen vorhanden wären.
Die Praxis zeige: Wo kompetente Partner, ausreichende Ressourcen und politische Rückendeckung vorhanden seien, gelinge kommunale Energiewende nicht nur schneller, sondern auch mit höherer Akzeptanz. Die Bürgernähe der Kommunen, ihre Kenntnis lokaler Gegebenheiten und ihre Fähigkeit zur Integration sektorenübergreifender Themen machten sie zu idealen Knotenpunkten für ganzheitliche Energiepolitik. Diese Potenziale aber müssen gezielt aktiviert werden – durch eine Förder- und Rechtsarchitektur, die nicht am Reißbrett entsteht, sondern in realen Verwaltungswelten wirksam ist.